Necktwister Records / VÖ: 06. April 2023 / Deathcore, Melodic Death Metal
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Text: David Spring
Ab und zu denke ich, ich muss mir wieder Mal einen dieser übergrossen Superhelden-Actionfilme antun. Mit den Snacks und Getränken im Anschlag geht’s los, die Musik wird düster und episch, steigert sich immer mehr, die Spannung steigt – und zu meiner jedes Mal wieder grossen Enttäuschung folgt auf das ambiente Crescendo irgendein doofer Dialog und kein Deathcore-Gebolze mit ultraharten Riffs und teuflischem Geschrei. Immer derselbe Quatsch… Schön, machen das When Plagues Collide aus Belgien auf ihrem neuen Werk «An Unbiblical Paradigm» ganz anders.
Hier nämlich folgt auf das grandiose und wundervoll cineastische Intro genau das, was folgen muss: dämonisches Gekeife, vollgas-Blastbeats und ein bösartiges Riff, das alles schwarzmalt. Glorreich, wie der Opener «Converted Into Cipher» gleich reinhaut. When Plagues Collide bieten nämlich viel mehr als nur stumpfen Deathcore. Neben vernichtenden Breakdowns und ultratief gestimmten Gitarren gibt es da die Virtuosität und die Musikalität des Melodic Death Metals, den epischen Bombast und die Horrorfilmtauglichkeit des Black Metals und den modernen Druck und die brutale Dringlichkeit des Metalcores.
Wer nun denkt, dass das ein Bisschen zu chaotisch und überladen klingt, täuscht sich. Das Album klingt wie aus einem Guss, denn das unbändige Tempo, die wahnsinnig fette Produktion und vor allem der unmenschliche und äusserst abwechslungsreiche Gesang geben den blutroten Faden nie aus der Hand. Stimmige Orchesterparts verbinden die Songs und geben immer wieder das Gefühl, in einem epischen Film oder Open-World-Videospiel zu stecken. Und der Gesang ist wahrlich faszinierend, von tiefem Death-Gegrunze über wüste Schreie bis hin zu Gekeife und Pigsqueals ist alles dabei. Und irgendwie schaffen When Plagues Collide es, dass all das nahezu perfekt harmoniert.
Inhaltlich rechnen When Plagues Collide gnadenlos mit sämtlichen Gottheiten und modernen Plagen ab, vom Altbekannten da oben über neue Götzen und vergötterte Dinge wie Gier, Politik, Intoleranz, Wahnsinn, Tod und das Verlangen nach Macht. Nicht überraschend steht Nietzsches «Gott ist tot»-Thematik mitten im Raum. Ebenfalls wenig überraschend, dass die Grundstimmung der Platte absolut hasserfüllt, wütend und furios ist.
Nach einer halben Stunde ist der Wahnsinn vorbei, doch nicht bevor uns When Plagues Collide nochmals auf dem falschen Fuss erwischen. Das abschliessende «In Alle Stilte» ist eine todtraurige Piano-Ballade mit gesprochenem Text in Niederländisch. Der wundervoll stimmige Closer fegt schlussendlich jegliche Hoffnung weg. Man kann aufatmen, doch die Sonne wird nicht wieder aufgehen. Wenn es einmal so weit ist und all die besungenen Plagen unweigerlich aufeinandertreffen, bleibt für die Menschheit nichts als der Tod. So schmerzhaft schön und schonungslos brutal wie von When Plagues Collide wurde diese Tatsache lange nicht mehr auf den Punkt gebracht.