Datum: 21. – 24. Mai 2010
Ort: Leipzig (D)
Eine Stadt sieht Schwarz! Leipzig zu Pfingsten … alle Jahre wieder!
Pfingsten und die Stadt Leipzig trägt Schwarz. Alle Geschäfte in der Innenstadt kramen ihre schwarzen Artikel hervor, Antiquitäten-Händler stellen Gebeine in die Auslage und freuen sich, über das konsumfreudige Volk, welches alljährlich zu Pfingsten die Stadt überflutet. Ganz so viele wie die Jahre davor waren es im 2010 wohl nicht. Weder bei den offiziellen WGT-Veranstaltungsstätten, noch in den Restaurants oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln war grosses Anstehen oder Warten angesagt, was sehr angenehm war.
Der Aufschwung im Osten geht wohl gerade einher mit den mittlerweile für Ost-Deutschland doch sehr hohen Konsumationspreisen, die sich jedes Jahr höher in der WGT-Reisekasse zu Buche schlagen. Dafür geben sich die Leipziger sehr viel Mühe, um die Gunst der kurzzeitigen Mitbewohner zu erlangen, indem sie z.B. spezielle Gothic-Menu-Karten schreiben, was mit einem Augenzwinkern angenommen wird, vor allem wenn die Pasta dann auch höllisch gut munden. Zum Thema Aufschwung vielleicht noch eine kleine Episode. Bei meiner Hinfahrt von Zürich nach Leipzig fuhr ich an einem LKW vorbei, der verrosteter nicht hätte sein können. In grosser, jedoch fast nicht mehr lesbarer Schrift stand hinten drauf „Hier fährt Ihr Aufschwung“. Ob das nun ironisch gemeint ist oder einfach für den Zustand der allgemeinen Wirtschaftsituation sprechen soll, sei mal der eigenen Vorstellungskraft überlassen 😉
Weltliche, über- oder unterirdische Probleme mal Beiseite gestellt, denn Leipzig zu Pfingsten heisst ganz simpel, alles für ein paar Tage vergessen und vor allem einfach „Schwarz“ sein zu können ohne auf Konformitäten achten zu müssen.
Musikalisch war das diesjährige WGT für mich sehr unspektakulär. In der Agra-Halle spielten die bekannten Szenegrössen, auf die ich bewusst für einmal verzichtet habe. Deshalb bin ich, leicht planlos zugegebenermassen, von Lokal zu Lokal gepilgert und habe mitgenommen, was gerade geboten wurde. Die letzten Jahre über kamen so meist sehr viele Überraschungen und Neuentdeckungen zusammen, doch im 2010 war dies eher bescheiden der Fall.
Der Name WGT – Wave Gotik Treffen sagt ja bereits aus, dass es sich bei diesem Festival nicht „nur“ um Musik dreht, sondern dass es ein Treffen von Gleichgesinnten sein soll. So ist es nach mittlerweile einigen Jahren auch bei mir, dass vor allem Freunde getroffen werden und alles ganz gemütlich und erholsam sein soll. Deshalb war am Freitag-Abend auch mein erstes Konzert in der Moritzbastei überhaupt, mit Leichtmatrose auf der Bühne. Bei Deutsch-Pop muss der Funke irgendwie überspringen, doch hier traf dies bei mir nicht zu. Textmässig sicherlich sehr interessant und spannend, jedoch musikalisch kam die Welle leider nicht bei mir an.
Der Samstag sollte dann besser werden und zusammen mit Freunden wollte ich den Tag gemütlich im Heidnischen Dorf bei Dudelsack-Klängen und inmitten mittelalterlich Gewandeter verbringen und etwas Ausspannen. Diesem Unterfangen hat dann allerdings der Besucherandrang, vor allem der vielen Wochenend-Touristen, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Für meinen Geschmack zu viele Leute auf einem Haufen, deshalb zogen wir weiter und landeten im Werk II.
Hier dann doch der erste musikalische Höhepunkt mit den Franzosen Joy/Disaster. Dem Sänger zufolge war der Auftritt zwar eher ein Desaster, für das er sich entschuldigte, doch angesichts der sehr kurzfristigen Wechsel innerhalb der Band und dem Chaos beim Line-Up, weil eine Band zu spät angekommen ist, war das Konzert trotzdem der Hammer. Auch die darauf folgenden Escape With Romeo waren ein reiner Ohrenschmaus. Schon seit Jahren im Geschäft und noch immer schaffen es die Deutschen das Publikum mit ihren Klangarrangements zu begeistern.
Sonntag ist nicht zum Ausruhen da und deshalb war bei uns an dem Tag Location-Hopping angesagt. Bei herrlichem Wetter ging es erst mal los Richtung Parkbühne. Kurz die Nase bei Lola Angst rein gestreckt, für zu elektronisch und zu laut für einen sonnigen Tag wie diesen empfunden und deshalb gleich weiter in den Kohlrabizirkus gedüst. Dort standen die sympathischen vier Jungs von auto-auto auf der Bühne und gaben alles, um die leider schlechte Akustik des Kohlrabizirkus, zu überlisten. Mit ihrem 80er-Elektro-Pop schaffen sie es immer wieder, meine Füsse zum Tanzen zu bewegen.
Darauf folgten S.P.O.C.K.. Die durchgeknallten Herren, ebenfalls aus Schweden, sind einfach toll anzusehen und ihre Lieder machen Spass. Ohne den Anspruch auf Ernsthaftigkeit, dafür mit sehr viel Humor und einer Prise Klingonenblut, witzig. Und zum Schluss des Tages nochmals kurz rüber in den Felsenkeller gedüst zu The Dark Shadows. Die Australische Punk-Rockabilly Formation, bestehend aus drei spielfreudigen Frauen, waren eine Wucht. Die Spielfreude schwappte gleich vom ersten Ton an über und ich konnte die Augen nicht mehr von der Bühne lassen (denke mal, den Herren im Publikum ging es wohl ähnlich – jedoch zusätzlich aus anderen Gründen 😉 ), während der Rest des Körpers zur coolen Musik mittanzte. Ein gelungener, abwechslungsreicher Tag, der beim Stamm-Italiener beschlossen werden musste.
Montags wiederum alles etwas ruhiger und zum Glück hatten sich die nächtlichen Gewitter wieder verzogen und einem Besuch im Zoo stand nichts im Wege. Ja, auch ausser-gruftige Dinge kann man an einem Wochenende in Leipzig tun 😉 Am Nachmittag dann wieder ab unter die Schwarzen und zum Werk II. Dort spielten die Österreicher Kitty In A Casket schnellen, kurzlebigen Punk-Rock, was zwar ganz gut ankam, nicht aber länger als 30 Minuten Abwechslung bringt. Daraufhin hatten es Death Of A Demon bedeutend schwerer, vor dem Batcave-Publikum zu bestehen. Denn die Deutschen Death Rocker passten eigentlich so gar nicht ins Line-Up. Das war ihnen bewusst und nichts desto trotz haben sie alles gegeben und eine knallharte Rock-Einlage gebracht, mir hat’s gefallen.
Soviel also von meinem persönlichen WGT. Wie gesagt, musikalisch eher knapp, dafür umso gemütlicher und erholsamer. Leipzig ist immer wieder eine Reise wert …
Geschrieben von: Nicole