Motor Music / VÖ: 9. Juli 2021 / Indie, Noise Rock
kraelfe.craut.net
Text: David Spring
Eine Musikgruppe, die sich nicht auf die traditionelle Instrumentierung einer Rockband versteift, ist immer spannend. Im Falle des Hamburger Duos Krälfe ist dies besonders wahr, starteten die beiden als instrumentales Zweigespann mit nur Bass und Schlagzeug, um ihren lärmigen Indierock so intensiv wie nur möglich rüberzubringen. Einige Alben später inkorporieren die Beiden nun Gitarren und Gesang in ihre Songs, doch an Intensität und Authentizität ist auch auf „Gravity Sucks“ nichts verloren gegangen.
Dass Schlagzeugerin und Sängerin Cläre Caspar und Gitarrist / Bassist Ralf Küster ihre eigene Nische im Rahmen des Noise- oder Indierock beherbergen, wird schnell klar. Ein kurzes instrumentales Intro öffnet uns die Türen in ihr neustes Werk, bevor es mit „Digital Dismay“ gleich in ein sechsminütiges Brett von einem Song geht. Interessanterweise klingt alles wie aus einem Guss und die überlange Spielzeit fällt zu keinem Zeitpunkt auf, obwohl Krälfe viele Ideen und Spielereien in diesem Stück unterbringen.
Ein kleines Interlude führt dann in das kryptische „Inner Syzygy“. Dieses unschlagbare Scrabble-Wort steht sowohl für eine aus Erde, Mond und einem weiteren Himmelskörper bestehenden geraden Linie, wie auch für die Union zweier Gegenteile im philosophischen Sinne. Entsprechend ätherisch und sphärisch ist der Song. Das Konzept geht auf, durch die komplette Missachtung radiofreundlicher Songlängen eröffnen sich dem Duo viele Ebenen, in denen sie sich verlieren können, um zu experimentieren und improvisieren.
Songs wie das abgespacte „Galactic Lowfare“, das wütende und weitestgehend instrumentale „7 Times Over“, oder das lärmige und verletzliche „Inconsolable“ zeugen alle von einer vogelfreien Band, die sich nicht davor scheut, Grenzen zu sprengen und sich gleichzeitig in Details zu verlieren. Dann gibt es Stücke wie die durchgeknallte Single „Orion Squatters“ oder schwer verdauliche „Portal“, die zwar bedeutend kürzer, dafür aber musikalisch ein Ticken eigenwilliger sind. Krälfe bedienen sich sämtlicher Schubladen, um ihren ganz eigenen Sound zu erschaffen.
Wenn Cläre im abschliessenden „The End Of Our Time“ säuselnd vom Weltuntergang erzählt, bleibt nicht mehr viel klar. Der Song beginnt mit klassisch angehauchter Gitarre, baut sich immens auf und endet völlig unerwartet inmitten einer Strophe. „Gravity Sucks“ verlangt der Hörerschaft einiges ab und hinterlässt mehr Fragen als Antworten. Den Zugang zu Krälfe zu finden ist wahrscheinlich keine leichte Aufgabe, doch wird man sowohl von den eigenwilligen Songs wie auch von der sympathisch wie mysteriös wirkenden Band reichlich belohnt.