Secretly Canadian / VÖ: 20. Mai 2022 / Alternative Rock
porridgeradio.com
Text: David Kilchoer
Die Geschichte von Porridge Radio ist so typisch britisch. Eine DIY-Band wuselt ein bisschen im Untergrund herum – ebenfalls typischerweise in Brighton. Kleine Shows führen zu besserem Bandverständnis, subtilerem Songwriting, selbstbewussteren Auftritten. Erste Songs kommen zur Welt, ein Album, zwei, drei. Der Erfolg bleibt aus, das Wachstum überschaubar.
Dann, sechs Jahre und vier Alben später, ist es endlich so weit. Die kleine Band aus Brighton erhält Aufmerksamkeit von Kritikern. «Every Bad» (2021) landet in den Listen der besten Alben des Jahres von Paste und NME und wird für einen Mercury Prize nominiert – das ist ein Start und beflügelt den kreativen Geist, knapp ein Jahr später ist Album nummer sechs da: «Waterslide, Diving Board, Ladder to the sky». Und landet prompt erstmals in den englischen Top-40-Charts.
Der Titel referenziert nicht ganz unabsichtlich an die Bandhistorie: Die ersten fünf Jahre der Band waren hartes Brot, Stagnation, die sich wie eine Abwärtsbewegung angefühlt hatte. Waterslide oder Diving Board halt. Und nun ist sie da, die Himmelsleiter.
Die Referenz richtet sich aber auch ans Leben im Allgemeinen, auf seine Wellenförmigkeit, die Porridge Radio in ihren Songs beschreiben. Der Opener mit einem Bindestrich als Titel ist eigentlich die Versinnbildlichung seines Zwecks: dunkel geschrummte verzerrte Gitarren, dazu übersteuerte Sounds, die wie eine sich knarzend öffnende Tür klingen, führen in die Welt der neuen erfolgreichen Porridge Radio hinein.
Hier folgt nun dies und das. Geshuffelt, lüpfige Melodien wie in «Trying», kontemplativ-sphärige Balladen wie «End of last year» oder verzweifelt gejammerte Lebenstragödien wie «Jealousy».
Die emotionale Vielfalt ist ebenso so kraftvoll wie die klangliche Konsistenz innerhalb des breiten Repertoires. Porridge Radio ist in jedem Song unverkennbar Porridge Radio. Das hängt sicherlich mit dem prägnanten, schwermütigen Gesangsorgan von Frontfrau Dana Margolin und ihrem selbstbewussten Gitarrenspiel zusammen. Aber eben auch mit dem Selbstverständnis ihrer Kolleginnen und Kollegen. Der immer leicht schleppend-scheppernde Drumsound von Sam Yardley, die brachial eingekleckerten Synth-Sounds von Keyboarderin Georgie Scott und die gelebte Zurückhaltung am Bass von Maddie Ryall – das ist Porridge Radio.
Und auf dem neuen Album hat das Quartett noch ein bisschen stärker seine hymnische Seite entdeckt als bislang. Beste Beispiele dafür sind die in Endlosschlaufe mehrstimmig geschriene Zeile «I don’t wanna be loved» in «Birthday Party» oder die donnernde zweite Songhälfte von «The Rip».
Und wenn man richtig eingetaucht ist, wird einem mit jedem Mal noch mehr auffallen. Denn Porridge Radio hat Tiefen und Höhen in jedem Song – wie es der Titel des Albums verspricht.