Band: Kind Kaputt
Album: Die Meinung der Einzelnen
Genre: Post-Punk
Label: Eigenveröffentlichung
VÖ: 18. Januar 2018
Webseite: kindkaputt.de
Manchmal entdeckt man Dinge, von denen man gar nicht gemerkt hat, dass sie einem irgendwie immer gefehlt haben. So ein Ding ist „Meinung der Einzelnen“, die neue EP der Deutschrockband Kind Kaputt aus Mannheim. In fünf Songs werden Weltschmerz, Kritik an der Gesellschaft und zwischenmenschliche Problematiken besungen, dies auf eine verzaubernde, poetische Art und Weise. Kind Kaputt schreiben Texte, von denen man denkt: „Mann, wäre ich da doch selber draufgekommen!“ Denn der Inhalt der fünf Lieder berührt einen auf besondere Art und man fühlt sich in seinen Gedanken ertappt und gleichzeitig ist da auch Erleichterung, dass auch sonst noch wer manchmal so denkt wie man selbst.
Song Nummer eins, „Wir bleiben hier stehen“, beginnt mit einer einfachen Gitarrenmelodie und einstimmigem Sprechgesang, bevor man mit voller Wucht vom Refrain erschlagen wird. „Unperfekt“ enthält auch Gesangsspuren des Sängers von „8Kids“, durch dessen Beitrag der Song in seinem Aufbau stark an Stücke amerikanischer Post-Hardcore-Bands erinnert. Im dritten Lied, welches den Titel „Sterben auf Zeit“ trägt, wird selbstkritisch auf Flüchtlingsproblematik und Europas Rolle in Weltwirtschaft und Politik angespielt – jedoch so schön umschrieben, dass man trotzdem nicht das Gefühl erhält, gerade von Moralaposteln getadelt zu werden. Viel mehr fühlt man sich selbst ein bisschen ertappt und ist überrascht, dass man gerade so unterschwellig mit einem sowohl hochaktuellen wie auch unangenehmen Thema konfrontiert worden ist.
„Bitte Warte“ steht in ziemlich starkem Kontrast zum vorherigen Titel. Ein langsamer, einfacher und unglaublich trauriger Einstieg trägt einen weg von Wut und Ablehnung. Das „Wir“ bezieht sich nun nicht mehr auf die Gesellschaft, sondern auf ein „Wir“, welches nur von zwei Personen ausgefüllt werden kann. Es scheint, als erhalte man Einblick in eine Liebesgeschichte, die so intim und persönlich ist, dass es fast schon unangenehm wird, sie so hautnahe mitzuverfolgen. „Da ist ein Fingerspalt Nichts, der dieses Rauschen durchbricht – sag mir, dass das eine Ewigkeit bleibt.“
Mit „Glas“ findet die EP ein gelungenes Ende. Das Stück knüpft an die Gefühlslage seines Vorgängers an, ist jedoch mit schier unkontrollierten Ausbrüchen und einem gewissen Beigeschmack von Selbstzerstörung gespickt. Mein persönlicher Favorit dieser Songsammlung ist gezeichnet von dynamischen Wechseln und liebevoll gesetzten Details, dabei geführt durch eine eingängige und berührende Gesangsmelodie und einen Songtext mit Gänsehautpotential. Während man die wehmütigen Worte im Kopf leise mitsingt und dabei im kalten Wintergrau an der Strassenampel steht, fühlt man sich unversehens zurückversetzt in Tage geprägt von Abschiedsschmerz und Nichtverstandenwerden. „Mein Genick ist aus Glas, komm schon, umarm’ mich nochmal“ zeugt sowohl von Resignation wie auch einer gehörigen Prise Selbstmitleid – einer Mischung, für die ich scheinbar sehr empfänglich bin.
Sänger Johannes’ Organ verfügt über ein ganzes Spektrum an Tönen, was er unter Beweis stellt, indem zwischen rohem Geschrei, kräftigem oder sanftem, samtigem Gesang abgewechselt wird. Auch mit Hintergrundgesang – bzw. -geschrei – wird experimentiert, daneben facettenreiche Drumfills und Gitarrensaiten, die je nach Stimmung in unterschiedlichen Tempi angeschlagen werden. Es entsteht eine Dynamik, die sich durch die gesamte EP zieht und der Band zu hohem Wiedererkennungswert verhilft. „Schrei mit uns, was du dich nie zu sagen traust und komm mit, wir wollen schwitzen“ heisst es auf der Facebook-Seite von Kind Kaputt. Gerne, ihr Lieben, sagt nur Bescheid, wenn ihr mal im Lande seid.
Tracklist:
1. Wir bleiben hier stehen
2. Unperfekt (feat. Jonas 8kids)
3. Sterben auf Zeit
4. Bitte warte
5. Glas
Bandmitglieder:
Johannes Prautzsch – Gitarre und Gesang
Mathis Kerscher – Schlagzeug
Konstantin Cajkin – Gitarre
Gründung:
2016
Text: Sarah Rutschmann