Michael Bohli – Chefredaktion
Wo beginnt man nach solchen zwölf Monaten? Fragt sich nicht eher, was endete, was enden soll? Was 2020 als Ausnahmezustand zu verstehen war, wurde Norm, Alltag. Unruhe und Ruhe in gewissen Momenten zum Synonym, Bewegung und Stillstand nicht nur in der Freizeit zur Überlappung. Die gewonnenen Freiheiten waren teilweise nur Schein, die Gesellschaft revoltierte mit grossem Unverständnis und wohlstandsverkommenem Hass. Erneut zeigte sich die Schweiz als Land, das weder für Solidarität noch für progressives Denken steht – von kleinen Erfolgen wie der Ehe für alle abgesehen.
Da war es 2021 erneut an der Musik, meine Gedanken und Emotionen in fassbare Portionen zu bringen, damit diese mit Freund:innen und der gesamten Welt geteilt werden konnten. Genreübergreifend war von brutalem Nihilismus bis zu Umarmungen in zuckrigen Melodien alles dabei.
Wacher Pop aus Isreal: «People buy views, I know it’s old news /But also bad news for everybody» (Noga Eres, Views).
Ermächtigung in Deutschland: “Change / Breaking my cage / Making mistakes / Taking the stage” (Lùisa, New Woman)
In der Schweiz: «Ich schenke ein und dir kein Lächeln mehr / Ertrinke kommt mein Tränenmeer / Alleine in der Menge gehts mir gut» (Steiner & Madlaina, Prost mein Schatz)
Konkret: «Respect my Speck / Respect my gender / Respect my age / Respect my colors» (Ester Poly, Respect my Speck)
Mit doppeltem Boden: “Take what you need / just take it / and take it for granted” (Acid Amazonians, How To Take Up Space)
Aktuelle und treffende Worte vom Messias: «A protester kneels on the neck of a statue / The statue says „I can’t breathe“ / The protester says „Now you know how it feels“ / And he kicks it into the sea” (Nick Cave & Warren Ellis, White Elephant)
Dann gab es dieses Video, das bereits im August 2020 erschien, aber erst mit dem Album 2021 vollständig blühte. Ein Song, der bis heute wuchtig, beeindruckend und wichtig ist.
Ausserhalb der digitalen Sphäre und der heimischen Stube traf man sich teilweise wieder zu lauter Musik. Abende, die bei mir nicht nur positive Gefühle, sondern oft Unbehagen auslösten. Trotzdem war es mehr als wichtig, sich den Orgelklängen von Anna von Hausswolff in Bern hinzugeben, die Sounds im Coq d’Or in Olten an der Wonder Women Night zu geniessen, oder mit Freund:innen und Egopusher im Oxil zu tanzen.
Intern nutzten wir das Jahr für Arbeiten, die man bereits in aller Ausführlichkeit betrachten (grafische Auffrischung der Website), oder auf Überraschungen warten kann (Jubiläumsprojekt). Spätestens im Februar wird das Geheimnis gelüftet.
Zum Abschluss die Erweiterung der kulturellen Inhalte: Film und Kino spielten für mich 2021 eine grosse Rolle. Diverse Festival durfte ich für ARTNOIR besuchen, aktuelle Produktionen auf der grossen Leinwand geniessen und privat die Filmgeschichte durchstöbern. Meine Highlights des Kino-Jahres findet ihr unter diesem Link.
Bleibt gesund, offen, gerecht, und solidarisch. Geniesst die Musik, das Leben.
Das Beste aus 2021
Alben National
Acid Amazonians – How To Take Up Space
/A\ – /A\
Dagobert – Jäger
Steiner & Madlaina – Wünsch mir Glück
Evelinn Trouble – Longing Fever
Ester Poly – WET
Odd Beholder – Sunny Bay
Kush K – Your Humming
GINA ÉTÉ – Erased By Thought
Fiona Fiasco & Melodiesinfonie – Forever Faking Memoirs
Anna Aaron & Bernard Trontin – Moonwaves
Alben International
Blackout Problems – Dark
Nick Cave & Warren Ellis – Carnage
Low – HEY WHAT
International Music – Ententraum
Chvrches – Screen Violence
Noga Erez – KIDS
The Weather Station – Ignorance
Gewalt – Paradies
Lùisa – New Woman
Deafhaven – Infinite Granite
Torres – Thirstier
Alle Beiträge von Michael.