Nouveau Monde – Fribourg
Mittwoch, 5. Oktober 2022
Text: Michael Bohli / Bilder: Christian Wölbitsch
Dunkel ist es, ein rötlicher Schimmer legt sich auf den Trockennebel, der Bass beginnt zu Brummen. Auf und ab schwellen die ersten Sounds, gnadenlos und immer lauter werdend. Bis Anna von Hausswolff selbst auf der Bühne steht und an den Tasten ihre Band zu immer wilderen und wuchtigeren Passagen antreibt. «Sacro Bosco» als Beginn, wie das trügerische Einlullen, der Konzertsaal des Nouveau Monde in Fribourg schwingt mit.
Dann wie ein Schock der lautstarke Gesang der Künstlerin aus Schweden, ihre Stimme zerreisst die Breitseite aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Synthesizer – «Deathbed» und «The Truth, The Glow, The Fall» bringen die bekannte düstere Magie der «Dead Magic»-Phase in den Raum, man erkennt Melodien, Gesänge und Orgelkaskaden. Vieles spielt sich in der Dunkelheit ab, die Musiker wiegen mit ihren Instrumenten im Takt. Anna von Hausswolff thront in der Mitte, Licht wie eine Krone und Flügel zugleich um sich herum.
Auch der teuflische Tanz zu «The Mysterious Vanishing of Electra» und das ewige Leiden bei «Ugly And Vengeful» durchbrechen Körper und Seele, die Augen bleiben zu, die Ewigkeit dehnt sich aus und reisst alle Emotionen in einen Strudel. Was bleibt ist ungläubiges Staunen, ein dröhnender Kopf und Ehrfurcht.
Doch weil es sich um unsere rasenden Reporter David und Michael handelte, die in der Westschweiz ein Konzert einer blonden Magierin aus dem Norden besucht haben, darf ein Dialog nach dem Auftritt nicht fehlen.
David: Ich kannte Anna von Hausswolff überhaupt nicht und bin völlig unvoreingenommen ins Nouveau Monde gekommen – und nun ziemlich weggeblasen! Das soeben Erlebte in Worte zu fassen ist schwierig, wobei mir auch nicht alles gefallen hat.
Michael: Ach ja?
David: Besonders in der ersten Hälfte des Konzertes gab es oft lange Intro und Drone-Outros, welche die wuchtigen Songs umrahmten. Da wäre mir eine fokussierte und songorientierte Herangehensweise lieber gewesen.
Michael: Das habe ich zu Beginn auch gedacht, meine letzte Konzerterfahrung mit Anna von Hausswolff und Band war am Montreux Jazz Festival 2018, bei dem die Setliste viel stärker auf Songs setzte. Hier in Fribourg gab es Orgelstücke, neues Material, lange Intros und Drones, was für Einsteiger:innen bestimmt nicht einfach zu verdauen war.
David: Ins Konzert zu finden war kein Zuckerschlecken, trotzdem gab es immer Momente, die mich umgehauen haben. Die Klangwucht, welche da angerollt kam, war heftig.
Michael: Auch von hinten, wie wir spät festgestellt haben! 360 Grad, Baby! Und ich als Cowbell-Verfechter muss sagen: Der Schlagzeuger hat das Spiel mit der Perkussion sehr wörtlich genommen. Was aber ins Üechtland passte.
David: Das Konzert war sehr beeindruckend, zugleich schwer und erschlagend, sowie erhaben. Meist gleichzeitig. Katharsis.
Michael: Das Aufgehen in der Leere der Existenz.