Time To Kill Records / VÖ: 20. September 2022 / Sludge, Post-Metal
otusband.com
Text: David Spring
Überlange Sludge- und Post-Metal-Songs sind harter Tobak und nicht direkt der Inbegriff eines angenehmen Hörerlebnisses. Nimmt man als inhaltliches Konzept völlig obskure Schriften wie „Der Vierte Weg“ des armenischen Philosophen Georg Ivanovich Gurdjieff dazu, weicht die Chartplatzierung in unerreichbare Ferne.
Otus aus Rom scheren sich zum Glück keinen Deut um sowas und spielen lieber vernichtend harte Gitarrenriffs in ausufernden Songkompositionen, die unter die Haut gehen. Ihr zweites Album „Torch“ ist keine leichte Kost. Der erwähnte „vierte Weg“ bezeichnet ein spirituelles System zur inneren Evolution. Während drei Wege, die des Yogis (Geist), des Mönchs (Gefühle) und des Fakirs (Körper) bezeichnen, ist der vierte die Vermischung all dieser, die „harmonische Evolution aller Teile des Menschen zu seinem vollständigen Potential“.
Wem das zu kopflastig klingt, braucht keine Angst zu haben, denn ohne ein Textblatt ist von diesem ätherischen Konzept nicht viel zu merken, da der Gesang von Otus harsch und kaum verständlich ist. Effektiver ist die Musik mit überwältigenden, brachialen Riffs, schleppend, bombastischen Drums und beängstigendem Gesang. Abwechslung wird grossgeschrieben. Otus verstehen es, Ruhe und Ambiente walten zu lassen und somit die heavy Parts wuchtiger erklingen zu lassen.
„Through The Flesh“ wartet mit einem glorreichen Mittelteil auf, der einem beim ersten Hören komplett aus dem Nichts erwischt. „The Vessel“ ist abgespaced und nicht von dieser Welt, dreizehn Minuten Riffs. So gewaltig und erdrückend, dass man sich danach klein und unbedeutend fühlt. Die Vorabsingle „Apnea“ wiederum leiht sich gleichermassen Passagen aus dem Hardcore und Doom aus und der abschliessende epische Zweiteiler „Ex Tenebris“ vermag Einflüsse von Tool über Cult Of Luna bis hin zu Sunn O))) zu einem gewaltigen Ganzen zu vermischen.
Es ist nicht leicht in Worte zu fassen, wie schwer und erdrückend diese Platte ist. „Torch“ weist vermeintlich den Weg in die Erleuchtung, darum der Albumtitel. Doch ein wegweisendes Licht in der Finsternis sucht man vergebens, der Weg führt unabdingbar in den Abgrund. Wer sich darauf einlässt, wird von Otus mit faszinierender Musik reich belohnt.