Band: Fleur du Mal
Album: Spleen II
Genre: Shoegaze / Post-Metal / French-Pop
Label: Shoredive
VÖ: 28. Oktober 2020
Webseite: Fleur du Mal bei FB
Die beiden Pariser Faber und Obermann sind frustriert: Wenn’s um Shoegaze, Post-Metal und derartige Sounds geht, dann sei die französische Szene chaotisch und voller Zynismus. Ernsthaft komponiertes und anmutig auf den Tonträger gebrachtes Material gibt’s scheinbar nicht.
Faber und Obermann haben die Nase gestrichen voll; und angesichts ihrer langjährigen Erfahrung in etlichen Pariser Indie-Bands haben sie sich gesagt: Dann machen wir’s halt selber. Ihr Ziel: Elemente des Alternative-Metals der Deftones und Deafheaven Darkgaze-Sounds zusammenzuführen und mit frankophonen Chanson-Melodien zu mischen.
Das Duo hat sich den Namen Fleur du Mal gegeben (Die Blume des Bösen) – angelehnt an das berühmte gleichnamige Poesiebuch des postrevolutionären Pariser Dichters Charles Beaudelaire und legt sein zweites grösseres Werk vor; ein knapp halbstündiges Fünf-Track-Album mit dem Titel „Spleen II“, das sich ebenfalls an Beaudelaires posthum erschienenes „Le Spleen de Paris“ anlehnt; und sinngerweise auf „Spleen I“ folgt.
Darauf arbeiten sie mit vier Sound-Hauptkomponenten. Diese führen sie im ersten Track „Aube II“ – wieder eine Anspielung auf Beaudelaires „L’Aube Spirituelle“ und ebenfalls eine Fortsetzung der ersten EP – Stück für Stück ein. Die Elektrokomponente macht den Anfang; ein nacktes Moog-Intro mit trägem Wah-Wah-Effekt. Nach einigen Takten folgen zeitgleich die Komponente Indie in Form einer cleanen, halllastigen Schrummgitarre und die Komponente French Pop mit dem programmierten Plastik-Beat. Erst gegen Ende des Instrumental-Tracks folgt die letzte und härteste Komponente: das stark verzerrte Metalriff und der hämmernde Rock-Beat.
Dieses Intro ist eine Art Farbpalette, anhand derer man die folgenden vier Songs analysieren kann. „Soleil“ ist etwa permanent von einem Grunge-Rock-Beat unterlegt, die Metalriffs knurren schon nach wenigen Takten über die Elektro-Engelgesänge hinein. Der French-Pop besteht aus dem Duogesang, die beiden hauchen charmant romantische Zeilen wie „Le soleil ce couchera, tu verras, tombes au mer avec moi“ (Die Sonne wird sich verstecken, du wirst sehen, falle ins Meer, gemeinsam mit mir).
In „Lien“, das es übrigens auf Spotify nicht zu hören gibt, stehen die elektronischen Farben im Vordergrund – ein feines Pad, zuweilen leicht angesägt von einem verzerrten Gitarrenschrummer, ist die luftige Basis für den schwelgerischen Gesang. Shoegaze-Schimmerriffs kuscheln sich plötzlich von hinten an die immer dominanter werdenden, trampelnden Metalgitarren. Ein Klangspektakel. Auch die weiteren beiden Songs, „Oregon“ und „Ciel“, leben von denselben Farbtönen, einfach unterschiedlich kombiniert und ausgeprägt.
Ob das Duo damit seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, ist fraglich. Zwar holen sie durchaus die hart rockenden Aspekte, wie auch andere Elemente der beiden Vorbildbands in ihren Sound hinein, doch letztlich ist es die Melodie, die ihre Songs dominiert. Und die folgt stramm der Tradition des französischen Chansons.
Doch Eigenansprüche hin oder her: Was Fleur Du Mal erschaffen hat, ist einmalig. Die Kombination aus Elektro, Indie, Metal und Chanson gibt es so kein zweites Mal. Und was besonders überrascht: Weder beissen sich die Komponenten so sehr, dass man als Hörer ständig mit Brüchen im Sound geplagt wird, noch entsteht ein undefinierbares Sound-Mus, das die Songs in die Einförmigkeit drängt. Der Grund dafür ist einfach: Die beiden Musiker haben sich in ihrem Soundgetüftel nicht verloren, sondern immer die Melodie den Song und sein Arrangement definieren lassen. Dadurch erhalten die Songs Charakter und das Album Farbe.
Dass diese bestens mit der Tonalität von Beaudelaires Poesie korrespondieren, versteht sich von selbst. Dieser „Spleen“, der im Werk des Dichters als Synonym für Ekel steht und den das Pariser Duo so offensichtlich in den Vordergrund stellt, ist eingebettet in eine melancholische Grundstimmung – und durchprägt von feiner Schönheit. Ekel also präsentiert in herrlichster Eleganz.
Tracklist:
1. Aube II
2. Soleil
3. Lien
4. Oregon
5. Ciel
Bandmitglieder:
Obermann – Bass, Programming und Gesang
Faber – Gitarren und Gesang
Gründung:
2019
Text: David Kilchoer