13. Oktober 2018
Volkshaus – Zürich
Band: Faber / Haubi Songs
Dekadent hängt goldglitzernd der Vorhang hinter der Bühne. Spiegel spiegeln das Publikum in ihrem Sein. Oder publiziert sich das Publikum spiegelnd in Selbstverachtung selbst auf die Bühne, „Diese Haie im Züri-See“? Man könnte meinen Narziss himself werde sich heute Abend in Musik ersaufen.
Faber kommt, Faber singt. Faber singt gut, wird meistermässig begleitet. Ah der Posaunenvirtuose, wie habe ich ihn vermisst. Wieso stellt sich keine Freude ein? In mir regt sich Widerstand beim Song „Widerstand“. Mist, mach’s doch einfach wie unser Land. Steh daneben und lass geschehen was geschieht. Ich kann nicht. Faber singt. Immer noch gut, zu gut. Sozialkritisch sinken Schlauchboote im Mittelmeer, während neben mir perlend die Proseccobubbles in schicken Flûtegläsern klingen. Was für ein Theater um besoffen zu werden. Passt nicht! Verdammt, wo sind die biertrinkenden Raufbolde? Lass geschehen was geschieht. Immer noch gülden entlädt sich Euphorie durch die Menge. Faber’s Gesang wird übertüncht vom hedonistischen Mitsingen emotionsloser Zuhörer. Es wird gewohnt, wortspielerisch heftig, geblasen und gefickt, hört sich bei dieser Nachbarschaft aber an wie Petting im rosa Hello-Kitty-Vorstadt-Villenviertel. Komm schon Alter, mehr Bier.
Schnitt – Zigarette, pissen, trinken, zurück.
Blick nach vorn, Dunst breitet sich aus, vor der Bühne. Lässt das Gold aussehen wie Sternenfunkeln. Neuer Versuch. Faber singt – verrucht – geil. Blick nach rechts (Dutt) blick nach links (High heels). Sie schieben sich wankend in Front. Folglich Blick nach vorn versperrt. Blick nach Oben – nicht besser aber den Abend bezeichnender. Rechts auf der Empore, feiern zwei überschminkte Emoschicksen das Leben. Hängende Brüste über Brüstung „Brüstebeinearschgesicht“. Alles Marionetten des immer noch nach zu viel Zigaretten und durchzechter Nacht klingenden Faber. Kann doch nicht sein! Er schafft es, dass sich ein Jungspund über den Balkon hinweg wagt und hinein springt in die Menschenmasse. Tja, „Wer nicht schwimmen kann der taucht“. Während danach gesanglich in Paris die Autos brennen, brennen in Zürich lediglich die Kamine. Wahrlich erstaunend, diese Meisterleistung des Publikums. Sie veranschaulichen die Texte von Faber und beweisen dass sie Sinn machen. Während die Lemminge emotionslos mitgrölen, versuchen Faber das Wesentliche zu präsentieren – erfolglos und gerade deswegen so erfolgreich.
„Alles Gute“ Leute. Die Zugabe erspare ich mir heute. Sie beginnt mit dem Tourtitel, „Sei Ein Faber Im Wind“. Ja genau, einer von uns beiden ist ein Arschloch. Heute bist es du Zürich, „Tausenfrankenlang“ bist du oberflächlich enthusiastisch und ekstatisch vor dem Höhepunkt. Bäh, mach’s dir doch selbst, ich nehm die nächste „Tram“.
Während ich meine Sachen packe und mich klangheimlich verpisse, singt Faber vom Winter, der vom Schnee träumt, von der Theke die auf das Bier wartet und ich? Ich träume von damals, als Sophie Hunger noch ein Album jünger war und der Faber, damals nur zu zweit, im Vorprogramm, regelrecht echotisch hallend vor Menschenmangel, einem seine seelentiefschürfenden Sinnesanwandlungen beinahe ins Gesicht spukte. „So soll es sein“ und so muss es sich anfühlen, Opfer seines eigenen Erfolgs zu sein. Uff, bitter.
Hoffen wir seinem Supporter, dem Luzerner Haubi Songs, möge es nicht gleich ergehen. Elektrostatisch fabulös und absolut grezenlos trashig, haut er quertönend und sprechsingend wagemutige Texte durch den Äther und nimmt damit heute die Rolle ein, die ich mir von Faber gewünscht hätte – die ewig zweite Geige. Nun ja, dennoch hoch die Gläser, seien es nun Humpen oder dann halt, Kristallgläser! Ein Hoch auf den Faber. Er ist immer noch brillant, so brillant das er genau jene, über die er verachtend singt, zum Tanzen bringt. Ein Hoch auf das Gold, auf die Spiegel und darauf dass sie ihre Wirkung hoffentlich nicht nur auf mich ausgeübt haben.
Text: Sebastian Leiggener