17. Juni 2018
KIFF – Aarau
Bands: Modern Life Is War / Cancer Bats / Deconvolution / Giver / Way Of Changes / From Mountains To Stars / Oldsun / No Kings No Slaves / Migre Letigre / Fabe Vega
Wer hätte gedacht, dass Leitungswasser hierzulande eine der schönsten Freuden für ausländische Bands sein kann? So zumindest liess es uns Liam Cormier, der Sänger von Cancer Bats, zwischen zwei schweisstreibenden Songs wissen. Aber auch ohne Wasser gab es an diesem Sonntag vor allem überglückliche Gesichter im und um das KIFF anzutreffen, denn die vierte Ausgabe des Friends Fest bot nicht nur sieben Stunden Hardcore und musikalische Magenhiebe, sondern auch viele Begegnungen, eine ausgelassene Stimmung – und ja, sogar Fussball.
Der Aussenbereich des Kulturlokals in Aarau wurde nicht nur genutzt, um lecker zu schlemmen oder ausgelassen zu trinken, sondern wurde zur kleinen Willkommensbühne umgewandelt. Zwischen Merchandise-Stand und sitzenden Fans gab es also einen TV für die Millionäre mit zu wenig Bällen und eine Plattform, auf der Fabe Vega die Feier startete. Akustisch und mit kerniger Stimme, begleitet von einem zweiten Gitarristen, war dies entspannt und zurückhaltend. So leise war das Friends Fest danach nie mehr, aber man wollte sich ja auch an Klang- und Menschenwänden stossen.
Gut also, durfte man danach sogleich in die dunkle Kammer des Foyers, in dem sich No Kings No Slaves bereits in den Lichtstrahlen krümmten und ihre Mischung aus Rock, Metal und melodischem Hardcore von Luzern in den Aargau trugen. Leider etwas dumpf abgemischt, aber schon mal angenehm wild. Was From Mountains To Stars bei ihrem Heimspiel ebenfalls waren, existiert die Band schliesslich dank dem ersten Friends Fest und stand an diesem Sonntag mit einem zweiten Gitarristen verstärkt auf der Saalbühne. Immer wieder ausufernd zogen ihre Songs melodische Bögen durch den Post-Hardcore und knallten wie eine Abrissbirne auf den Boden. Shouter Sevi stellte sich nicht nur in die Mitte des Raumes, sondern auch mitten in die Herzen der Besucher.
Da hatten es Oldsun aus Bulle etwas schwerer bei mir, auch wenn ihre Musik wunderbar gnadenlos präsentiert wurde. Als einzige Band des Abends präsentierten sie ihre Texte auf Französisch und bewiesen, dass in dieser Szene Grenzen nicht mehr existieren. Und genau diesen Punkt sprachen auch Giver aus Deutschland danach an. Ihr Hardcore-Punk war emotional und schneidend, die Themen wie Flucht, Depression oder Hass wichtig und berührend. Es ist einfach so, dass die Intensität der Musik als Katalysator und zur Selbsthilfe dienen kann. Nach diesem Auftritt waren sich alle näher.
Vor dem Haus nahm Migre Letigre die Leute mit seiner fesselnden Stimme und seiner wahnsinnig gut gespielten Gitarren in den Bann. Erstaunlich, zerbrach er mit der Wucht nicht sein Instrument. Way Of Changes hingegen nutzten dann wieder die Vorteile der modernen Technik und polterten mit Metalcore von Lausanner Qualität durch das Foyer. Immerzu in die Schatten getaucht, heisshungrig mit zwei Stimmen und ohne Rücksicht auf Verluste. Zum Glück zeigte zu dieser Stunde niemand mehr Berührungsängste.
Was Cancer Bats aus Kanada wunderbar ausnutzten und sich die Besucher ganz nahe an die Bühne holten. Man wurde gebeten, mit Liebe einander ins Gesicht schlagen oder den Auftritt auch so zu geniessen. Und was für ein Konzert es war – stürmisch, energetisch und ohne wirklichen Pausen. Den Musikern tropfte der Schweiss unablässig von der Stirn, die Zuschauerinnen und Zuschauer schrien mit und polterten über die Bodenbretter. Jedes Riff war eine Offenbarung, jede Wortsalve ein Gebet – und so wurde dieser vom Southern Rock inspirierte Angriff eine Sternstunde. Was für Deconvolution ein kleiner Stolperstein wurde, mussten sich schliesslich nun viele etwas ausruhen.
Dabei war dieser brutale Hardcore mit leichtem Thrash-Gewürz noch das letzte Sahnehäubchen für das Gratisprogramm im KIFF. Direkt aus Solothurn und für viele ein Grund, das Moshen zu starten. Was auch beim abschliessenden Auftritt der Amerikaner Modern Life Is War zum Credo wurde: Vor Frontmann Jeffrey Eaton türmten sich die Leute auf, vollendeten die Texte und wirbelten sich gegenseitig zwischen Bühne und Saal umher. Seit 2005 durfte man diese Band in der Schweiz nicht mehr sehen und wurde nun endlich erlöst. Mit einem gewaltigen Set, welches durch alle Zeiten schritt und sogar vor Covers nicht Halt machte, war es die Krönung eines genialen Tages und lauter Balsam für die Hardcore-Seele. Eine Szene voller bester Freunde? Nach diesem vierten Fest auf jeden Fall.
Setlist Modern Life Is War [Quelle: Setlist.fm]
1. Breaking the Cycle
2. Late Bloomers
3. Fuck the Sex Pistols
4. The Outsiders (Hell Is for Heroes, Part I)
5. Martin Atchet
6. Momentum
7. John and Jimmy
8. Marshalltown
9. Feels Like End Times
10. Chasing My Tail
11. Destination: Death or Better Days
12. First and Ellen
13. Young Man Blues
14. I Wanna Be Your Dog (The Stooges Cover)
15. D.E.A.D.R.A.M.O.N.E.S.
16. Nervous Breakdown (Black Flag Cover)
17. Young Man on a Spree
18. By the Sea
Text: Michael Bohli