21. September 2018
Im Gespräch mit: Vincent Devaud (Synthesizer) von HEX.
Mit ihrem ersten Album „HEX“ hat uns das Quintett aus Genf nicht nur begeistert, sondern wahrlich umgehauen. Die trippige Mischung aus konstruierten Klangfolgen, der Kälte des Industrial und dem experimentellen Ideenreichtum des ursprünglichen Post-Rock verbanden H E X zu einem perfekten Werk. Mit viel Mut und Überlegung konnte man endlich wieder komplett neuartige Musik aus der Westschweiz vernehmen.
Und da die Gruppe auch live auf der Bühne einen unentrinnbaren Sog aus Wucht, Lautstärke und Effekten entfesselt, darf man auf ihr Konzert am Bergmal Festival im Dynamo in Zürich mehr als gespannt sein. Vielleicht stehen danach ja plötzlich ein paar Betonsäulen mehr im Gebäude.
Mehr Informationen zum Bergmal Festival, welches vom 19.-20.10.2018 stattfindet, findet ihr hier. Tickets gibt es bei Ticketino.
Michael: „Hex“ ist ein Album, das 1989 von einer Popgruppe namens Hex veröffentlicht wurde. Habt ihr es euch jemals angehört?
Vincent: Wir hatten es vorher nicht gekannt. Ich habe mir das Album auf YouTube angehört, als ich das Interview beantwortet habe. Grossartiges Album. Ich mag die Cocteau-Twins-Stimmung einiger Tracks sehr. Wir sind uns der grossen „HEX“-Bandnamenfamilie bewusst, es gibt viele. Als der Name gewählt wurde, war es kurz vor dem ersten Auftritt eilig – es war also sehr spontan. Aber am Ende gefiel er uns sehr, und er funktioniert auch grafisch gesehen ziemlich gut. Wenn man uns auf Spotify nicht finden kann, sollte man die Abstände zwischen den Buchstaben nicht vergessen.
Eure Musik fühlt sich manchmal wie Architektur an. Wie schreibt man solche Tracks?
Das ist definitiv ein gutes Gefühl. Architektur, und vor allem konkrete brutalistische Architektur, könnten als starker Einfluss auf unsere Musik angesehen werden. Für einen Moment war es auch eine geeignete Wahl für eine Deckung. Wir probierten mehrere Visuals aus, Fotos von einem brutalistischen Gebäude oder Illustrationen, die sich auf eine psychedelische Weise wie Architektur anfühlen. Ich denke, dass die eigentliche Abdeckung als Detail einer grossen Konstruktion angesehen werden könnte. Die Textur und die Komposition sind Elemente, die sich auf Aspekte wie konkrete oder brutale Bauelemente beziehen.
Was das Schreiben der Tracks betrifft, so war es ein langer Prozess. Irgendwann zwischen 2011 und 2012 begann die Band als Post-Punk-/Noise-Rock-Trio (zwei Gitarren und ein Schlagzeug). Die Absicht war, hypnotische und lineare Songs zu kreieren, minimalistisch in ihren Strukturen, aber dicht in ihrer Hülle. Dieser ganzheitliche Ansatz war in früheren Bands, die wir in der Vergangenheit hatten (Equus, Shora, Shelving) konstant. Nach einigen ersten Auftritten und einer ersten Aufnahmesession stellten wir fest, dass etwas fehlte. Wir wollten, dass unser Sound extremer, anspruchsvoller, synthetischer und unnatürlicher wird. Wir haben ein komplexes Gerät mit Synthesizern, getriggertem Schlagzeug und Midi-Sequencern aufgebaut, um die Ästhetik der Band neu zu definieren. Was das Schreiben im Einzelnen betrifft, so ist der Prozess recht einfach. Vincent Hänggi, der der wichtigste Aspekt des Projekts ist – da er unser Material komponiert, aufnimmt und produziert – bringt die ersten Ideen in Form von Drum-Midi-Demos mit einer minimalen und künstlichen Atmosphäre auf den Tisch. Von dort aus bringt jeder seinen Beitrag zu den Songs ein, die sich in etwas Neues verwandeln. Ein Ergebnis, was aus einer auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Teamarbeit entsteht.
Ihr stammt aus Genf. Ist es für euch einfach, in der Deutschschweiz zu spielen?
Nein, ist es nicht. Und es ist für eine schweizerdeutsche Band nicht einfach, im französischen Teil der Schweiz zu spielen. Aber es scheint sich auf eine gute Weise zu ändern, es ist einfacher als vor zehn Jahren, denke ich. Wir haben in Bern, Basel und Düdingen gespielt und es war unglaublich. Es ist immer schön, im schweizerdeutschen Raum zu spielen – in der Romandie hat man gute Chancen, den Club und die Menschen, die dort arbeiten, zu kennen. Da es sich um einen ziemlich kleinen Teil des Landes handelt, hat man oft Freunde unter den Zuschauern. So weisst du, dass du immer mindestens ein oder zwei Leute haben wirst, die am Ende applaudieren werden. Es ist wie zu Hause zu spielen. Im schweizerdeutschen Teil ist es abenteuerlicher und riskanter. Man kann nicht wissen, wie die Musik empfangen wird. In gewisser Weise ist es eine grössere Herausforderung.
Es dauerte sieben Jahre, bis das Album fertig war. Wird das zweite früher folgen?
Wir haben schon ein paar neue Sachen und wir spielen bereits einen neuen Song live. Wie ich bereits erklärt habe, dauerte es auch sieben Jahre, weil wir herausfinden mussten, wie wir klingen wollten und was wir mit diesen Songs machen wollten. Kurz nach seinem Studium war es auch einer der ersten Jobs für Vincent als Toningenieur, und er lernte während dieser Aufnahme wirklich viel. Er wurde fast verrückt, da es nie einfach ist, sein eigenes Zeug zu mischen. Besonders, wenn du perfektionistisch bist und du Leute hast, die sehr anspruchsvoll und wählerisch sind. Auch wenn es unsere erste Platte ist denke ich, dass dieser ganze Prozess uns als Gruppe gefestigt hat. Wir haben viel darüber gelernt, wie wir musikalisch arbeiten. Wir sind uns bewusst, was wir tun wollen und was jeweils der beste Weg ist. Das nächste Album kommt aber nicht 2019. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns den Statistiken widersetzen und es früher veröffentlichen werden als wir denken.
Wo finden wir ein Hexagon in euren Klängen?
Man findet es in der Vielzahl von Klängen und Ebenen, die aufeinandertreffen, und in der Struktur des Tracks, die den Hörer in extrem scharfe Ecken transportieren.
Ein Wal ist das Maskottchen des Bergmal Festivals. Welches Tier wäre perfekt, um eure Musik zu repräsentieren?
Etwas zwischen dem Adler der Genfer Flagge und den schönen, schwarz-weissen Kühen aus dem Freiburgerland. Also würde ich sagen, eine majestätische Freiburger Adlerkuh.
Werdet ihr auch an den anderen Shows und Konzerten des Festivals teilnehmen?
Natürlich freuen wir uns auf die anderen Konzerte. Es ist immer schön, neue Bands zu entdecken, und diese Art von Veranstaltung ist der perfekte Ort dafür. Wir freuen uns auch sehr, Jaga Jazzist zu sehen. Einige von uns haben sie noch nie live gesehen und wir sind aufgeregt, ihrer Darbietung beizuwohnen.
Welche Bands und Künstler sollte man sich nicht entgehen lassen?
Beim Festival würde ich mit Sicherheit Jaga Jazzist sagen. Ich muss zugeben, das ist die einzige Band von allen, die ich wirklich kenne.
Was verbindet H E X mit Zürich?
Zürich ist eine unglaubliche Stadt. Für einen Aussenstehenden ist es immer spannend, dorthin zu gehen und einige Zeit an diesem Ort zu verbringen. Wir haben einige Freunde, die dort leben und ein paar von uns sind auch durch ihren Job mit der Stadt verbunden. Ich bin immer wieder erstaunt, wie sich die Stadt verändert. Alles scheint so gut durchdacht und gut gestaltet zu sein. Auch im Hinblick auf das künstlerische Angebot wie Museen, Theater oder Bars ist es definitiv das Beste, was man in der Schweiz finden kann. Wir haben keine starke Verbindung zur Musikszene, aber wir kennen einige grossartige Projekte aus der Region, bloss nicht persönlich. Wenn sie noch aktiv wären, würden wir gerne eine Bühne in Zürich mit den mächtigen Celtic Frost teilen.
Wie klingt Post-Rock und was folgt danach?
Ich denke, dieser Begriff wurde aus dem falschen Grund viel zu oft verwendet. Ich bin mir nicht sicher, was Post-Rock heute ist. Sind Mogwai oder Mono immer noch die Spitze des Post-Rock-Korbes? Früher schien es, dass das Spielen von kleinen Gitarrenmelodien mit Reverb und etwas Delay das goldene Ticket war, um das Post-Rock-Label zu erreichen. Es ist schwer zu beschreiben, wie Post-Rock klingt, ohne in ein Klischee zu fallen. Ich denke, dass die grosse Post-Rock-Band immer noch diejenige ist, die nicht wie die typische Post-Rock-Musik klingt. Wir sind ein grosser Fan von Tortoise oder Slint, welche die Vorläufer des Genres zu sein scheinen. Aber sie klingen nicht wie das, was man Post-Rock-Musik nennen würde. Ich weiss nicht, was danach folgt, aber was mir an der eigentlichen Musikszene gefällt, ist, dass alles zusammenführbar scheint. Einflüsse aus den 70er Jahren können mit 80er- oder 90er Jahren und Musik-Gimmicks aus den 00er Jahren gemischt werden. Man könnte einen Fan für jede Art von Musik finden, und das ist vielleicht das, was folgt – kein Genre, nur undefinierte, fesselnde Musik.
Vielen Dank für eure Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli