Fantoche – Internationales Festival für Animationsfilm
Diverse Orte – Baden
Freitag, 9. September 2022
Text: Michael Bohli
Punk aus Brasilien, weibliche Aussagen aus dem Balkan und ein Blick in die persönliche Vergangenheit Chinas – an einem normalen Fantoche-Freitag ist alles möglich. Zusätzlich hat das Animation Film Festival an der 20. Ausgabe in Baden nicht nur ein famoses Filmprogramm am Start, sondern ergänzende Themenblöcke, Industrie-Events und Möglichkeiten, hinter die Kulissen zu blicken.
Making Of-Vorführungen, Paneldiskussionen und Fragerunden nach den Vorstellungen gehören zum Alltag, die Entscheidung für die Besucher:innen keine einfache. Wir haben uns dazu entschlossen, den Tag vor allem in den Kinosälen zu verbringen.
Alle Informationen zum Festival findet ihr unter den folgenden Links:
Silver Bird And Rainbow Fish
Land / Jahr: USA, Niederlande / 2022
Regie: Lei Lei
Mit der Kulturrevolution änderte sich das Leben in China, Alltag, Arbeit und Möglichkeiten wurden auf den Kopf gestellt und der westlichen Welt angenähert. Mit seinem Film Silver Bird And Rainbow Fish reist Regisseur Lei Lei in diese Zeit zurück und lässt uns alle am Leben seiner Familie teilhaben. Wie ging es Grossvater und Vater in der Zeit? Welche Widrigkeiten mussten sie erfahren?
Hergestellt aus fotografischen Archivaufnahmen und darübergelegte Knetanimationen entstehen gelungene Bilder, leider allerdings ist die Erzählweise zu schleppen und repetitiv. Was beruhigend scheint, entpuppt sich als zäh, die politischen Aspekte werden für das hiesige Publikum zu wenig erläutert. Das macht das Vergnügen kein einfaches, auch wenn die Kombination aus Märchenfantasie und Geschichte reizvoll klingt.
Schweizer Wettbewerb 1
11 neue Kurzfilme aus der Schweiz
Die Anzahl der eingereichten Beiträge war hoch, die Auswahl bestimmt mehr als schwierig. Denn wie sich im Wettbewerbsblock eins zeigte, ist die Qualität der hiesigen Animationsfilme mehr als beachtlich. Elf Stück konnten in dieser Zusammenstellung bestaunt werden, von hübschen Zeichnungen zu abstrakten Computeranimationen und wundervoll ausgearbeiteten Stop-Motion-Techniken.
Mit Arrest in Flight gelang Adrian Flury ein durchdesigntes Werk, das sich durch Farben und Formen heraushob und inhaltlich mysteriös blieb. Erklärend gaben sich weder das Musikvideo zu Leoni Leonis Stück Weirdest Ritual (Inger Bierma) noch das grafische Spiel Sit Down, Don’t Touch Anything (Frederic Siegel) – doch das Ergründen machte viel Freude.
Süss und klassisch die Beiträge zur Fuchskönigin und der Meeressage aus Papua-Neuguinea, abstossend und faszinierend zugleich die Körperwelten von Boddyssey (Jonas Bienz). Und wenn eine zeichnerische Gestaltung an Georges Schwizgebel erinnert, hat man alles richtig gemacht (The Record von Jonathan Laskar).
Women in Balkan Animation
Themenblock mit 9 Kurzfilmen
Thematisch in drei Teile gegliedert, konnte der Themenblock Women in Balkan Animation besonders mit unerschrockenen Perspektiven glänzen. Die weibliche Sicht auf den Balkan ist konfrontativ, Wahrheiten werden ausgesprochen. Vom Blick auf das gesamte Land zum Fokus auf die Gesellschaft und schlussendlich den zwischenmenschlichen Beziehungen gab es alles.
Nicht wenige Filme kannten fleissige Fantoche-Gängerinnen bereits, etwa der hyperaktive Gamer Girl (Irena Jukić Pranjić) oder das mystisch-düstere Stop-Motion-Werk Imbued Life von Udahnut život. Das tat dem Vergnügen aber kein Abbruch, im Verbund mit Filmen wie dem famosen Untravel von Ana Nedeljkovic, Nikola Majdak oder dem bitterbösen Steakhouse (Špela Čadež) ergab dies eine starke Mischung und ein schöner Einblick in das Animationsschaffen von weiblichen, kreativen Köpfen.
Bob Spit – We Do Not Like People
Land / Jahr: Brasilien / 2021
Regie: Cesar Cabral
Aufgefressen von kleinen Elton John-Mutanten, in der dreckigen Umgebung der postapokalyptischen Zukunft. Nein, Schöpfer Angeli hat für seine bekannteste Comicfigur Bob Spit wahrlich kein schönes Ende vorgesehen. Kein Wunder, versucht dieser die Geschichte umzuschreiben und den Zeichner in seinem Studio umzustimmen. Notfalls mit Gewalt.
Mit dem Film Bob Spit – We Do Not Like People ist Regisseur Cesar Cabral das Glanzstück gelungen, Dokumentarfilm, Stop-Motion-Vergnügen, Roadmovie und Zukunfts-Actioner zusammenzubringen. Die Ebenen vermengen sich mit der Zeit immer stärker, Realität und Erfindung werden zu einer Vision. Zwar gehen die dreckigen und angriffigen Wurzeln der Comicvorlage etwas verloren, der Witz hingegen ist direkt geblieben. Auch die detailverliebte Animation der Figuren und Umgebung überzeugt mit jedem Bild.
Punk is not dead!