28.November 2017
Im Gespräch mit: Björn Gelotte von In Flames
Im Interview mit einem weissbärtigen und äusserst gutmütigen Mann aus dem Norden. Nein, nicht dem Weihnachtsmann – die Rede ist von niemand geringerem als Björn Gelotte, Gitarrist der schwedischen Melodic-Death-Metal-Band In Flames.
Björn Gelotte: Es ist noch nicht lange her, da haben wir uns gesehen, stimmt’s?
Andrea: Ja genau, das war bei eurem letzten Konzert im Theater 11. Schön euch wieder hier zu haben!
Björn Gelotte zieht an seiner E-Zigi, lächelt und macht es sich auf der Couch im Backstage-Bereich bequem. Nicht ohne uns vorher, wie immer, grosszügig mit einem Bier zu versorgen.
Ich wusste gar nicht, dass du rauchst?
Ach, da ist fast kein Nikotin drin. Nicht mal Gras. (lacht)
Habt ihr schon jemals hier im Hallenstadion gespielt?
Nein, das ist das erste Mal.
Was erwartest du von der Show heute Abend? Das ist das zweitgrösste Stadion in Zürich.
Ach echt? Das wusste ich nicht, wir haben sowieso keine Ahnung, wie viele Tickets wir verkauft haben. Ich weiss aber, dass wir genügend Platz für unser ganzes Equipment und die Showgadgets haben. Es wird toll aussehen und genauso toll klingen.
Ihr seid ja aktuell mit „Five Finger Death Punch“ auf Tour: Wie ist es mit den Jungs zu touren?
Wir sehen uns jeden Tag. Chris geht gerne raus, die anderen Jungs weniger. Chris war gestern Beispiel an einem Hockeyspiel. Da ich leider ein bisschen angeschlagen bin, konnte ich nicht mitgehen. Ansonsten hätte ich ihn sicher begleitet.
Wie kam es dazu, dass ihr euch mit „Five Finger Death Punch“ für diese Tour zusammengetan habt?
Die Idee stand schon seit geraumer Zeit im Raum. Wir haben dasselbe Management wie die Jungs. Also war es etwas das, wenn es die Zeitpläne erlaubten, ohne Probleme machbar war. Wir hoffen, dass wir diese Tour auch in den USA fortführen können. Europa war bisher wirklich toll. Viele Zuschauer und viele richtig spassige Shows. Es ist etwas, von dem wir beide 5FDP und In Flames, profitieren.
Wie gut kennt ihr einander?
Das ist das erste Mal, dass wir mit den Jungs auf einer „vollen“ Tour sind. Wir haben aber schon einige Male mit ihnen auf Festivals und hie und da auf Konzerten gespielt. Chris Kael (Bass) kenne ich gut. Die anderen Jungs, Zoltan Bathory (Gitarre) und Co. habe ich ein paar Mal getroffen, allerdings nur sehr kurz.
In Bryce Paul habt ihr einen offiziellen neuen Bassisten gefunden. Seit wann ist er genau dabei?
Bryce ist seit April fester Bestandteil der Band. Davor spielte Håkan Skoger, für uns. Leider konnte er aus familiären Gründen nicht weiter bei uns dabei sein. Er hat kleine Kinder zu Hause. Das Tour-Leben war einfach nicht seins.
Also hättet ihr zuerst ihn als neuen Bassisten bevorzugt?
Nein, wir wollten einfach jemanden in der Band, der es machen wollte und auch kann. Das ist das Wichtigste, jemand der 110% gibt. Als uns Håkan sagte, dass er aus familiären Gründen nicht mehr bei uns mitmachen wollte, war der Fall für uns klar. Wir alle verstehen das sehr gut.
Wie genau habt ihr dann Bryce kennengelernt?
Plötzlich waren wir an dem Punkt, an dem wir keinen Bassisten mehr hatten. Uns blieb nicht mehr viel Zeit, bevor die US-Tour startete. Unser Drummer Joe (Rickard), der Amerikaner ist, sagte, dass sein Freund Bryce ein Bassist sei und das dieser schon in Amerika lebt. Also sagten wir uns: Klar, dann probieren wir’s mit ihm! Das taten wir – und er war genial!
Wie ist das für euch, wenn ein langjähriges Bandmitglied wie Peter Iwers die Band verlässt? Müsst ihr euch da stark umorientieren?
Das kommt ganz darauf an, ob die Person versteht, was sie machen muss und ihre Hausaufgabe gemacht hat. Wenn sie alle Songs gut einstudiert und geübt hat, dann ist das kein Problem. Ich denke, das Wichtigste sind sowieso die sozialen Komponenten. Also wie er mit den anderen Bandmitgliedern interagiert, zu wissen dass er kein Psychopath ist (lacht) – du weisst es nie! Das war das Einzige was mir Sorgen bereitete. Ich hatte absolut keine Bedenken, dass Bryce die Songs nicht drauf hat. Es ist ja schliesslich keine Hirnchirurgie, die wir praktizieren. Aber du musst da reinpassen, sozial kompetent sein und deinen Scheiss beherrschen.
Am 17. November ist eure neue EP „Down, Wicked & No Good“ erschienen. Warum besteht die EP einzig aus Coversongs und warum gerade diese vier?
Wir haben schon in der Vergangenheit einige Coversongs gemacht. Da wären beispielsweise „Murders in the Room“ von Alice in Chains oder „Everything Counts“ von Depeche Mode, von denen eben auch der Song „It’s No Good“ stammt, welchen wir auf unserer EP verwenden. Dieser Song begeisterte mich auf Anhieb und ich wollte sowieso schon lange etwas damit machen. Unser Sänger Anders Friden ist ein riesen Depeche Mode-Fan! Ihn musste ich gar nicht gross überzeugen. Und auch für die anderen Songs brauchte es keinerlei Argumente. Wer steht schon nicht auf Alice in Chains? Wahrscheinlich gibt es bessere Coverversionen, doch darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir von diesen Songs inspiriert wurden unsere eigenen Songs zu schreiben und nun können wir sie in unserem eigenen Stil wiedergeben. Alle vier Songs, bis auf das Cover des Songs “Hurt“ von Johnny Cash, entstanden schliesslich in diesem Jahr in Los Angeles. „Hurt“ haben wir bei einem Livekonzert aufgenommen. Wenn ich so darüber nachdenke, sogar gleich hier um die Ecke, als wir im Frühjahr im Theater 11 spielten!
Wow! Das wusste ich gar nicht! Eure EP erschien im November. Habt ihr schon Pläne für ein neues Studioalbum?
Wir haben darüber gesprochen, neue Songs zu schreiben und sehr bald zu produzieren. Zuerst stehen aber noch einige Konzerte bis Weihnachten an. Und dann, wer weiss, vielleicht schreiben wir ja im neuen Jahr einige Songs. Dann haben wir wieder Touren und Festivals und all das Zeugs. Wir müssen also erst mal schauen, wann wir Zeit haben um Songs aufzunehmen.
Wie verbringst du Weihnachten?
Zu Hause bei meiner Familie. Das versuche ich jedes Jahr so zu machen. Da ich erst am 22. Dezember daheim sein kann, werde ich den 23. wohl oder übel mit Geschenkekaufen verbringen. (grinst). Und danach heisst es: Familienzeit! Ich habe auch ein paar Gäste bei mir, einige Crewmitglieder kommen vorbei und bleiben einige Tage bei uns. Das wird spassig und entspannt. Die Kinder sind da, es wird schön.
Also bist du auch jemand, der seine Weihnachtsgeschenke einen Tag davor kauft?
Ja, denn ich kaufe nie etwas wenn ich auf der Tour unterwegs bin. Ich versuche das jeweils fokussiert zu machen. Ich überlege mir, was ich kaufen muss und dann stürze ich mich hinein ins hysterische Getümmel und kaufe nur das, was ich brauche. Einen Tag reicht mir dafür vollkommen aus.
Aber du hättest doch auf Tour wunderbare Gelegenheiten, Souvenirs aus der ganzen Welt mit nach Hause zu bringen!
Ja schon, aber wo soll ich denn mit den vielen Sachen hin? Dann müsste ich ja noch mehr Zeugs tragen, ich habe eh schon genug davon. (Lacht)
Wie sieht ein typisches Schwedisches Weihnachtsfest aus?
Wir essen Schinken, keinen Truthahn wie die Amerikaner, viel Fisch und Fleischbällchen. Auch bei uns wird wie bei euch ein Weihnachtsbaum geschmückt und die Geschenke darunter gelegt. Alles sehr traditionell.
Und am 25. Dezember?
In Schweden gilt der 24. Dezember als Weihnachten, der Tag darauf kümmert uns überhaupt nicht. Da gehen die meisten Menschen aus. (lacht)
Was wünschst du dir für 2018?
Dass ich und meine Familie gesund blieben, meine Bandkollegen und deren Familien ebenfalls, dass wir weiterhin erfolgreich, inspiriert und kreativ sind – und das Wichtigste: Viel Spass zusammen zu haben. Denn wenn man Spass hat, dann sind alle andern Dinge ebenfalls bereits erreicht.
Was können eure Fans im nächsten Jahr von euch erwarten?
Wir haben einige Überraschungen auf Lager, hauptsächlich in den Sommermonaten. Wie ich bereits sagte, hoffen wir natürlich, dass wir Zeit und Inspiration finden, um ein neues Album zu produzieren. Und wir werden weiter touren. Das ist alles was wir machen und das, was wir gerne machen. Wie du siehst, ist es kein hektischer Lifestyle. (grinst und trinkt Bier) Man trifft viele Freunde und verbringt eine tolle Zeit mit ihnen. Der einzige Nachteil ist, dass man oft von seiner Familie getrennt ist. Aber das wird dadurch kompensiert, dass wenn man mal zu Hause ist, auch für eine längere Zeit da ist. Man muss diese nicht für einen normalen Job aufbringen, wo man seine Familie den Tag hindurch nicht sieht.
Viele Künstler tun sich schwer daran, einige Zeit von ihrer Familie getrennt zu sein. Verständlicherweise. Wie gehst du damit um?
Es wird nicht einfacher. Aber man muss auch sagen, dass sie es nicht anders kennen. Ich mach das schon mehr als mein halbes Leben. So gesehen ist es einfacher. Wenn du jemanden Zuhause hättest, der ständig weint und sagt „Komm nach Hause, komm nach Hause“, dann würde dich das herunterziehen. Es ist ein Geben und Nehmen. Wie ich schon sagte, wenn ich zu Hause bin, dann bin ich es voll. Wenn ich nicht unbedingt muss, dann verlasse ich das Haus nicht einmal.
Was machst du eigentlich sonst so in deiner Freizeit?
Ich mache viel Sport, ich liebe Fussball. Heute schaue ich es zwar meistens nur noch, weil ich zu alt geworden bin. (grinst). Ich boxe, spiele viele Videospiele, schaue gerne Filme, und zeichne ein bisschen. Letzteres mache ich aber nur periodisch, also für einen Monat intensiv und dann mach ich es sechs Monate gar nicht.
Was gefällt dir denn am Zeichnen?
Das ist mein dämliches Hobby, mit welchem ich meine Interessen an Sci-Fiction und Fantasy, Superhelden etc. vereinen kann. Denn diese Art Motive zeichne ich am liebsten.
Aber es ist eine tolle Möglichkeit, seinen Geist zu entspannen, viel besser als Videospiele oder auch Bücher – da muss man sich viel mehr konzentrieren. Ich zeichne manchmal auch wenn wir auf Tour sind. Da könnte eine riesen Party im Tourbus steigen und ich würde sie nicht einmal bemerken wenn ich mit meinem Sketchbuch da sitze und Stunden vergehen. (lächelt) Oh, und meine Zeichnungen werden nie fertig. Ich habe bisher eines fertig gemalt. Ich kann es für drei Stunden machen, aber wenn ich es bis dahin nicht fertig geschafft habe, dann nehme ich es nie mehr wieder in die Hand.
Vielen Dank für das Interview! Wir von Artnoir wünschen euch frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr – auf das ihr uns mit vielen neuen Projekten überrascht.
Interview: Andrea Germann