11. August 2018
Im Gespräch mit: Donat Kaufmann, Gitarrist und Sänger von One Sentence. Supervisor.
Nach dem Auftritt an den Winterthurer Musikfestwochen hat Donat über die Zusammenarbeit mit Bahur Ghazi, die Zukunft der Band und den Sonnenschirm auf der Bühne geplaudert. Die Büsi-Tasse war auch mit auf der Bühne und beim Interview und durfte auf dem Foto nicht fehlen.
Sarah: Bist du zufrieden mit dem Auftritt? Oder: Wie seid ihr als Band zufrieden, hattet ihr überhaupt schon Zeit, euch darüber auszutauschen?
Donat: Es hat zum Sonnenuntergang gepasst, fand ich. Es war ein Sonnenuntergangskonzert.
Ihr seid ja momentan in einer anderen Konstellation unterwegs. Wie kam es dazu?
Kennengelernt haben wir Bahur vor einem Jahr. Ich habe damals angefangen, viel Musik aus dem arabischen Raum zu hören und wollte lernen, Oud zu spielen. Da hat ein Freund von mir, Marcel Bieri, gemeint, ich müsse unbedingt Bahur kennenlernen, er sei der beste Oud-Spieler weit und breit. Er gab mir seine Nummer und ich besuchte ihn. Gespielt haben wir dann nicht viel, dafür geredet. Und schnell wurde klar, dass ich jetzt erstmal nicht werde lernen, Oud zu spielen, sondern dass er sie bei uns spielen würde. Dann haben wir zusammen an der Kilbi gespielt letztes Jahr, im Oktober haben wir gemeinsam einen Song aufgenommen. Nun spielen wir alle Festivals zusammen.
Im Juni hattet ihr einen ziemlichen Konzert-Marathon. Das war sicher anstrengend.
Das Anstrengendste an diesem Marathon war, dass wir ihn nicht am Stück laufen konnten. Pausen bringen einen aus dem Rhythmus. Mir ist es viel lieber, wenn man zwei Wochen oder so am Stück unterwegs ist und dann jeden Abend ein Konzert spielt. Es entwickelt sich dann eine Routine, eine gute Routine. Man hat das Gestern noch in Erinnerung und lernt schneller.
Lässt sich das dann gut mit dem Privatleben, also quasi dem Leben neben der Musik, vereinbaren?
Das hat sich schon verändert, da es in den letzten zwei Jahren intensiver geworden ist. Im Moment bewegen wir uns in einem halb-professionellen Rahmen und es wird sich jetzt zeigen, wie wir damit umgehen werden. Wir bekommen das alle etwas unterschiedlich zu spüren. Ich persönlich habe mein Leben schon lange so ausgerichtet, dass sich die Musik den Platz nehmen kann, den sie gerade braucht.
Ist es dann manchmal auch schwierig für euch untereinander, welche Opfer man bringen muss, welche Kompromisse eingegangen werden müssen?
Das ist durchaus ein Thema, ja.
Ihr habt ja auch immer wieder Konzerte im Ausland.
Ja, genau. Die Ausflüge fühlen sich am ehesten an wie ein Roadtrip mit Freunden. Aber eben, die Unterbrüche sind ein bisschen anstrengend. Leider erfordert es viel Energie, bis man als Schweizer Band im Ausland Fuss fassen und dann auch mal 15 Shows am Stück spielen kann. Es wartet niemand auf dich. Und es bedeutet auch, dass man wie auf Abruf ist und man nicht so verlässlich planen kann. Es heisst dann: „Hey, nächsten Monat ist das und das, wollt ihr oder wollt ihr nicht?“ Wir hoffen aber, dass sich das auch so ein bisschen verändert, jetzt langsam.
Ist es denn vom Publikum her anders, im Ausland zu spielen?
Nein. Grundsätzlich fühlt sich jeder Abend anders an. Das lässt sich nicht einteilen in Nationen oder Städte. Wobei ich bei grossen Städten manchmal schon das Gefühl habe zu spüren, dass das Überangebot an Konzerten auch auf das Publikum abfärbt. Ich habe so ein Konzert in Erinnerung, da hat man richtig gespürt, dass die Leute denken: „Ich könnte jetzt auch an einem anderen Konzert sein.“ Ist ja dann auch noch eine gute Challenge, eigentlich. Man muss ihnen diesen Gedanken aus dem Kopf spielen.
Gibt es aktuell Pläne oder Träume und Ziele, auf die ihr jetzt hinarbeitet?
Im Moment stehen wir gerade vor der Frage, in welche Richtung sich das Projekt entwickelt. Das Schreiben neuer Songs hilft mir, diese Frage zumindest für mich zu beantworten. Ich bekomme ein Gefühl dafür, wo ich gerade stehe. Die Arbeit mit Bahur inspiriert mich sehr. Er hat mir eine musikalische Welt eröffnet. Mal schauen, wie ich mich und wir uns dort zurechtfinden, wie er sich in unserer Welt zurechtfindet und wie wir daraus eine gemeinsame Sprache entwickeln.
Seid ihr allgemein eher spontan, oder habt ihr auch Fixpunkte, bis wann ihr etwas erreicht haben wollt?
Kommt immer drauf an, wer fragt. Unserem Label und unserer Booking-Agentur gegenüber versuchen wir natürlich schon, den Eindruck einer zuverlässigen Band zu erwecken. Sie sind auf Fixpunkte angewiesen und froh, wenn das mit dem Sponti-Groove nicht ausufert. Auch wenn sie sehr nachsichtig sind mit uns. Wir selbst nehmen es, wie es kommt. Persönlich finde ich Druck von aussen manchmal hilfreich. Sonst fängt man hier etwas an und da etwas an, und dann verzettelt man sich einfach und das führt dann auch nirgends hin. Aber grundsätzlich gibt es keinen Masterplan, und ich glaube, das bringt auch nichts. Die Welt verändert sich, die Musikwelt sowieso, und die muss man einfach so nehmen, wie sie gerade ist. Und wir verändern uns ja sowieso, innerhalb dieser Welt.
Welche Dinge inspirieren euch denn? Was motiviert euch, weiterhin dieses Projekt zu führen?
Neugier. Es gibt in der Musik noch so viel zu entdecken. Und die Musik weiterhin vom Sozialen her denken. OSS entstand weniger über die Musik, als über die Menschen, die sie spielen und damit arbeiten. Die Beziehungen standen von Anfang an im Zentrum. Die Musik entwickelte sich darum herum. Ebenfalls interessiert mich an der Musik das Hoffnungsvolle.
Und gerade Hoffnung kann man momentan nicht genug aufbringen, angesichts der politischen und gesellschaftlichen Grosswetterlage. Das klingt ja pathetisch, aber ich glaube, in der Verknüpfung von Musik und Hoffnung steckt sehr viel drin.
Wie sieht denn das Songwriting bei euch aus?
Es gibt unterschiedliche Wege: Oft jammen wir, woraus dann einzelne Fragmente entstehen, die ich anschliessend versuche zusammenzudenken. Manchmal bringe ich auch Skizzen mit in die Bandprobe. Ich versuche aber, Songs nie bis ins letzte Detail auszuformulieren. Alle in der Band sollen ihre eigene Rolle finden im Song.
Wenn man auf eurer Homepage oder eurer Facebookseite ist, dann stolpert man irgendwie immer über dieses „Temporär Musik“. Was genau ist das?
(Lacht) Das weiss ich doch auch nicht. Dieser Begriff war plötzlich da. Und beschrieb sehr gut, worauf wir damals Bock hatten. Die Vorstellung, ein Jahr von der Bildfläche zu verschwinden, um ein Album zu schreiben, vom dem man sich noch schneller distanziert, als es veröffentlicht wird, erschien uns komisch. Wir haben dann entschieden, diesen Prozess in kleine Stücke zu zerlegen: Song für Song schreiben, proben, aufnehmen, spielen. So kam es zu einer Sammlung von Momentaufnahmen, Temporär Musik eben. Und ich finde es auch einfach einen sehr schönen Begriff, vielleicht auch, weil ich ihn nicht ganz verstehe.
Er beschreibt auf jeden Fall sehr gut, was du gerade gesagt hast, finde ich.
Das Album, dass dann erschienen ist, ist auch eher eine Compilation, es klingt alles ziemlich unterschiedlich.
Bei eurem Konzert im Albani hattet ihr auch schon diesen Sonnenschirm dabei. Der scheint bei euch immer irgendwie dabei zu sein. Steckt da auch noch eine Geschichte dahinter?
Man findet halt Schutz darunter, das ist gut. Unter einem Schirm rückt man nahe zusammen, es entsteht eine familiäre Stimmung. Wir haben das mal ausprobiert, es hat sich richtig angefühlt und dann ist er geblieben. Vielleicht überlebt der Sonnenschirm sogar die Band.
Ich fand, es hat auch so ein bisschen was von „Ah, die Band mit dem Sonnenschirm, ja, die habe ich auch schon mal irgendwo gesehen“. Es gibt ja nicht so viele Bands, die das haben.
Ja, wenn man es musikalisch nicht schafft, sich abzugrenzen, muss man das eben visuell machen. Eben, vielleicht bleibt am Ende einfach der Sonnenschirm übrig von unserer Band, das kann schon sein. Vielleicht war das dann die Band, die einen Sonnenschirm hatte. Das wäre aber ein bisschen schade.
Ich hoffe es nicht! (Lacht)
Ich auch nicht.
Abschliessend, gibt es noch etwas zu sagen über die Musikfestwochen oder euer Konzert hier?
Ja, insofern als dass ich schon oft hier war als Gast. Und ich habe mir dabei auch schon manchmal vorgestellt, wie es wohl wäre, hier zu spielen. Wenn es dann plötzlich soweit ist, fühlt es sich seltsam an. Ich habe mir jetzt vorgestellt, wie es wäre, im Publikum zu stehen.
Interview: Sarah Rutschmann