Verlag: Kiepenheuer & Witsch / ISBN: 978-3-462-05375-3
Text: Cornelia Hüsser
Punk, Provinz und Prügeleien: Das sind die Themen, die in Tijan Silas neuem Roman «Krach» zusammenkommen. Die 90er Jahre neigen sich ihrem Ende zu; der 18-jährige Gansi hat soeben seine erste Band Pur Jus gegründet. Statt für das Abitur zu lernen, zieht er lieber durch autonome Jugendzentren und besetzte Häuser, gibt dem Publikum auf die Ohren und den Faschos aufs Maul. Doch hier sind längst nicht alle so hart, wie sie scheinen.
Gegen Spiesser
Gansi, eigentlich Sabahudin, lebt mit seiner Familie im fiktiven Kaff Calvusberg in der Südpfalz. Er versteht sich gut mit seinen Eltern, liebt seinen älteren Bruder und – obwohl vorlaut und nervig, aber irgendwie niedlich – auch die beiden kleinen Zwillingsschwestern. Was in der ex-jugoslawischen Heimat passiert, beschäftigt ihn; er versteht sich aber ebenso als Deutscher und geht Konflikten unter Serben, Bosniern und Kroaten aus dem Weg. Dennoch denkt er oft an Hikmet, einen Kumpel aus der Grundschule, der weniger Glück hatte und abgeschoben wurde. Doch Gansis Abgrenzung richtet sich gegen rechts – und gegen Spiesser. Also: Negative-Approach-Shirt anziehen, Half-Cabs montieren und ab ins nächste abgeranzte AJZ.
Für wahre Freunde
Dort geben Pur Jus immer bessere Konzerte. Neben Gansi, der Gitarre spielt, sind das Bandleaderin Ursel, deren Bruder Beppo am Schlagzeug und der zurückhaltende Pirmin («voll die Maschine am Bass»). Sie alle sind befreundet und ziehen auch ausserhalb der Konzerte gemeinsam um die Häuser, sind jedoch auch Quell emotionaler Komplikationen: So ist beispielsweise Ursel nicht nur ein Kumpel, sondern eben auch eine ziemlich interessante Frau, ausserdem ein Band-Diktator und mit einem weiteren Bruder gesegnet, der leider ein Nazischläger ist und sich nicht selten für Prügeleien verantwortlich zeichnet. Sie besucht ihn trotzdem im Knast.
Wie im echten Leben
Tijan Sila hat mit «Krach» einen mitreissenden und authentischen Entwicklungsroman geschrieben. Hier ist nichts gekünstelt, zwanghaft schrill oder überkandidelt, schon gar nicht die Sprache. Die Figuren reden und handeln genau so, wie sie es auch im echten Leben tun würden, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie sind nicht politisch korrekt, sie fluchen gerne, Dinge misslingen und durchaus kommen bei ihnen auch andere Linke unter die Räder. Wie das eben so ist: Ein Lebensgefühl, perfekt festgehalten zwischen zwei Buchdeckeln.