Band: Vennart
Album: In The Dead, Dead Wood
Genre: Alternative / Prog-Rock
Label: Eigenveröffentlichung
VÖ: 6. November 2020
Webseite: vennart.com
„Written quickly during lockdown 2020, with some forgotten bits exhumed and rescued from years ago“, steht in den Linernotes zu “In The Dead, Dead Wood“. Mike Vennart schreibt also im Handumdrehen ein Album, das zu den besten in einem schwierigen Jahr gehört und zeigt dabei allen den Meister, die sich – besonders in der Krise – um sich selber drehen. Er, der mittlerweile als Tourgitarrist von Biffy Clyro im Hintergrund bleibt, aber bei Oceansize einer der besten Progrock-Bands der 00er Jahre vorstand. Wenn dieses Album ein Ergebnis der Corona-Pandemie ist, dann kann man sich immerhin daran erfreuen. Es war vorherzusehen, dass gerade die Musikschaffenden das vom Virus auferlegte Zurückfahren öffentlicher Auftritte für Dinge wie dieses Album nutzen. Das heisst aber nicht zwingend, dass es dann auch so grossartig gelingt wie “In The Dead, Dead Wood“, dem dritten und besten Solowerk von Vennart. Und nein, auch wenn man es zu hören meint, Mike Patton und Chris Cornell haben keine Gastbeiträge beigesteuert. Im Falle von Cornell aus offensichtlichen und immer noch traurigen Gründen. Aber im Geiste (und mit ordentlich Hall) singt er bei “Weight In Gold“ mit.
Das Album beginnt mit „Silhouette“ wuchtig und mächtig zugleich. „Super Sleuth“ hat die Coolness, sich mit jedem aktuellen Lied von Biffy Clyro anzulegen – und locker zu gewinnen. Tolles Lyric-Video, fantastischer Text, Riesensong. Wenn dein Tourgitarrist das bessere Album veröffentlicht als du selber, dann hast du entweder Luxusprobleme oder du brauchst dringend welche. „Elemental“ hat die schönste Strophe des Albums, bäumt sich im Refrain langsam auf, breitet seine Flügel aus und schwebt davon. „Lancelot“ kommt dem Prog am gefühlvollsten näher und „Mourning On The Range“ hat den besten Refrain. Der einzige Makel ist der Hidden-Track „Concierge“, der auf den wundervollen Closer „Forc In The Road“ folgt. Wer macht heute noch so was? Offenbar einer, der auf Facebook ein Bild postet, in dem unter anderem steht: „No PR“. So gibt es (bis jetzt) auch keine Informationen zum Album, kein Label und kein Streaming auf den gängigen Plattformen. Den Mittelfinger muss man sich also dazu denken.
Und ohne eine gewisse Narrenfreiheit wäre ein solches Album auch nicht möglich. Wer Oceansize vermisst: das hier ist keine Nostalgie. Es ist die verdammt gut gelungene Weiterentwicklung von allem, was Vennart bisher geleistet hat. Der konsequente Befreiungsschlag, der in seinem ersten Soloalbum bereits angeklungen ist, sich auf dem zweiten noch hinter einem bunten Vorhang versteckt hatte und sich nun in aller Schönheit präsentiert. “In The Dead, Dead Wood“ ist zugänglicher als seine beiden Vorgänger, mehr Alternative als Prog und ein Zeitzeugnis, das in einer schweren Krise zeigt, wie es eigentlich gehen könnte. Wenn man denn noch bereit ist, für Musik zu zahlen. Was übrigens nicht das Gleiche ist, wie bei Spotify ein Abo zu haben. Im Bild steht demnach auch: „No fucking pre-save to Spotify button“.
Tracklist:
1. Silhouette
2. Super Sleuth
3. Elemental
4. Lancelot
5. In The Dead, Dead Wood
6. Weight In Gold
7. Mourning On The Range
8. Forc In The Road
Bandmitglieder:
Mike Vennart – Gesang, Gitarre, Bass und Keyboard
Joe Lazarus – Schlagzeug
Ben Griffiths – Bass
Richard A. Ingram – Keyboard
Charlie Barnes – Klavier
Text: Michael Messerli