23. Oktober 2019
Fri-Son – Fribourg
Bands: New Model Army / John Dear
Wir einmal der Tag kommen, an dem die Konzerte von New Model Army ihre eindringliche Intensität verlieren werden? Wahrscheinlich, im 39. Jahr des Bandbestehens war es aber keinesfalls soweit. Die Mannen um Sänger und Gitarristen Justin Sullivan spielten in Fribourg zwar keine expliziten Fanwünsche, diese Kniff sparen sie sich für die kommende Jubiläumstour auf, liessen aber erneut alle Anwesenden zu einer eingeschworenen Gemeinschaft des sozial bewussten Rocks werden. „From Here“ heisst das neuste Album der Band, jede Sekunde fühlte sich an diesem Mittwochabend wie eine Heimkehr an.
Dass Keyboarder Dean White vor dem Auftritt wegen familiären Verpflichtungen die Reise in seine Heimat antreten musste, das war schade, doch die Lieder wurden vom restlichen Quartett nicht weniger wuchtig dargeboten. Marshall Gill wechselte zwischen Saiten und Tasten umher, Sullivan übernahm stellenweise die Leitmelodien. Und dank dem trockenen und brodelnden Rhythmusspiel von Ceri Monger und Michael Dean wurden die dargebotenen Stücke eh zu einem Sturm in der Steppe. Kernig und rau, so zeigten sich New Model Army, wie immer mit einer unzähmbaren Kraft und dem Blick in alle Richtungen.
„Watch And Learn“ oder „Never Arriving“, die Lieder der neuen Scheibe haben sich innert Kürze zu Hymnen gemausert, welche gleichermassen besungen wurden, die die alten Kracher. Wobei das Verhalten des Publikums bei New Model Army eh immer dasselbe ist, so auch im Fri-Son: Lautes Mitsingen, Fäuste recken und leichte Pogo-Versuche. Die Kraft, welche in der Mischung aus Post-Punk, Rock und Wave liegt, die versiegte auch 2019 nicht. Und wenn einem die Band dann „51st State“ oder „The Charge“ an den Kopf warf, dann fühlte man sich als unbezwingbare Gesellschaft.
Ohne den „f*cking Brexit“ direkt anzusprechen war das Konzert eine politische und kritische Begegnung, wobei New Model Army niemals moralisch überbeissen. Viel lieber liessen sie Platz für kleine Witze oder besangen den Ozean, da sie in der Schweiz schliesslich immer auf unsere Berge neidisch werden. Weit und gross, so ist die Welt – mit Abenden wie diesen lässt sich das Geschehen besser verarbeiten, lässt sich die eigene Position in dem Chaos neu eruieren. „I Love The World“ am Ende dann logischerweise, ewig.
Ganz so ausdrucksstark und emotional war der reduzierte Rock von John Dear im Vorprogramm nicht, trotzdem zeigte das Duo aus Lausanne, dass die klassische Form dieser Stilrichtung bis heute mitreissend wirkt. Nur mit Gitarre, Gesang und Schlagzeug gespielt, zwischen ausfransenden Saiten und satten Toms. Praktisch immer auf den Punkt gespielt, zum mitwippen und den Druck spüren. Was mit leichten Einsprengseln des Blues bereits in Juni in Zürich gefiel, das funktioniert in Fribourg gleichermassen gut. Auch wenn ich mir teilweise etwas lautere und längere Passagen voller Lärm und Rückkopplungen gewünscht hätte, Rock’n’Roll lebt für immer.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Whirlwind
2. Never Arriving
3. The Weather
4. The Charge
5. Watch and Learn
6. 51st State
7. Believe It
8. From Here
9. Where I Am
10. WipeOut
11. Over the Wire
12. Setting Sun
13. Here Comes the War
14. Ballad of Bodmin Pill
15. Fate
16. Get Me Out
Zugabe
17. Autumn
18. Bad Old World
19. I Love the World
Text: Michael Bohli