8. Dezember 2018
Recordroom – Baden
Website: recordroom.ch
In der heutigen Zeit, in der sich der Grossteil des Publikums von festen Tonträgern zu ätherischen Streams zugewandt hat, einen Plattenladen zu eröffnen, das stösst vor allem auf fragende Gesichter. Während in der gesamten Schweiz die noch bestehenden Geschäfte für Vinyl, CDs und musikalische Horizonterweiterungen jeden Franken zwei Mal umdrehen, gibt es mit Recordcoom in Baden (Aargau) eine neue Adresse für den Sammelwahn und die Lust am runden Erdöl. An diesem Samstag zum ersten Mal mit offenen Türen, vielen Neugierigen und einem Gläschen Wein.
Nach dem Betreten der kleinen Räumlichkeiten am Cordulaplatz wird einem schnell klar: Die Betreibenden hinter Recordroom haben eine ausformulierte Vision. Hier gibt es keinen Schnickschnack, hier werden Schallplatten nicht von Merchandise oder CDs verdrängt. Nein, das Vinyl regiert diesen Verkaufsraum, der zwar noch auf Deko verzichten muss, aber viele gefüllte Fächer für Stöberer und Forscher bereithält. Übersichtlich geordnet und in diverse Gebiete und Genres unterteilt, mit Material aus den Fünfzigern bis zur Jahrtausendwende.
Wer sich für die aktuellsten Scheiben interessiert, der wird in diesem Shop eher leer ausgehen. Die Geschäftsführer von Recordroom.ch wollen nicht die zeitgenössische Hitparade abbilden, hier geht es um die Schätze der vergangenen Zeiten. Ob Funk mit viel Schmackes, düsterer Proto-Punk, Absurditäten der heimischen Szene oder schweisstreibender Heavy Metal – alles hat seine Ecke. Schön auch, dass gerade die eher unbekannten Acts ihr zweites Leben erhalten. Und wer sich überfordert fühlt, den leiten Kleber mit Informationen und das nette Personal in das Glück.
Nach einem Schwatz mit dem Gründer ist klar, hier wird nicht ins Blaue geschuftet. Hinter dem Recordroom steht eine langjährige Erfahrung im Internethandel: Seit 1999 werden auf Auktionsplattformen und Nischenseiten Klassiker und Kuriositäten verkauft, das Geschäft in Baden ist nur eine weitere Plattform – und auch Arbeitsraum. Wer sich mit Vinyl umgibt, der kennt die schwindenden Platzverhältnisse, klar war diese Fläche nötig.
„Vinyl Collectors Paradise“ lautet die Botschaft unter dem Namen, was hoch gegriffen ist, aber doch für viele zutreffen könnte. Zwar ist das Angebot noch nicht komplett eingeordnet, das soll sich in den nächsten Wochen aber ändern. Auch mit einem kontinuierlichen Wechsel an vorhandenen Scheiben, um das regelmässige Aufsuchen dieser Adresse auch für Kenner langfristig interessant zu halten. Schnell spürt man die Leidenschaft in den Intensionen, und so könnte dieser waghalsige aber ehrliche Plan aufgehen.
Für mich persönlich war der erste Besuch auf jeden Fall ein Erfolg, durfte ich das Geschäft doch mit zwei neuen Anschaffungen verlassen. „Margin Walker“, eine frühe EP der wegweisenden Post-Hardcore-Gruppe Fugazi und das in tiefem Rot gehaltene Album „Any Day Now“ der experimentellen Formation The Legenday Pink Dots. Eine ungewohnte Mischung, aber ein perfektes Abbild für die Möglichkeiten und Überraschungen, die einem im Recordroom erwarten. Wir wünschen dem Geschäft viel Erfolg und eine klangvolle Zukunft.
Text: Michael Bohli