28. Mai 2018
Hallenstadion – Zürich
Bands: Roger Waters
Dem Drang zu widerstehen, den Schweinen, der Ungerechtigkeit – aber schlussendlich auch sich selbst und den eigenen Zwängen. Diese Grundsätze schwebten über dem lange erwarteten und natürlich kolossal ausgeführten Auftritt von Pink-Floyd-Gründer Roger Waters im Hallenstadion in Zürich. Denn wie es sich für den Weltstar gehört, lockte er seine Fans nicht nur mit den bekannten Hits in die Halle, sondern bot wieder ein abendfüllendes Programm mit Aussage, Ideologie und Menschlichkeit. Und auch wenn er dieses Mal die Mauer nicht aufgebaut hatte: Zu wenig Knall war eindeutig nicht vorhanden.
Seit Generationen geliebte Lieder wie „One Of These Days“, „Eclipse“ oder „Welcome To The Machine“ sind in ihrer Urform bereits berstende Pulverfässer; sie live erleben zu können aber noch eine viel grössere Wucht. Roger Waters weiss das und zeigte auch am Montagabend mit seiner grossen und fantastisch aufspielenden Band (Jonathan Wilson, das Duo Lucius, Dave Kilminster, Bo Koster und mehr), dass man alte Klassiker und neuere Stücke noch immer fesselnd und erfrischend darbieten kann. Gemischt mit Samples, welche von allen Seiten die Besucher umgarnten und dem satten Sound, der von einer perfekt abgestimmten Lichtshow begleitet wurde, transportierte der Auftritt alle von der ersten Minute an auf die dunkle Seite des Mondes.
„Us + Them“ heisst das aktuelle Programm und trägt auf dem Banner nicht nur den inhaltlichen Konflikt, sondern beweist auch gleich, dass ein Best-Of-Programm von Roger Waters immer eine Krönung ist. So wurde dank Filmprojektionen, wiederkehrenden Botschaften und geschickt rezyklierten Bildern eine neue Reise kreiert, die durch die grössten Alben von Pink Floyd direkt in die Gegenwart mit „Is This The Life We Really Want?“ führte. Klar, gegenüber den Monstern wie „Dogs“ oder „Time“ wirkten „The Last Refugee“ oder „Smell The Roses“ manchmal etwas blass, boten aber zugleich auch eine introvertierte Perspektive in die Gigantomanie.
Denn das fliegende Schwein („Menschlich bleiben“) besuchte die Schweiz ebenso wie eine Gruppe Kinder in Gefangenenkutten bei „Another Brick In The Wall Pt.2“ und die halbe Battersea Powerstation zu Beginn des zweiten Teils. Doch bei Roger Waters gehört dieser Bombast einfach dazu, auch weil er weiss, wie diese Elemente positiv zu nutzen sind. So wurde das Publikum nicht einfach nur optisch übersättigt, sondern dazu aufgerufen, die aktuellen Missstände nicht hinzunehmen, sondern gegen die Obrigkeiten ein Veto einzulegen. Sei dies im politischen, sozialen oder alltäglichen Massstab – wird sind schlussendlich alle eine Menschheit auf einem Planeten und haben die gleichen Rechte.
Rock mit Gewissen, Melodien mit Aussage und Roger Waters mit erhobener Faust – „Us + Them“ bot viel und verlangt nun aber auch etwas von uns. Es bleibt zu hoffen, dass die Liebhaber des Art-Rock also nicht nur einzelne Songzeilen nach Hause nahmen, sondern auch neue Gedanken und Vorsätze. „There is no dark side of the moon, really. Matter of fact, it’s all dark. The only thing that makes it look light is the sun.“ Aber wir können von innen strahlen.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Breathe
2. One of These Days
3. Time
4. Breathe (Reprise)
5. The Great Gig in the Sky
6. Welcome to the Machine
7. Déjà Vu
8. The Last Refugee
9. Picture That
10. Wish You Were Here
11. The Happiest Days of Our Lives
12. Another Brick in the Wall Part 2
13. Another Brick in the Wall Part 3
Pause
14. Dogs
15. Pigs (Three Different Ones)
16. Money
17. Us and Them
18. Smell the Roses
19. Brain Damage
20. Eclipse
Zugabe
21. Mother
22. Comfortably Numb
Text: Michael Bohli