7. Oktober 2017
Im Gespräch mit: David Kollar
Weit weg vom Mainstream tummelt sich der experimentelle Gitarrist und Komponist David Kollar, der vielen sicher noch nicht sehr bekannt sein dürfte. Dabei beschäftigt sich der 34-jährige Slowake schon seit er denken kann mit Musik und kann auf eine beachtliche Biographie zurückblicken. Dort findet man neben unzähligen Beiträgen für Theaterstücke oder Soundtracks für Filme auch viele Jazz-Projekte. Doch vor allem der Release mit KoMaRa, bei dem Pat Mastelotto (King Crimson, Stick Men) mitwirkte, liess mich aufhorchen. Faszinierend war es, wie David Kollar beim Auftritt mit KoMaRa im Royal Baden mit viel Kreativität seiner Gitarre ziemlich schräge Sounds entlockte, sogar irgendwie ganz neu definierte. Aktuell erntet er Lorbeeren für seinen Beitrag zum neuen Steven Wilson-Album „To The Bone“. Es wird also langsam Zeit, mehr über ihn zu erfahren.
Liane: Vielleicht können wir einfach mal zum Start aufklären, wie die Zusammenarbeit mit Steven Wilson zustande gekommen ist?
David: Nun, Steven und seine Musik waren mir bekannt. Valer Dugas, ein Musiker aus der Band meines Vaters, hatte mir mal von ihm erzählt. Eine Zusammenarbeit schien mir interessant, daher kontaktierte ich ihn über sein Facebook-Profil. Es dauerte ein paar Monate, bis ich Antwort erhielt, und der Austausch war anfangs etwas zähflüssig. Ich dachte mir, dass ihm mein Stil gefallen könnte, als ich Interviews von ihm gelesen hatte und er immer davon gesprochen hatte, dass er auf der Suche nach neuen und kreativen Künstlern sei. Ich schickte ihm also ein paar CDs von meinen Solo-Arbeiten und den Release von KoMaRa. Ein paar Monate später bekam ich eine Antwort von Steven über mein Facebook-Profil: „Your e-mail David?“
Es kam am Ende also zu einer Zusammenarbeit und du spielst auf zwei Songs („Song Of I“, „To The Bone“). Wir kam es gerade zu diesen zwei Songs?
Steven schlug die Songs vor und war der Meinung, diese würden am besten passen bzw. das wären Songs, welche ich durch meinen Beitrag weiterentwickeln könnte. Er schickte mir die Files zu und ich musste reagieren.
Du konntest also deine persönlichen Ideen einbringen?
Steven gab mir freie Hand. Ich wusste, ich musste jetzt schnell und produktiv sein. Es lag nicht drin, ihm die Beiträge erst nach Wochen zuzuschicken. „Song Of I“ war in ein paar Stunden fertig. Ich schickte es ihm zu und er antwortete „Exzellente Arbeit!“. Es gab noch einen dritten Song, „Detonation“, und der Auftrag war gewesen, meinen Beitrag am Ende des Songs einzufügen. Ich nahm ein Solo auf und seine Antwort lautete: „Sei nicht enttäuscht, aber die Soli werden ausschliesslich von den Bandmitgliedern gespielt“. Ein paar Monate später schrieb er mir, dass er es trotzdem verwenden würde. Bei „To The Bone“ fehlte Steven „das gewisse Etwas“, daher ergänzte ich es mit experimentiellen Gitarrenspiel. Das verwendete er am Ende aber nicht und wir beschränkten uns auf „Stereo Delays“. Ich hatte alles in meinem Wohnzimmer zuhause aufgenommen.
Leider bist du auf der folgenden Tournee nicht mit dabei. Alex Hutchings wird den Part übernehmen. Warst du gar nicht im Gespräch dafür?
Ich bin dieses Jahr am 13. Juli in London gewesen, um Steven persönlich zu treffen. Wir haben zu Mittag gegessen und sind dann zu ihm nach Hause gefahren, um die neuen Songs anzuhören. Leider musste ich nach drei Stunden schon wieder zurück nach Kosice fliegen. Das ist das Problem. Steven entschied sich für einen Gitarristen, der in der Nähe wohnt, damit er jeden Tag mit ihm zusammenarbeiten kann. Auch denke ich, dass er für die Tour eher einen Studiomusiker suchte, als einen kreativen Künstler wie ich es bin. Aber wir haben über eine weitere Zusammenarbeit auf dem nächsten Album gesprochen.
Du hast eine beachtliche Biografie und spannende Solo-Arbeiten vorzuweisen. Wie kam es zu dieser Entwicklung bzw. was/wer inspiriert dich?
Ich habe grossen Respekt vor Eivind Aarset (norwegischer Jazz-Gitarrist und Komponist – Anm. Red.). Ich konnte mit ihm und seiner Band auf zwei Konzerten als Gast auftreten. Eivind ist für mich der Meister des modernen Gitarrenspiels. Dann gibt es natürlich noch Pat Mastelotto, er beeinflusst mich sehr. Er arbeitet so hart, es ist unglaublich. Jede Sekunde wird für Kreativität genutzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mal einfach nur da sitzt und die Wand anstarrt oder relaxt. Er ist wie Dynamit und er ist 62, ich kann es kaum fassen, was für ein Energiebündel er ist. Nach jedem Treffen mit ihm habe ich noch mehr Motivation, härter an mir zu arbeiten.
Ein weiterer Künstler, der mich inspiriert, ist Arve Henriksen (norwegischer Jazz-Trompeter – Anm. Red.). Er ist sehr kreativ und hat immer unglaubliche Ideen. Er spricht ständig darüber, wie Künstler ihren kreativen Prozess ununterbrochen verfolgen können, auch in schwierigen Lebenssituationen. Das ist wichtig für die Kunst. Wir spielten im August diesen Jahres zwei Konzerte zusammen am Hevhetia Label Festival. Oh, und ich mag Andrej Tarkovsky! Sein Name steht übrigens auf meiner Gitarre. Seine Bücher und Filme sind eine grosse Inspiration für mich.
Du hast gerade dein Soloalbum „Notes From The Underground“ veröffentlicht. Erzähl uns davon.
Im Dezember 2016 habe ich ein Buch über das Hevhetia Label veröffentlicht. Es ist ein Teil meiner Tagebücher, die ich über das Touren, das Leben, das Treffen von Künstlern, Arbeitsstrategien etc. geschrieben habe. Das Buch beinhaltet auch eine CD mit Remixes von meinem Freund Tomas Mutina. Ich besuchte ihn jeden Tag und wir nahmen eine Stunde lang improvisierte Stücke auf. Am Ende habe ich neun der Improvisationen an Paolo Raineri (Trompete) gesendet und dazu hatte ich spontan meine Gitarrenparts aufgenommen. Das ist das Ergebnis meines aktuellen Albums „Notes From The Underground“. Die Zeit während der Aufnahmen war beeinflusst durch meinen sehr guten Freund Lukas, der einen Tumor hatte. Als ich nach einem Titel für das Album suchte, fiel Dostojewskis Buch aus dem Schrank und schwups hatte ich einen Titel. Das Coverbild wurde von Dusan Ockovic gestaltet. Es stellt Jesus dar, wie er auf den Boden schaut und eine Zigarette raucht. Meine Interpretation des Bildes ist, dass Jesus ein schlechtes Gewissen hat und er dir nicht in die Augen schauen kann. Aber solange die Zigarette brennt, ist alles ok. Dann gibt es noch Hoffnung.
Gibt es Pläne, das Album live vorzustellen?
Es ist sehr schwierig für diese Art von Musik, Live-Konzerte zu buchen. Ich kann in keinem gewöhnlichen Club spielen, wo Leute sich unterhalten und Bier trinken. Das passt nicht. Es müsste ein aussergewöhnlicher Ort sein, um die Musik vortragen zu können. Eine Art Kino zum Beispiel, einfach etwas Spezielles. Das Geplauder von Leuten kann die Stimmung stören und die Musik kann sich nicht voll entfalten. Aktuell suche ich einen Manager. Nachdem ich meinen Beitrag auf Steven Wilsons Album veröffentlicht habe, bekomme ich sehr viele Anfragen. Ich vergesse aber ab und an zu antworten. Das ist zu viel für ein Gehirn.
Ich habe gehört, es gebe weitere Pläne für ein KoMaRa Album.
Nun, wenn King Crimson spielt, dann können wir nicht arbeiten. Pat Mastelotto ist hauptsächlich bei King Crimson aktiv und wenn King Crimson pausiert, dann ist er mit Stick Men auf Tour. Vor einer Woche hatte ich einen Auftritt mit Pat und Trey Gunn. Ich fragte Pat, wann wir an einem nächsten Album arbeiten können und er sagte, es könnte Ende 2018 oder Anfang 2019 werden. In der Zwischenzeit arbeite ich an meinen Solosachen wie The Blessed Beat und Filmmusik. Zudem möchte ich einen Teil meines Buches vertonen. Das bedeutet, dass jemand den Text liest und dies durch meine Musik untermalt wird. Aktuell ist das Buch jedoch lediglich auf Slowakisch erhältlich.
Dir wird auf jeden Fall nicht langweilig.
Nein, gar nicht. Vielleicht ergeben sich noch mehr spannende Künstler für eine interessante Zusammenarbeit. Wer weiss?
Interview: Liane Paasila
Foto: Martin Siptak