Rookie Records / VÖ: 19. August 2022 / Post-Punk
love-a.de
Text: Michael Messerli
Man kann nicht alles haben, weil «alles ist einfach zu viel». Love A spielen nicht nur hier mit einer Mehrdeutigkeit, die an Spannung verliert, wenn man sie für eine Rezension aus dem Kontext reisst. Und der aktuelle Kontext ist für viele Menschen tatsächlich einfach zu viel: Klimawandel, Krieg, Digitalisierung und Pandemie. «Aufgeben ist eine Option!», schreibt Sänger Jörkk Mechenbier zum Song «Kann und will nicht mehr». Früher hiess es «Nichts ist leicht» und auf «Meisenstaat» obsiegt die Kapitulation. Ja, Optimismus klingt anders und das fünfte Album von Love A hat insgesamt einen anderen Ton. Angefangen beim Gesang, der auch mal tiefer gelegt wird und dadurch seltener keifend überdreht. Die Texte seien zudem auch schon wichtiger gewesen, meint Mechenbier und so rücken Gesang und Musik mehr in den Vordergrund. «Klingt komisch, doch/ Ich singe diese Lieder nicht/ Bin ferngesteuert/ Und die Lieder singen mich», fasst der Opener «Frag nicht» das alles schon sehr gut zusammen.
Die Resignation ist dennoch in gefühlt jedem zweiten Satz spürbar und auch wenn Produktion, Gesang und Spielweise einiges Neues ausprobieren, entdeckt man relativ bald einige inhaltliche und musikalische Selbstzitate. Das und der etwas fehlende Biss lassen «Meisenstaat» auf den ersten Blick manchmal blass erscheinen – trotz dem grossartigen Albumcover von Gitarrist Stefan Weyer, dessen Blautöne kaum Zufall sein werden.
Für «Meisenstaat» braucht es aber einen zweiten Blick. Die vielen hervorragenden Momente leben von einer anderen Tiefe dank den feinen Neuerungen und der bandinternen Produktion durch Schlagzeuger Karl Brausch. So ist «Genau genommen gut genug» mehr Indie als Punk, was besonders gerade auch Mechenbier ausgezeichnet steht. «Analog ist besser» überzeugt als Brücke zwischen den Vorgängeralben und «Meisenstaat». Ähnlich verhält es sich mit «Schlucken oder Spucken», das nicht nur den Abschluss macht, sondern gleich auch noch die Türe für den nächsten Schritt aufstösst – und sie offenlässt.
«Meisenstaat» ist aber nicht nur Ausprobieren und Selbstzitat in einem, sondern auch eine Werkschau. «Achterbahn» ist diesbezüglich das Herzstück, das passend zu seinem Titel mit viel Dynamik alles auf einen Nenner bringt, was die Band aus Trier über die Jahre aufgebaut hat. Und das ist mittlerweile sehr viel mehr als scharfzüngige Sprüche, die auf die Jute-Tasche passen. Love A haben trotz latenter Hoffnungslosigkeit den Hintern hochgekriegt, (fast) alles selber und richtig gemacht und auch auf «Meisenstaat» die Kurve gekriegt. Aufgeben mag eine Option sein. Hoffentlich ist dies aber kein schlechtes Omen für eine Band, die besonders in Zeiten wie diesen sehr fest gebraucht wird.