Epitaph Records / VÖ: 26. August 2022 / Indie, Post-Rock
pianosbecometheteeth.com
Text: Michael Messerli
Die persönlichen Texte von Kyle Durfey sowie der Wohlklang des vierten Albums «Wait For Love» bieten offenbar einigen eine Angriffsfläche, wenn von Pianos Become The Teeth die Rede ist. Natürlich exponiert sich Durfey mit seinen Zeilen, fühlt sich gar manchmal selbst von ihnen entblösst. Aber so funktioniert das Songwriting der Band nach eigenen Angaben nun mal. Dass das nicht allen zusagt, ist völlig in Ordnung. Dass die Band aus Baltimore damit aber einigen zu nahe trete, mutet seltsam an, wenn man bedenkt, dass sie sich mit nichts aufdrängt. Vermutlich geht es mehr darum, dass sich einige daran stören, dass seit «Keep You» weicher gezeichnet wird. So sucht man sich das eine oder andere Stellvertretungsargument, anstatt der Sache differenzierter auf den Grund zu gehen.
«Drift» ist mehr als nur Schönklang, es ist vor allem gut produziert. Und die Texte sind zwar persönlich, wenn man aber wenig über die Band liest, sind sie auf «Drift» nur stellenweise explizit genug, um sich einen Reim darauf zu machen. Vor allem das abschliessende «Pair» gibt eine ziemlich gute Idee davon, um was es hier gehen könnte. Pianos Become The Teeth spielen auf «Drift» oft mit sachten Steigerungen und Wendungen, arbeiten kaum mit Ausbrüchen und schon gar nicht mit Refrains. Die Songs fliessen unaufgeregt ineinander über. Und diese konstante Bewegung führt dazu, dass manchmal etwas die Zeit für musikalische Tiefe fehlt. Sie haben den Hang zum Pathos und zum Bedeutungsschwangeren – das Vibrato in Durfeys Stimme macht daraus nie ein Geheimnis. Aber eigentlich ist es nie zu viel. «Drift» hat eine gesetzte Ruhe. Als hätten sie das gewusst, widerspricht «Hate Chase» vielen der hier bereits gemachten Beschreibungen. Ein Weckruf über knapp zwei Minuten, der wie ein Fremdkörper wirkt. Eine Stromschnelle, bei der man doch noch von aussen nass wird.
Es war im dritten Album «Keep You» bereits angelegt, dass ein solches Glanzstück nicht einfach wiederholt werden kann, weil natürlich nach den beiden ersten Alben die Überraschung gelang: kein Geschrei mehr und vorwiegend Indie-Elemente. Auf diesen Effekt kann man nur einmal bauen. Zweitens war «Keep You» auch sonst unmittelbarer und halt einfach verdammt gut. «Wait For Love» entpuppte sich danach als weniger kantig und «Drift» ist nun viel mehr im Fluss. Immer mit im Boot: der geniale rhythmische Antrieb von Schlagzeuger David Haik. Man kann der Band also nicht viel vorwerfen, «Drift» ist ein gelungenes und in sich geschlossenes fünftes Album. Sie haben ihren Sound gefunden. Und darin liegt womöglich die eigentliche Gefahr: Die hier aufgezählten Trademarks erodieren mit der Zeit, so überzeugend sie auch sein mögen.