13. September 2019
Werk 21 – Zürich
Bands: Press Club / Annie Taylor
Ab und zu kommt es vor, dass ich mich auf ein Konzert wage, an dem ich keine der Bands kenne und mich lediglich vom Namen oder dem Plakat hinreissen lasse oder allenfalls eine Empfehlung erhalten habe. So war es auch der Fall an diesem Freitag, der 13., als ich mich einmal mehr auf den Weg ins beschauliche Zürich und da ins Dynamo Werk 21 machte, um den Australischen Punks von Press Club beizuwohnen. Viel zu früh angekommen gab es erstmal ein leckeres „Soundmanoever IPA“ und dann etwas People-Watching draussen am Limmat-Ufer, bis es dann endlich losging.
Als erstes waren die Damen und Herren von Annie Taylor an der Reihe, auch eine Band, die ich bis anhin noch gar nicht kannte. „Satan I want to marry you“ steht in der Bandbio, dazu die Tatsache, dass die namensgebende Annie Edson Taylor vor allem bekannt dafür wurde, sich im Oktober 1901 in einem Fass die Niagara-Fälle hinunter zu stürzen (und dies relativ unbeschadet zu überleben), entsprechend gespannt war ich, was mich hier erwarten würde. Los ging es mit „Teach Me Rock’n’Roll“ und es wurde schnell klar, dass hier eine sehr talentierte, einzigartige junge Band am Werk ist. Ausgerüstet mit einer ganzen Palette an Fuzz-Pedalen, die Stimme von Sängerin Gini Jungi unterlegt mit Hall und Echo, dazu ein stets treibender Beat und rollende Bassläufe – wundervoller lo-fi Psychedelic Rock vermischt mit poppigen Melodien, das machte augenblicklich Spass. Das überraschenderweise eher schon etwas ältere Publikum im noch nicht so ganz vollen Werk 21 war augenscheinlich angetan, es wurde fleissig mit dem Kopf genickt, geklatscht und gejubelt.
Gini kündete vor dem Song „Deeper“ der EP „Not Yours!“ gross an, dass Schlagzeuger Jan Winkler sich nun seines T-Shirts entledigen würde, was mit viel Enthusiasmus goutiert wurde, woraufhin Gitarrist Tobi Arn mal gleich einen Schluck Bier von Gini stahl. Sie machte sich daraufhin lustig, dass er mal einen Schluck aus der falschen Flasche erwischt hatte und dann zwei Nächte lang nicht mehr schlafen konnte. Sehr amüsant und charmant. Um aber nicht allzu fröhlich zu werden, gab es auf die Frage, „do you like Satan“, mit dem passend betitelten Lied „Satan“ dann den härtesten Song des Abends, Ginis Fuzz-Pedal wurde darin ununterbrochen heftigst traktiert, sehr cool. „Sleepwalking“ wiederum war das Lied, bei dem Bassist Michael Mutter scheinen durfte, unglaublich, was er seinen vier Saiten da unbeschwert und beinahe unscheinbar im Hintergrund zu entlocken vermochte, beeindruckend. Mit dem Übersong „Wasted Youth“, welcher problemlos auch auf einer Sheavy oder The Cult Platte zu Hause sein könnte, sowie dem neusten Release von Annie Taylor, dem fantastischen „17 Days„, war dann leider schon wieder Schluss. Was für eine grossartige Band, das hat richtig Spass gemacht und ich weiss einmal mehr, warum es sich lohnt, ab und an auch mal unbekannte Bands auszuchecken.
Nach einer kleinen Umbaupause und einem weiteren feinen Bier war es dann auch schon Zeit für den heutigen Headliner, Press Club aus Melbourne, Australien. Los ging es mit dem Opener ihres neusten Werkes „Wasted Energy„, dem melodiösen Vollgas-Rocker „Separate Houses“. Sofort zeigte sich, dass Press Club nicht hier waren, um halbe Sachen zu machen, Wirbelwind-Sängerin Natalie Foster war bereits nach wenigen Minuten mitten im Publikum und sang da auf den Knien am Boden weiter. Diese Energie von Seiten der Bühne schwappte sogleich auf die Leute über, Bewegung kam auf und alle merkten, dass hier mit Stillstehen nichts werden würde. Mit „My Body’s Changing“ und „Chosen Ones“ folgten zwei weitere Songs, die absolut keine Verschnaufpause zuliessen, das machte von Anfang an tierisch Spass. Ich war beeindruckt von den verspielten Riffs und Licks, welche Greg Rietwyk seiner Gitarre entlockte, und wie er gleichzeitig zusammen mit Iain MacRae am Bass und Schlagzeuger Frank Lees die Songs unentwegt nach vorne trieb. Press Club hatten die Leute im Werk 21 von Anfang an in der Hand, die Stimmung war ausgelassen, fröhlich und irgendwie euphorisch, obwohl man der Stimme von Natalie unschwer auch viel Schmerz und Wut entnehmen konnte.
Natalie bedankte sich dafür, dass wir so zahlreich erschienen waren und die Band war sichtlich überrascht und geplättet, dass so viele Leute im Publikum sämtliche Lieder lautstark mitsangen. Man fühlte sich äusserst geehrt, vom anderen Ende der Welt hier in der Schweiz spielen zu dürfen und die gesamte Venue singt jedes Lied mit, schon sehr geil. Das atemlose Liebeslied „Obsessing“ wurde einem jungen Pärchen in der ersten Reihe gewidmet, als diese beiden mit ihrer Verliebtheit die Blicke der Sängerin auf sich zogen, sehr süss. Und überhaupt war „Obsessing“ eines der Highlights dieses Konzertes, was für ein geniales Lied, ich als Hobby-Gitarrist war hin und weg ob der mühelos genialen Gitarrenparts, die Greg hier an den Tag legte, wundervoll.
Bei „Late Teens“ begab sich Natalie erneut in die ersten Reihen und fand daran wohl so viel Freude, dass sie sich dann beim darauffolgenden Punk-Kracher „Crash“ mit dem Mikrofon gleich komplett mitten ins Publikum verzog und da den ganzen Song über wild drauf los tanzte und die Leute mitriss. Auch Gitarrist Greg begab sich dann kurzerhand für ein paar Momente vor die Bühne, so viel Energie von Seiten der Band brachte wirklich jedermann und -frau in Bewegung. Es ist schon toll zu sehen, dass eine solche Band das Werk 21 nahezu komplett füllen konnte, erst recht mit einem so motivierten und tanzfreudigen Publikum, in welchem sich von jung bis alt alle wohl fühlten und etwas gehen lassen konnten. Die Setlist hatte logischerweise einen starken Fokus auf das aktuelle Album „Wasted Energy“, welches vor einem Monat erschien, aber wir wurden natürlich auch mit Hits vom Debütalbum „Late Teens“ verwöhnt. Wie es leider immer ist, näherte sich irgendwann dann trotzdem das Ende der Show. Natalie bedankte sich nochmals herzlich und kündete an, dass sie beim letzten Lied, dem grandiosen „Suburbia“, zusammen mit der jungen Dame in der ersten Reihe, der schon „Obsessing“ gewidmet war, crowdsurfen gehen wollte. Letztere machte sich bereits bei den ersten Tönen auf den Weg über die Köpfe des Publikums, Natalie folgte alsbald und klammerte sich an einem der tief-hängenden Licht-Trossen fest, wo sie dann für einen erstaunlich langen Teil des Songs hängen blieb und auch gleich von da aus weiter sang. Was für ein Anblick, genau so wild und ungestüm muss eine Punkshow sein, eine wahre Freude, und so verlangte uns „Suburbia“ nochmals alles ab und wirklich alle sangen den wundervollen Refrain „I’ve left my heart in the suburbs“ mit – fantastisch.
Danach waren sich alle einig, dass wir und die Band noch ein paar Zugaben verdient haben, und so gab es noch „New Year’s Eve“ und „I’m In Hell“ obendrauf. Damit war dann aber auch wirklich Schluss und wir machten uns fröhlich durchgerockt nach draussen, zurück in die Normalität einer lauen Herbstnacht in Zürich und auf den Weg nach Hause. Was für ein grandioser Abend das doch war, eine wundervolle, sympathische und talentierte Vorgruppe mit Annie Taylor und ein Hauptact, der das Publikum von der ersten Minute an voll in der Hand hatte und uns mit unwahrscheinlicher Leidenschaft, Energie und Gefühl ein Konzert der Extraklasse darbot. Press Club haben viel mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie es bisher haben, und ich hoffe inständig, dass sie uns bald wieder mit ihrer Musik beehren.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. Separate Houses
2. My Body’s Changing
3. Chosen Ones
4. Let It Fall
5. Dead Or Dying
6. Headwreck
7. Obsessing
8. Been Thinkin‘ About You
9. Late Teens
10. Crash
11. Twenty-Three
12. Get Better
13. Behave
14. Suburbia
Zugabe
15. New Year’s Eve
16. I’m In Hell
Text und Fotos: David Spring