4. September 2020
Diverse Orte – Baden
Website: fantoche.ch
Am Freitag meldete sich der Sommer zurück, so auch in Baden und am Fantoche Festival. Doch uns konnte dies egal sein, wir verbrachten die Stunden in klimatisierten Kinosälen und an allerlei Orten auf der gesamten Welt. Eiskalte Umgebungen, nicht endende Regenfälle, Welten voller toter Sagengestalten – ordinär wurde es bestimmt nicht.
Schön aber, konnte man die Pausen zwischen den Vorstellungen in der Sonne verbringen, das Fantoche-Restaurant ohne Regenschutz besuchen und die eigenen Träume zwischen den Gebäuden umhergleiten lassen.
Tout en haut du monde
Land / Jahr: Frankreich, Dänemark / 2015
Regie: Rémi Chayé
Musik: Jonathan Morali
Website: cineimage.ch
In der Themenreihe „Heldinnen“ widmet sich das Fantoche den Produktionen, welche nicht immer den Mann ins Zentrum stellen müssen und so beweisen, dass ein Mädchen, eine Frau sogar noch besser Abenteuer überstehen können. Tout En Haut Du Monde ist ein solcher Film, mit Rémi Chayé zwar von einem Mann kreiert, aber mit tatkräftiger Unterstützung vieler Künstlerinnen.
Die Geschichte um die 15-jährige Sasha, welche auf eigene Faust ihren verschollenen Grossvater am Nordpol suchen will, ist mitreissen und zeigt auf, wie wichtig das eigenermächtigte Handeln ist. Wie viel Mut es braucht, die gegenüber Frauen festgefahrenen Meinungen und Haltungen zu durchbrechen. Und wie stark sich dies lohnt.
Am besten funktioniert der Film, wenn er die Ländereien Ende des 19. Jahrhunderts mit langen und weiten Einstellungen präsentiert. Die Wucht des Sounddesigns (Eismassen klingen im Kino einfach immer beeindruckend) und die konturlos gezeichneten Bilder ergänzen sich perfekt. Empfehlung!
Weitere Spielzeiten: So., 06.09, 18:30
Ma vie de Courgette
Land / Jahr: Schweiz, Frankreich / 2026
Regie: Claude Barras
Musik: Sophie Hunger
Website: swissfilms.ch
Nicht wenige haben dieses Stop-Motion-Vergnügen bereits 2016 im Kino gesehen, vier Jahre später hat die Arbeit von Claude Barras weder an Zauber noch Intensität verloren. Für diesen Film kann man nur die volle Punktzahl vergeben. Genial gemacht und schön erzählt – die heiklen Themen der Waisen- und Heimkinder, sowie der häuslichen Misshandlungen werden geschickt angegangen und für alle verständlich und erträglich aufbereitet.
Courgette und seine Freunde strahlen unglaublich viel Charakter und Emotion aus, besonders dank den Augen. Es ist magisch, wie diese Puppen animiert wurden, wie detailverliebt der Film ist. Und das Ende rührte bei der Projektion gar den anwesenden Regisseur zu Tränen.
Das Drehbuch wurde übrigens zusammen mit Céline Sciamma geschrieben, welche 2019 mit „Portrait de la jeune fille en feu“ eine der besten Filme der letzten Jahre vorgelegt hat.
Weitere Spielzeiten: So., 06.09, 10:30
Internationaler Wettbewerb 1
7 Kurzfilme aus diversen Ländern
Dieses Jahr finde ich den Zugang bei den internationalen Wettbewerbsblöcken irgendwie selten. Liegt es daran, dass sich die meisten Filme eher schweren und ernsten Themen widmen? Wobei Mad in Xpain von Coke Riobóo dies als dystopischer Stop-Motion-Actioner verrückt durchbrochen hatte. „Mad Max“ mit Spielzeug, so wird der Sandkasten neu erfunden.
Homeless Home von Alberto Vázquez untersuchte in eindrücklichen Schwarzweissbildern das Land der verlorenen Seelen und liess Hexen auf Oger und Teufel prallen. Wo finden da Hoffnungen und die Liebe noch ihren Platz? Schliesslich waren die bereits zu Beginn bei powerwash (i love you) (Rory Waudby-Tolley) fehlend, einem schrägen Kurzfilm über ein Paar, das sich immer weiter entfremdet. Und ganz losgelöst von allen konkreten Angaben dann Marbles, bei dem Natalia Spychala Fäden auf mit Vaseline bestrichenen Scheiben zum Leben erweckte.
Weitere Spielzeiten: Sa., 05.09, 18:30
My Favorite War
Land / Jahr: Norwegen, Lettland / 2020
Regie: Ilze Burkovska Jacobsen
Musik: Karlis Auzans
Website: myfavoritewar.com
Eine autobiografische Geschichte erzählt uns die Regisseurin Ilze Burkovska Jacobsen in My Favorite War. Jacobsen wuchs in der Zeit des Kalten Krieges in Lettland auf, das damals noch Teil der UdSSR war. Ihr Vater verstirbt früh; ihre Mutter wird – um ihre Arbeit nicht zu verlieren – gezwungen, der Kommunistischen Partei beizutreten. Jacobsen erkennt früh, dass staatstreues Verhalten Türen öffnet, die sonst verschlossen bleiben. Sie passt sich dem System an – doch je älter sie wird, desto mehr Zweifel keimen in ihr auf.
Für ihre eigene Geschichte stand Jacobsen, die vom Dokumentarfilm kommt, kein historisches Filmmaterial zur Verfügung; erstmals entschied sie sich daher für den Animationsfilm, den sie mit kurzen Live-Action-Sequenzen ergänzt. Das Resultat ist ein sehr beeindruckendes und berührendes Werk. Unbedingt anschauen!
Weitere Spielzeiten: So., 06.09, 13:15
Weathering with You
Land / Jahr: Japan / 2019
Regie: Makoto Shinkai
Musik: Radwimps
Website: weatheringwithyoufilm.co.uk
Der Welt des Anime bin ich nicht sehr mächtig, immer wieder aber wage ich einen Blick in die japanische Kunst. Weathering With You vom Star-Regisseur Makoto Shinkai (Your Name) könnte einer dieser grossen Welterfolge werden – und ich weiss nun wieso. Zugänglich, optisch fulminant und mit einer guten Menge an Kitsch wurde der Film angereichert. Schnell findet man sich in der Geschichte um das Sonnenschein-Mädchen, welche das Wetter durch Gebete beeinflussen kann, zurecht. Man hofft auf die Liebe zwischen ihr und dem Protagonisten Hodaka, man wünscht sich weniger Regenfälle für Tokyo.
Allerdings erhielt nach dem Kinogenuss einiges einen merkwürdigen Beigeschmack. Extremes Product-Placement regte in mir Scham, das Festhalten an der Liebe als ewige Kraft war fragwürdig. Und noch schlimmer der lapidare Umgang mit Themen wie Ausreissertum, minderjährige Sexsklaven und Ausbeutung beim Job. Mehr Feingefühl und weniger hektisches Tempo hätten dem Film geholfen, wie auch eine klarere Botschaft betreffend dem Thema Umwelt und Mensch.
Weitere Spielzeiten: So., 06.09, 17:00
Unsere Empfehlungen für den Samstag:
15:45 Calamity, une enfance de Martha Jane Cannary / 17:30 Kill it and Leave this Town / 22:00 Animated Music Video Darlings Vol. 6
Das gesamte Programm ist hier zu finden.