29. Juni 2016
Volkshaus – Zürich
Band: Patti Smith And Her Band
Sie kommt aus einer anderen Zeit. Das merkt man spätestens dann, wenn fast jedes Lied am Konzert einer Person gewidmet wird, die seit längerem tot ist. Doch Patti Smith ist immer noch hier, kämpft weiter und bescherte Zürich erneut einen Abend voller mitreissender und intelligenter Rockmusik. Dabei vergass man schnell, dass die Dame viel älter ist als sie wirkt. Seit 45 Jahren steht die Frau auf den Bühnen der Welt und musiziert um ihr und unser Leben, und bis heute haben ihre Lieder nichts von ihrer Faszination verloren. Somit benötigt Patti keine grosse Show, keine Big Band und keinen Support. Eine Stimme, ein Vermächtnis.
Wobei man bei einem solchen Repertoire an Liedern auch nichts falsch machen kann, denn gleich von Beginn an zündet Frau Smith ihre Hits und lässt das Volkshaus in grossen Jubel ausbrechen. „Dancing Barefoot“, „Pissing In A River“ oder „When Doves Cry“ – Prince will schliesslich geehrt werden, wie auch so manch andere Gestalt der Kultur. Im Verlauf des Konzerts schauen nicht nur Jim Morrison, Fred „Sonic“ Smith und Amy Winehouse vorbei, Patti widmet auch den unschuldigen Toten aus Istanbul ein mitreissendes Stück voller Gefühl und lange nachhallenden Gitarrenkaskaden, welche schier endlos durch das Volkshaus klingen.
Allgemein war die Musik wunderbar differenziert und toll abgemischt, die vierköpfige Band konnte mit ihren wenigen Instrumenten eine grosse Wucht entfalten. Egal ob Klavier und Gitarre sich gemeinsam durch Takte schoben oder am Ende 20 Saiten aus dem Konzertsaal einen siedend heissen Kessel machten – man liess sich mittragen, tanzte und fand neue Freunde im Publikum. Patti Smith zauberte nicht nur den Zuschauern ein Lachen auf das Gesicht, auch sie selber war erfreut über die Besucher und die Begeisterung. Natürlich tobte der Saal vor allem bei Liedern wie „Gloria“, „Break It Up“ und dem famosen Schluss mit „People Have The Power“ und „Rock’n’Roll Nigger“ – doch das Konzert war durchwegs eine Bereicherung und wunderschöne Liebeserklärung an die Musik, das Leben und die Menschen.
Denn wie immer bei Patti Smith galt auch an diesem Abend in Zürich: Lebt gut, geniesst eure Freiheiten und seid fair. Niemand weiss, wie lange wir auf diesem Planeten bleiben werden. Doch es liegt an uns, diese ungewisse Zukunft positiv und leidenschaftlich zu gestalten. Unseren Nachkommen eine Situation zu bieten, in der man sich ausleben kann und nicht unterdrückt wird. Und natürlich weiterhin Musik wie die von Frau Smith zu hören, zu singen und teilen. Denn im Gegensatz zu vielen unwichtigen Dingen haben solche Lieder kein Verfallsdatum. Dies weiss man nicht nur, man spürte es körperlich am Mittwochabend.
Text: Michael Bohli