Datum: 14. – 17. August 2014
Ort: Gampel
Webseite: Open Air Gampel
Es ist wieder soweit, das Open Air mit der grössten Schön-Wetter-Bilanz feierte dieses Jahr seine 29. Ausgabe. Auch dieses Jahr beglückte das Open Air Gampel die Zuschauer wieder mit einem äusserst abwechslungsreichen Line-Up. Das könnte auch der Grund sein, warum das Open Air seinen Besucherrekord von beeindruckenden 90’000 Feierwütigen knackte.
Am Sonntag wurden rund 93’000 Besucher gezählt. Nicht nur die schöne Bergkulisse und das atemberaubende Bergpanorama liess so manchen Musikliebenden das Herz höher schlagen. Nein, viel mehr überzeugte das Walliser Festival, neben seinem abwechslungsreichen Line-Up, auch mit toller Atmosphäre.
Von Heavy-Metal über verträumten Songwriter Sound zu elektronischem Dance-Sound bis hin zu Schweizer Mundartmusik war für jeden Geschmack etwas zu hören. Ich persönlich finde es total spannend, auch Konzerte zu sehen, zu welchen man im wahren Leben nicht hingegangen wäre. So manche Band entpuppte sich als echte Bereicherung, auch wenn sie meinen Musikgeschmack jetzt nicht wirklich volle Kanne erwischte. Sollte dann aber der Fall eintreffen, dass meine Haarpracht vor lauter Grauen der Walliser Berglandschaft konkurrenziert, so habe ich die Flucht schnell ergriffen… Glücklicherweise trat dieser Fall nur einmal ein.
Am Donnerstag waren die Live-Giganten Volbeat und der Schockrocker Marilyn Manson Headliner. Leider waren wir am Donnerstag noch nicht da. Ich hörte jedoch viele Stimmen, welche besagten, dass sich Manson nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt hatte. Marilyn war anscheinend sehr schlecht gelaunt, fluchte nur herum und überzeugte musikalisch äusserst wenig. Kurz gesagt muss die Show grottenschlecht gewesen sein.
Gegenteilig haben Volbeat mit einer hervorragenden Live-Show dem Donnerstag das gewisse Etwas verliehen. Auch ich hatte schon einmal das Vergnügen, die sympathischen Herren live zu erleben und war hell begeistert. Darum war ich alles andere als überrascht, dass die Show von der Band mit dem charismatischen Leadsänger Michael Schøn Poulsen hoch in den Himmel gelobt wurde. Vor allem imponierte eine gewaltige Pyroshow. Meinen Recherchen zufolge wandelte sich der Donnerstag von einem Flop zu einem riesengrossen Topp!
Als wir am Freitag in unserer vollen Pracht die Partyhochburg in Gampel betraten, wehte uns ein eisiger, kalter Bergwind entgegen. Petrus verschonte uns mit Regen, liess dafür aber die Leute mit den frostigen Temperaturen ziemlich bibbern und frieren. Ich habe selten so viele warm angezogene Menschen an einem Open Air gesehen. Miri setzte dem Ganzen noch einen oben drauf und montierte sogar die Winterjacke – und das mitten im August! Viele Walliser konnten es fast nicht glauben, dass ihr Open Air Gampel vom Wetter her ausnahmsweise nicht perfekt war! Die Leute liessen sich aber davon nicht beeindrucken und zogen sich einfach wärmer an.
Der Freitag hatte auch für die Rockliebhaber einiges zu bieten. Die deutsche Punk-Rock Band Itchy Poopzkid begeisterte mit eingängigem Punk-Rock. Ich bin mir sicher, dass die Jungs gut gespielt haben und auch die Musik durchaus ihre Berechtigung hat, jedoch verfehlte die Musik so ziemlich meinen Geschmack. Das macht es mir schwer, eine objektive Meinung zu bilden. Das Publikum schien jedoch grossen Gefallen an den Jungs zu finden. Die Fans scheuten es nicht, dies der Band auch zu zeigen und entlohnten sie mit viel Beifall und Jubel. Somit bescherten sie dem äusserst sympathischen Trio ein tolles Konzert.
Mein Konzert-Highlight an diesem Freitag lieferten Heaven Shall Burn. Die Band selbst war total erstaunt, wie viele Leute sich vor ihrer Bühne sammelten und richtig die Sau raus liessen. Die Band konnte es fast nicht fassen und betonte dies immer wieder. Die aus Deutschland stammende Metalcore Band animierte das Publikum zu wilden Circlepits und Wall-of-Deaths. Selbstverständlich kam das klassische Headbangen auch nicht zu kurz. HELL YEAH! Es ist ganz und gar nicht verwunderlich, dass ich mich sehr über den gnadenlos hammerharten Metalcore der Jungs gefreut habe. Im Klartext: es war mein absolutes Highlight am Freitag.
Nachdem Miri und ich unsere Haare wild herum gewirbelt hatten, zogen wir Richtung Main-Stage; dort wollten wir uns das Konzert von Fettes Brot anschauen. Fettes Brot war ein klassisches Beispiel für eine dieser Bands, bei denen ich NIE an ein Konzert gehen würde. Trotzdem war es amüsant, die Leute zu beobachten und den lustigen Reimen der Jungs zu lauschen.
Am späteren Abend sollte noch die Techno-Legende HP Baxxtor die Bühne rocken. Auffällig war, dass man schon den ganzen Tag lang an allen Ecken bereits das Scooter-typische „Haypaa-Haypaa“ aus den Mündern der Zuschauer hörte. Die Leute schienen sich jedenfalls auf Scooter zu freuen. Ob es wirklich pure Vorfreude war oder ob sie sich doch auch ein wenig lustig machten, bleibt wohl ein Rätsel.
Jedenfalls gaben wir uns die volle Härte und pilgerten auch zum Scooter-Konzert. Ehrlich gesagt suchten wir dann schon ganz bald das Weite. Bei diesem Konzert ist dann das oben genannte Krisenszenario eingetroffen und wir haben die Flucht ergriffen. Leider kann ich mit der Musik echt gar nichts anfangen und verstehe sie beim besten Willen nicht! Somit suchten wir dann in Windeseile das Weite und überliessen Scooter der feierwütigen Menge. Das Publikum schien an Scooter Gefallen gefunden zu haben. Die Meute tanzte fröhlich zu den Beats und dem komischen Sprechgesang von HP Baxxtor. Das ist ja die Hauptsache. Ich jedenfalls war froh, dass ich dem Getöse mit Erfolg entfliehen konnte.
Oh Wunder! Am Samstag konnte man sogar die Jacke ausziehen, ohne dass man zu erfrieren drohte. Das freute uns „Gfrööhrlis“ natürlich. Der Wind liess auch ein bisschen nach. So stand einem perfekten Samstag à la Gampel Open Air absolut gar nichts im Wege. Heute freuten wir uns besonders auf die sympathische Engländerin Kyla La Grange und das schwedische Trio Mando Diao.
Bei der Schweizer Band Pegasus kam es zu einem akuten Platzmangel vor der Nebenbühne. Man hatte das Gefühl, jeder wollte die sympathischen Jungs auf der Bühne sehen. Ich war verblüfft, wie viele Lieder ich kannte, ohne die Band wirklich zu kennen. Das deutet stark darauf hin, dass die Musik der Bieler Band schon ziemlich oft im Radio gespielt wurde. Die Jungs sind echt sehr sympathisch und ich finde ihren Erfolg gerechtfertigt.
Im Anschluss spielte auf der Main-Stage Kyla La Grange. Auf dieses Konzert freuten wir uns sehr. Die sympathische Britin verzauberte das Publikum im Nu. Mit ihrem Charme und ihrer engelsgleichen Stimme hatte sie sofort jeden in ihren Bann gezogen. Kyla schien ihren Auftritt sehr zu geniessen und überzeugte mit einem topp Konzert. Auch wenn sie jetzt nicht der oberkrasse Headliner war, sollte dieses Konzert zu meinem Highlight des gesamten Festivals werden.
Neben Kyla räumten sich auch die Schweden von Mando Diao einen Favoriten-Platz auf dem Treppchen ein. Die Jungs entführten das Publikum in andere Sphären und boten mit eingängigen Riffs und herzergreifenden Texten eine breitgefächerte Show. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir Mando Diao live einiges besser gefallen hat als ab CD. Die Lieder berühren einfach mehr und das musikalische Talent der Skandinavier kommt viel besser zur Geltung. Ihr Konzert überzeugte mich vollends.
Bei ihrem Klassiker „Dance With Somebody“ war dann auch das Publikum nicht mehr zu bremsen. Wirklich ein grandioser Auftritt, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Einziger, wirklich sehr ernstzunehmender Kritikpunkt ist und bleibt das aussergewöhnliche Bühnenoutfit der Jungs. Das wäre definitiv noch zu optimieren.
Am Sonntag war dann Petrus definitiv wieder auf Schmusekurs und belohnte die Hartgesottenen mit einem prachtvollen Sommertag. Bei hitzigen Temperaturen stürmte dann um 12:00 Uhr die aus Genf stammende Band Kadebostany die Bühne. Die Band überzeugte mit ihrem sehr speziellen Sound und entführte das Publikum in ferne Welten. Es war also der perfekte Start in den letzten Tag dieses wunderbaren Festivals. Sonne, gute Stimmung und natürlich gute Musik – was will man mehr.
Mit Hozier, einem irischen Singer-Songwriter, endete für mich das Festival. Die sehr schwermütigen, melancholischen Klänge bildeten den idealen Abschluss für dieses tolle Festival-Wochenende. Während der ruhigen Klänge der jungen Herren liess ich die vergangenen Tage noch einmal Revue passieren. Auch dieses Jahr überzeugte das grösste Festival der Schweiz neben dem herausragenden musikalischen Angebot mit einer bühnenreifen Organisation und bester Stimmung. Für mich ist es jedes Jahr wieder eine Freude, dieses Festival zu besuchen. Einerseits trumpft es jedes Jahr mit vielen tollen Musikern, andererseits ist es auch einfach ein Festival zum Wohlfühlen.
Die Garantie zum Wohlfühlen bekommt man durch das grosszügige Gelände inmitten einer atemberaubenden Berglandschaft. Auch die tolle Organisation trug einen wesentlichen Beitrag zum Wohlfühlgarant bei. Es gab fast keine bis gar keine Wartezeiten beim Shuttlebus-Service oder bei den Toiletten (welche übrigens für Festival-Verhältnisse luxuriös waren). Die Stimmung auf dem Gelände war durchgehend friedlich und feierlustig; auch bei den Organisatoren, Helfern und Arbeitskräften merkte man deutlich, dass hier mit viel Herzblut gearbeitet wurde.
Was will man noch sagen… „einmal Gampel – immer Gampel!“
Text: Olivia Ritler
Bilder: Miriam Ritler