Autor: Margot S. Baumann
Titel: Die Frau in Rot
Verlag: Knaur Taschenbuch Verlag
Geschrieben von: Nadja Huber
Ein fast wahres Stück Schweizer Geschichte…
Schauermärchen? Dann noch in schweizerischen Gefilden? Perfekt. Und nun noch das schaurig-romantische und geheimnisvolle Schloss Hallwyl vor Augen – einem gemütlichen und spannenden Eintauchen ins heimatliche Kulturgut steht nichts mehr im Wege…
Mit dem Prolog befinden wir uns nachts mitten in Bern, im Wonnemonat Mai 1743. Eine düstere Gestalt, welche im Verlaufe des Buches eine nicht unwesentlich schicksalshafte Rolle spielt, beobachtet eine junge Frau in ihrem Elternhaus. „Alabasterhaut, feuerrote Locken, üppige Brüste und eine Taille, die er leicht mit seinen Händen hätte umspannen können. Dirne! Hexe! Sie würde Johannes‘ Kinder gebären, die später das Schloss erben würden.“ Diese erste Beschreibung erhalten wir von der jungen Frau, welche sich später als Bernhardine von Diesbach herausstellt. Die gerade einmal sechzehn Lenze junge Bernhardine wird gegen ihren Willen mit dem neununddreissig Jahre älteren Johannes von Hallwyl verheiratet. Leider alles andere als unüblich in dieser Zeit – und schon bin ich gespannt, was Bernhardine noch alles widerfahren wird. Der Anfang verheisst nichts Gutes, denn da ist ja noch Johannes skrupelloser Bruder, Gerold von Hallwyl.
Schnitt, und wir sind in der Gegenwart – beinahe: Juni 2010 in Zürich, in bekannter Umgebung also. Hier lernen wir Anouk Morlot kennen – unsere Hauptfigur, welche Schicksalsengel spielen soll und davon noch gar nichts weiss. Seit ihrem Unfall, bei welchem ihre beste Freundin Julia ums Leben gekommen ist, hat sie genug mit sich selber zu tun. Anouk lernen wir aus der Sicht ihrer Mutter Damaris kennen: „Die blasse Haut spannte sich wie Pergament über ihren hochstehenden Wangenknochen. Die kupferfarbenen Locken sahen stumpf und ungepflegt aus; ihre grünen Augen waren trüb, als würden sie hinter einer milchigen Scheibe liegen. Das gefeierte Topmodell, das die Titelseiten internationaler Modemagazine geziert hatte, war nur noch ein Schatten seiner selbst.“
Von ihrer Familie wird Anouk überredet, den Sommer bei ihrer Grosstante Valerie in Seengen zu verbringen. Valerie ist eine schrullige aber noch recht fitte und liebenswerte alte Dame. Sie leidet an Altersdemenz und wird in sechs Monaten in einem Heim leben können. In der Zwischenzeit soll Anouk ein wenig auf Valerie aufpassen. Wobei im Verlaufe der Geschichte nicht immer klar ist, wer nun auf wen aufpasst.
Dann spielt da noch ein gewisser Max, eigentlich der Hausarzt von Valerie, eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Max steht Anouk immer zur Seite, selbst als sie als Einzige immer wieder ein kleines Mädchen mit roten Locken sieht. Als ihr später auch noch eine geheimnisvolle Dame – in Rot gekleidet – erscheint, gilt sie im verschlafenen Dorf Seengen nicht mehr nur als exzentrisch.
Die Ereignisse überhäufen sich. Anouk und Max geraten immer tiefer in die Verstrickungen, welche mit den tragischen Geschehnissen um Bernhardine und ihre Liebsten in der Vergangenheit eng verbunden sind… Die Nachforschungen der beiden werden immer gefährlicher.
Aber wo sind die Verbindungen zwischen Anouk und der geheimnisvollen schönen Dame in Rot? Was hat es mit dem kleinen Mädchen auf sich, welches sie immer wieder sieht? Ist sie wirklich die Einzige, der das kleine Mädchen stets wieder begegnet? Was hat es mit der rätselhaften Frauenstimme auf sich und was zum … sollen diese mittelalterlichen Verse, welche Anouk immer wieder auf höchst merkwürdige Weise übermittelt werden?
Als ob sie mit diesen rätselhaften Erscheinungen nicht schon genug beschäftigt sein wird, lässt sich Anouk überreden, eine Nebenrolle im Theaterstück von Max zu spielen. Max ist der Regisseur dieses Theaterstückes, welches sie im Schlosshof aufführen – der Autor war ein Ortsansässiger im achtzehnten Jahrhundert. 😉
Und da wäre noch Brigitte, die Dorfbibliothekarin, welche seit längerem ein Auge auf Max geworfen hat – ist Anouk eine ernst zu nehmende Rivalin? Brigitte spielt die Hauptrolle im Theaterstück.
Eine weitere geheimnisvolle und unberechenbare Figur ist der hochdotierte Kurator des Schlosses Hallwyl, Herbert Rufli. Was hat er für ein dunkles Geheimnis und was weiss Valerie davon? Was stimmt mit den Morlot-Frauen nicht?
Fragen über Fragen – die Geschichten sind raffiniert miteinander verknüpft, die Handlung immer spannend – man möchte das Buch nicht weglegen, nicht allzu lange zumindest… Margot S. Baumann hat es fertig gebracht, eine äusserst spannend erzählte und ineinander versponnene Geschichte zu schreiben. Der aufmerksame Leser wird nicht nur mit der „Haupthandlung“ bei Laune gehalten. Nein, es gibt diese vielen kleinen Verknüpfungen, die so raffiniert sind. Oder glaubt jemand allen Ernstes, dass der Maler Gustav van der Hulst – auf der Durchreise nach Mailand – rein zufällig in das Leben von Valerie und damit auch von Anouk gestolpert ist? Eine kleine Nebenrolle – und doch auch ein kleines Stück vom ganzen Rätsel, eine weitere Verknüpfung… Oder: wie viele Kinder hat nun Aimée, die Schwester von Anouk? Ein Puzzleteil reiht sich an das andere.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, welches vielleicht den einen oder anderen Leser/Leserin inspiriert, das Schloss Hallwyl zu besichtigen? Bernhardine von Hallwyl, geb. von Diesbach, als auch ihr Mann Johannes von Hallwyl haben tatsächlich gelebt. Bernhardine war glücklich verheiratet, Johannes verstarb aber viel zu früh. Allerdings wurde ihr Leben nach seinem Tod von der Trauer um ihre verlorene Tochter, der Krankheit ihrer beiden Söhne sowie ihrer eigenen Gebrechlichkeit bestimmt.
Erscheinungs-Datum: 3. August 2012
Format: Taschenbuch 18.8 x 12.4 cm, 480 Seiten
ISBN: 978-3426509500