Season Of Mist / VÖ: 14. Juli 2023 / Prog-Metal
voyagerau.com
Text: David Spring
Böse Zungen behaupten, dass es in der Rockmusik kein grösseres Vergehen gäbe, als am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Erst recht, wenn man als Band aus Australien stammt und schon mehrere erfolgreiche Alben sein Eigen nennen darf. Ist sowas überhaupt erlaubt? Nun, Voyager aus Perth scheren sich, wie es sich für waschechte Aussies gehört, einen Deut darum und liefern lieber ein starkes, neues Album nach, ohne sich auf Diskussionen einzulassen.
Zudem haben Voyager nicht die Lordi-Route des etwas kitschigen Masken-Rocks eingeschlagen, sondern sind feste in der fabulösen Welt des Prog Metals zu Hause. Schon nur deswegen darf ihnen der sehenswerte neunte Platz gegönnt sein. «Fearless In Love» ist der Name des neusten Werkes und beruhigenderweise ist darauf bis auf viele wohlplatzierte Synths herzlich wenig Plastik-Pop vertreten. Der Opener «The Best Intentions» klingt zwar frohgemut und wartet mit einer unverschämt coolen Hook auf, doch sobald das erste Riff reinhaut, wird die Sache rund.
Voyager spielen Prog Metal der Schule Haken, will heissen: epische Melodien, durchdachte Taktwechsel und überschaubare Songstrukturen. Wer ultrakompliziertes Gefrickel will, darf bei Dream Theater bleiben, und wer vertracktes Gebolze wünscht, hat immer noch Between The Buried And Me. Die fünf Australier:innen holten sich zwar für die fantastische Single «Ultraviolet» Unterstützung durch Make Them Suffer-Schreihals Sean Harmanis, doch von diesem äusserst effektiven Metalcore-Ausflug abgesehen, setzen sie weitestgehend auf Melodie statt ultimativer Härte. Freilich sind die Gitarren heavy und tief und die Produktion stets äusserst fett, doch stehen die Songs als Ganzes im Vordergrund und nicht nur das herausragende Können der Musiker:innen.
Viele der Stücke setzen die Keyboards und Synthesizer in den Mittelpunkt. Songs wie das inhaltlich heftige «Twisted» lassen gar vollkommen elektronische Elemente scheinen, was der Band überraschenderweise verdammt gut zu Gesicht steht. Abwechslung wird grossgeschrieben, so sind das vorzügliche «Submarine» oder das frohgemute «Daydream» erhabene, frische Prog-Rocker. Daneben finden sich aber auch fiese Bretter wie das voller Überraschungen steckende «Promise» oder das riffgewaltige «Prince Of Fire».
Voyager bieten für jeden Geschmack etwas. Es ist moderner, astreiner Prog Metal mit genügend Ecken und Kanten, um ordentlich abzugehen, sowie beachtlichem spielerischem Können, dass sämtliche Musik-Nerds freudenstrahlend und neidisch hinterlassen wird. «Fearless In Love» ist mächtig und macht Spass, einige der Grössen des Genres dürften sich da gerne Mal eine Scheibe davon abschneiden. Für eine ESC-Band also eine mehr als beachtliche Leistung.