Torsten Sarfert – Redakteur
Dabei seit: Februar 2022
Ganz ehrlich: Das vergangene Jahr war sicherlich kein Glanzjahr in der Menschheitsgeschichte und auch für 2024 könnten die Voraussetzungen rosiger sein. Für mich persönlich lief auch nicht alles glatt. Das tat es aber eigentlich noch nie und ist vergleichsweise oft nur ein First World Problem. Deswegen bin ich äusserst dankbar für die vielen magischen musikalischen Momente, die ich 2023 nämlich auch erleben durfte. Manche für mich allein, manche gemeinsam mit (vielen) anderen. So viele sogar, würde ich alle aufzählen, es den Rahmen sprengen würde. Deswegen hier unvollständig, ein wenig ARTNOIR-zentriert und ganz klassisch: meine Top 10 der Konserven und Konzerte 2023. Ich hoffe, ich kann euch damit retrospektiv auch noch den ein oder anderen schönen Moment bescheren.
In diesem Sinne: Happy 2024 – peace, love & humanity!
Spoiler-alert: Nach Fertigstellung der Listen habe ich festgestellt, dass doch recht viel Country dabei ist. Aber wie sang der unvergleichliche Aeronaut und König der Schweiz GUZ schon 1996 so treffend?: „Mit dem Alter fängt man an, sich für Country-Musik zu interessier’n“.
Top 10 Konserve
- John Mellencamp „Ophelia Descending“
Trotz Herzinfarkt entschied sich JM weiterzurauchen, da dies seiner Stimme den unvergleichlichen Touch gibt. Das kann man für leichtsinnig halten, aber wo er recht hat, hat er recht. Wie bei z.B. „Hey God“ jagt mir seine Stimme jedes mal aufs Neue Schauer über den Rücken. Von seinen Texten ganz zu schweigen. - New Model Army „Sinfonia“
Gut dass sich Justin Sullivan überreden liess, dieses Projekt durchzuführen. Denn wenn wie hier Punk & Klassik zusammentreffen, will die Hühnerhaut gar nicht mehr weggehen. Tipp: Unbedingt das Konzert streamen und/oder die DVD besorgen! - The Coffinshakers „Graves, Release Your Dead“
Meine persönliche Entdeckung des Jahres: Horror Country. Nuff said. - Jason Isbell and the 400 Unit „Weathervanes“
Egal wie man das Genre nennt, welches Jason Isbell bedient, seine Musik hat eine Sogwirkung, wie kaum eine andere. Deswegen zählt man ihn momentan zu den besten Songwritern des nordamerikanischen Kontinents. Beispiel gefällig? Bitte. - Admiral James T. „16 Country & Western Hits“
Im Februar 23 war dies schon mein Lieblingsalbum des Jahres. Ok, es sind noch ein paar dazugekommen. Aber dieses hat jedenfalls schon mal einen ordentlichen Test Of Time bestanden und findet immer wieder den Weg in den Laserabtaster. - Rolling Stones „Hackney Diamonds“
Jaja, der Hype. Leider aber irgendwie berechtigt. Denn mit „Dreamy Skies“ haben die ultimativen Rock-Dinos den wohl wahrhaftigsten Song des Jahres geschrieben. Ein Country-Blues, der direkt von den „Lost Sticky Fingers-Sessions“ stammen könnte. Keef lässt die Dobro scheppern, Mick bläst die Blues-Harp und spricht singend aus, was gerade wohl alle denken & fühlen: „I got to break away from it all – to a place where no one can call“ - The Baboon Show „God Bless You All“
Turn on, tune in, drop out. Einfach mal hart abgehen. DAS Rock’n’Roll Album des Jahres. Oder ist es Punk? Egal – auf jeden Fall geil. - Buddy & Julie Miller „In The Throes“
Sie sind seit über 50 Jahren zusammen und schöner kann man Beständigkeit nicht ausdrücken, wenn Julie Miller die anrührenden Worte in „You’re my thrill“ an ihren Mann Buddy adressiert. Ein traumhaftes Album im Wortsinn, denn es wurde anscheinend im Schlaf „geschrieben“. Bis auf den Song „Don’t make her cry“. Da schrieb dafür Bob Dylan mit. - Slowdive „Everything Is Alive“
Der reinste musikalische Eskapismus. Slowdive verarbeiten Tod & Trauer und haben damit ein intensives, immersives, von Schönheit und Frieden durchdrungenes Album geschaffen. Und es kann durchaus passieren, dass man sich beim Konsum desselben wie „an eine Wolke gekettet“ fühlt. Tut gut in diesen Zeiten. - Chris Stapleton „Higher“
Kurz nach release musste das neue Album des 8-fachen Grammy Gewinners bereits nachgepresst werden. Kein Wunder, denn auf seinem neuen Album gehen Country, Blues, Soul & Southern Rock eine Traumhochzeit ein. Textlich nicht gerade unbedingt woke, trösten Stimme und Songs über dieses einzige Manko hinweg. Und die Bassline von „Crosswind“ ist einfach nur zum Niederknien.
Top 10 Konzerte
- Kurt Vile & The Violators – live im Volkshaus
Der ewige Slacker Kurt und seine Violators verletzen garantiert niemanden. Im Gegenteil: Live hat diese Musik eher etwas Heilendes. Zum Glück jenseits jeder Esoterik. Peace, Love & Happiness. - Bruce Springsteen – live im Letzigrund
10.000 Sekunden Glückseligkeit. Auch 2023 konnte dem Boss live niemand das Wasser reichen. - Eels – live in der Halle 622
Der meist schwermütige, notorische Nörgler Mark E. Oliver Everett und seine eels zeigten sich 2023 in bester Rock’n’Roll Laune. Die Konzerte unter dem Motto „Lockdown Hurricane“ bliesen tatsächlich mit ordentlich Dampf einiges an „Lockdown Depression“ einfach weg. Befreiend. - Frank Turner & The Sleeping Souls – live im Mühlegarten Hunziken
Der sympathische Folk-Punker und seine Jungs im Sommergarten der Mühle Hunziken vor 500 Fans auf Tuchfühlung. Hier gingen Träume in Erfüllung. - Danger Dan – live am Stimmen Festival Lörrach
Ein Drittel der Deutsch-Rapper Antilopen Gang am E-Piano, mit Unterstützung eines klassischen Streichquartetts vor grosser Kulisse und mit schlauen Texten. Ich bin sehr glücklich darüber, dass in diesen Zeiten so etwas noch so wunderbar funktioniert. Gute Menschen aller Länder, vereinigt euch! - The Dead South – live im Komplex 457
Vier Typen, die aussehen, wie aus einer Amish Siedlung entlaufen, verpassen dem traditionellen Bluegrass eine ordentliche Portion Punk. The Dead South schreiben hervorragende Songs und verwandeln jede Konzerthalle in einen vogelwilden Saloon. - Robert Jon & The Wreck – live im Atlantis Basel
Das Atlantis Basel ist immer einen Besuch wert, vor allem wenn solche Acts aus dem Spannungsfeld von (Southern Blues-)Rock und Psychedelica die altehrwürdigen Gemäuer beschallen. - Ben Caplan – live im Ganett Basel
Eines der besonderen Konzerte des Jahres. Der mehrfach ausgezeichnete kanadische Vollblutmusiker und Entertainer Ben Caplan zog im Bauch des ausgemusterten Feuerwehrschiffs ein begeistertes Publikum in seinen Bann. Hätte auch in einer Fussgängerzone funktioniert, aber die Ganett ist doch wesentlich adäquater für die Songs zwischen Folk, Soul, Blues & Klezmer. - Tex Perkins & The Fat Rubber Band – live im Goldmarks Stuttgart
Leider sind australische Bands immer seltener in unseren Gefilden anzutreffen. Da freute es mich umso mehr, dass der alte ex-The Cruel Sea Haudegen mit neuer Combo mal wieder den Weg in meine Nähe fand. Knochentrockener Wüstenrock mit charmant prolliger Attitüde. Prost! - The Silos – live im El Lokal Zürich
Die Urväter des alt-Country aka Americana gaben sich bei ihren Freunden vom el Lokal endlich mal wieder ein Stelldichein. Ein Stück Musikgeschichte in äusserst intimer Atmosphäre und kein bisschen angestaubt.
(Country-) Bonus Track
- Johnny Cash – „The Life In Lyrics“ (Buch)
Dieses reich illustrierte, grossformatige Coffetable Book ist wunderschön, informativ und löst Glücksgefühle aus. Vor allem, wenn man zur Lektüre noch die Musik des Man In Black hört.
Mein liebster Dank für die wunderbaren Momente geht raus an die tollen ARTNOIR Kolleg:innen, sowie alle Künstler:innen, Agenturen und Plattenfirmen. Ohne Euch wäre dies alles nicht möglich gewesen.