26. September 2018
Mascotte – Zürich
Bands: The Brian Jonestown Massacre / LeVent
Es ist schon unglaublich, wie technisch fortgeschritten ein Konzerterlebnis in der heutigen Zeit ist. Nicht nur hört und spürt man die Klänge über laute Anlagen, nicht nur ist man nur wenige Meter von den Künstlern entfernt – nein, man riecht sogar den wabernden Nebel der psychoaktiven Substanzen. Ein 4D-Erlebnis. Moment, lag das an den Musikern, welche sich immer wieder Studentenzigaretten anzündenten? Und mehr Technik als eine kurze Aufnahme mit seinem iPhone zu Konzertbeginn und die nötigen Effekte über seiner Gitarrenspur lässt Anton Newcombe nicht zu? Verwirrend.
Dass der ausverkaufte Auftritt von The Brian Jonestown Massacre in Zürich eher eine erdige und rückbesinnende Angelegenheit werden würde, das war klar. Die Gruppe aus Amerika steht seit 1990 dafür ein, das ehemalige Lebensgefühl der Psychedelica aus San Francisco in die neue Rockwelt einzubringen. Angeführt von Gitarristen und Sänger Newcombe haben sie dies in einer Menge von Veröffentlichungen geschafft, zuletzt mit dem tollen Werk „Something Else„. Mal abgefahrener, experimenteller oder dann doch wieder in den Welten des Blues und Rock – diesen Mittwoch wurde alles bunt auf der Bühne gemischt.
Mit neuen Songs wie „What Happened to Them?“ oder „Who Dreams of Cats?“ wurden die frischen Fans abgeholt, der Strudel aus alten Hits und rumorenden Instrumentalparts stellte die kritische Fraktion der langjährigen Begleiter zufrieden. Und in den merkwürdigen Pausen zwischen den Liedern fanden sich alle wieder. Mit Sonnenbrillen vor den Augen und wenig Kommunikation zeigten sich The Brian Jonestown Massacre nämlich in einer Mischung aus klanglicher Formvollendung, Exzentrik und planloser Aktion. All dies gipfelte in der wunderbaren Anekdote, in der Anton von dem Treffen mit einem Hare-Krishna-Anhänger erzählte und sich selber in den Wirrungen verlor.
Doch diese Eigenheiten gehören einfach dazu und störten zu keiner Sekunde, bewies die Band mit allen Akkorden, dass ihr Neo-Psychedelic-Rock in jedem Zustand vorzüglich schmeckt. Schleppende Gitarren, welche bis fünf Stück geschichtet wurden, nuschelnder Gesang und eine perkussive Wucht – Tanzen, Träumen und Davonfliegen war eine Einheit. Jede Feedback-Orgie fühlte sich paradiesisch an, jeder Trommelschlag wie ein Wegweiser. The Brian Jonestown Massacre haben im Mascotte gezeigt, dass einer der besten Bandnamen auch musikalisch das Grösste ist. Wer will da noch als cool gelten?
Wunderbar vorbereitet auf diese Klangorgie wurde man durch LeVent aus Berlin. Das Trio, welches nicht nur optisch dank Frontfrau Heike Rädeker an Sonic Youth erinnerte, spielte lange und polternde Lieder. Noise, Post-Punk und Krautrock zerrten an den Takten und liessen aus einfachen Mustern wahre Kolosse werden. Dank dem Einsatz von effektreich bearbeiteten Bässen und dem obercoolen Schlagzeugspiel von Frank Neumeier fehlten weder Gitarren noch Emotionen. Kein Wunder, ist sogar Anton Newcombe höchstpersönlich Fan dieser Gruppe!
Text: Michael Bohli