Name: Christian Wölbitsch
Tätigkeit bei ARTNOIR: Fotoredakteur
Dabei seit: September 2018
Kann man den Begriff Pandemie ignorieren, die weltpolitischen Ereignisse wegschieben und einfach nur einen persönlichen Rückblick über ein Musikjahr schreiben? Diese Frage habe ich mir mehr als einmal gestellt. Ich habe versucht herauszufinden, wie mich das Thema Musik und meine Arbeit für ARTNOIR dieses Jahr berührt haben. Auf welchen Begriff würde ich das Jahr reduzieren wollen, wenn ich dazu aufgefordert würde? Kreativität! Unsere Spezies ist darauf ausgelegt, überleben zu wollen. Und so werden wir im Kleinen wie im Grossen nie müde alles zu versuchen, das Unmögliche zu realisieren und neue Wege zu finden. Musik ist untrennbar mit dem Menschsein verbunden. Musik löst mannigfaltige Emotionen in uns als Individuum und im Kollektiv aus. Musik wird uns immer begleiten. So gab es glücklicherweise auch 2020 eine unglaubliche Vielzahl von neuen Veröffentlichungen, die das Jahr musikalisch unvergesslich machten. Wirf doch einen Blick in die verschiedenen Best-Of-Listen unserer Redakteure!
Es ist mein erster Jahresrückblick, seit ich 2018 zu ARTNOIR gestossen bin. Womit wir beim Kernthema meines Rückblicks angekommen sind. 2020 hat mich wesentlich mehr berührt, direkt betroffen, oft enttäuscht und dennoch mehr überrascht als es im Vorjahr der Fall war. Und so ist mein Bedürfnis entstanden etwas über dieses Jahr zu schreiben. Meine Gedanken und Empfindungen möchte ich auf die vier zuvor genannten Bereiche beschränken.
Was hat mich berührt? Die Situation der nationalen Musikszene. Schaffhausen, mein jetziger Wohnort ist klein und überschaubar. Man kennt unweigerlich Menschen aus der Musikszene die stark betroffen waren. Da stellt sich die Frage: Was kann ich, was kannst du tun? Fördere die Musikszene vor Ort! Nutze die Möglichkeit Tonträger oder Fanartikel direkt bei den Bands zu bestellen. Muss ein Konzert abgesagt werden, überlege dir, ob du nicht dein Eintrittsticket spenden möchtest. Viele Veranstalter bieten diese Möglichkeit an. Besuche, sobald es wieder möglich ist, lokale Anlässe und lerne die Musiker und Bands kennen, die aus deiner Region kommen. Oft sind es die kleinen Clubs, die Konzertabende zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen.
Wie hat mich betroffen? Nun, mein Hobby als Konzertfotograf war ab März stillgelegt. Doch es sind nicht in erster Linie die Bilder, die ich nicht machen konnte, es sind die menschlichen Kontakte, die untrennbar damit verbunden sind, die fehlen. Kein Austausch mit den redaktionellen Kollegen von ARTNOIR an Konzerten. Kein Fachsimpeln mit Fotografenkollegen und Lamentieren über die Beleuchtung auf der Bühne. Unser Hobby wäre nur halb so schön, ohne das gemeinsame Bier und das Teilen unserer Begeisterung an Musik.
Was hat mich enttäuscht? Vor allem die unzureichende Solidarität mit der Kunstszene allgemein. Wie leer unser Leben sein kann, ohne die vielen sozialen Kontakte, die wir dank all dieser Kunstformen in einem „normalen Jahr“ pflegen dürfen, haben wir wohl alle zu spüren bekommen. Umso trauriger finde ich es, dass man sich so schwer damit tut dieser Branche rechtzeitig und nachhaltig unter die Arme zu greifen. Musik mag nicht lebenswichtig sein. Doch wer entscheidet darüber, welcher Wirtschaftszweig in unserem Land wie stark und ab welcher Schmerzgrenze unterstützt wird? Wer hat das Recht festzulegen, was systemrelevant ist?
Was war für mich überraschend? Ich habe es Eingangs schon erwähnt. Vor allem die Kreativität hat mich beeindruckt. Zwei Beispiele seinen hier erwähnt:
Snow Patrol & The Saturday Songwriters – The Fireside Sessions
In einer Reihe von Streams auf Instagram haben Snow Patrol gemeinsam mit ihren Fans an neuen Songs getüftelt und die Lyrics zusammen live geschrieben. Das coole daran ist, dass alle Einnahmen dieser EP an die Wohltätigkeitsorganisation Trussel Trust Charity, zur Bekämpfung von Armut gehen.
Nick Cave – Idiot Prayer
Aufgenommen wurde „Idiot Prayer- Nick Cave Alone at Alexandra Palace“ im Juni 2020, geplant als Steaming-Event. Die Resonanz war so gigantisch, dass daraus sowohl ein Musikfilm für die Kinos, als auch ein Album produziert wurden. Der Film lief für wenige Tage in den Schweizer Kinos im November.
Neben diesen internationalen Beispielen gibt es unzählige kleine, nicht minder kreative Ideen, die umgesetzt wurden. Jede*r Einzelne macht uns Mut nicht aufzugeben und durchzuhalten. Es werden noch einige Monate vergehen bis wir klar sehen und abschätzen können, wann die Krise überwunden sein wird. Bis dahin aber stecken wir den Kopf nicht in den Sand. Bitte helft mit, der Kunst – und Kulturszene den Rücken zu stärken. Jede noch so kleine Unterstützung zählt.