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Artist: VelvetSeal
Album: Lend Me Your Wings
Label/Vertrieb: Dark Balance
Release date: 4. Mai 2009
Website: www.velvetseal.com
Written by: Luke J.B. Rafka
Das Ungarn in früherer Zeit immer wieder einen Aufschwung erlebte, ist niemanden verborgen geblieben. Mit Kaiserin Elisabeth (Sissi) und Kaiser Franz Joseph erhielt Ungarn z. B. seine Verfassung von 1848 zurück und zum Dank wurden sie am 8. Juni 1867 zum Königspaar von Ungarn gekrönt. Auch nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ – 1989/1990 – geschah Richtungsweisendes. Ungarn wurde Teil des westlichen Staatensystems und schliesslich im Jahre 2004 Mitglied der Europäischen Union.
Nur zwei Jahre später gründeten Gabriella „Gabee“ (Gesang) und Csaba „Csabee“ (Gitarren, Keyboard, orchestrale Arrangements) die Formation VelvetSeal. Ihre ersten Demo-Veröffentlichungen (die MCD OPENING THE VELVET SEAL, 2007 und 2008 der Vorbote zum jetzigen Album LEND ME YOUR WINGS als EP) liessen bereits in ungarischen Gefilden aufhorchen, bis sie endlich zum ersehnten Labeldeal bei DARK BALANCE gelangten. Und das man gute Musiker aus Ungarn nicht nur bei den Philharmonia Hungarica findet, beweist der Anfang Mai veröffentlichte Silberling LEND ME YOUR WINGS mit seinen 9 ausdrucksstarken Tracks.
Der erste Track, also das Opening der silbernen Scheibe, heisst ebenfalls „Opening“ und macht uns auch sogleich mit den symphonischen Anleien des Sounds vertraut. Eine – uns nicht unbekannte – Musikrichtung prägt sich auf dem Album. Klassische Instrumente, gepaart mit metallastigen Gitarren, breiten Synthflächen und weiblichen Gesang. Dachte ich zuerst schon wieder an bisher bekannten Hüpfdohlengesang, bin ich teils sehr überrascht gewesen, als ich diese Scheibe zum ersten Male hörte. Mit dem zweiten Song, dem Titeltrack „Lend me your wings“ auf dem Album beweist VelvetSeal gekonnt mit der Prägung von symphonischen Untermalungen umgehen zu können. Mit diesem Titel steigert sich das Album bereits beim zweiten Stück und zieht sich von nun an wie der bekannte rote Faden durch die silberne Scheibe.
Wenn ich mir diese allerdings nach einiger Zeit anschaue bzw. durchhöre, finde ich leider nicht wirklich den diese Farbe. Es sind schöne orientalische Klänge im dritten Stück „The One“ als Intro zu hören, allerdings ohne hängenbleibenden Erfolg. Der Song würde sich gleichermassen in den Vorgänger einreihen, wenn da nicht die Steigerung im Refrain wäre. Hier zeigt Gabee ihren Facettenreichtum und auch die musikalische Ausrichtung bringt es mit sich. Ansonsten bleiben in den Strophen wieder altbekannte Klänge hängen.
Das Intro bei „Desperati“ erinnerte mich im ersten Moment an die musikalische Instrumentierung von Bram Stokers Dracula. Mit dem einsetzenden männlichen Chorgesang vertieft sich der Track in eine mystische Ader. Weiter ausgeführt mit Gabees Gesang und dem Text birgt dieser Song echte Qualitäten für einen guten Thriller. Bei „Torn Within“ bleibe ich ein wenig stocken, denn hier wird es so langsam langweilig. Der Sound und der Gesang auf dem Album wechseln eher selten und daher wirkt es nun einschläfernd. Irgendwie klingt es nach den gleichen Riffs und der gleichen Gesangsart – immer und immer wieder. Es fällt mir wirklich schwer, das Album weiter durch zu hören. Mit gewitterartigen Samples startet nun die Ballade des Albums.
„Where Statues Cry“ heisst das Stück, welches eine träumirische Ruhe mit starken Gefühlsausbrüchen in Gabriellas Stimme ausstrahlt und mit den romantischen Flächen im Hintergrund eine neue Atmosphäre auf dem Album schafft. Ohne grossartige Worte behaupte ich jetzt, dass dieser Track den Nerv Zeit getroffen hat. Passend in der Mitte des Silberlings den Höhepunkt als Ballade gesetzt, gelungener Schachzug!
Die Intros der einzelnen Tracks sind grandios aufgebaut. Mir scheint es so, dass der Komponist, der sich für VelvetSeal auszeichnet, zuvor Filmmusiker gewesen sein muss. Hiermit wird immer wieder eine spannende Atmosphäre erzeugt, die für mich allerdings durch die oftmals gleichklingenden weiteren Sounds leider die Höhepunkte dieser CD darstellen. „The Divine Comedy?“ ist dann auch wieder härter produziert und klingt schon eher nach altbekannten Acts. Kein Wunder, dass die Vergleiche mit Within Temptation oder Nightwish fallen – allerdings ohne jeglichen Grund, da besagte Acts in einer absolut höheren Liga spielen. Bei „Free Fall“ beginnt es erneut mit mystischen Flächen und einer leisen steigenden Snaredrum, bis sich die Band wieder im alten „Trott“ befindet. Eigentlich Schade mit solch einem Potential nicht aus der Unterklassigkeit heraus zu preschen. Immer wieder baut sich das selbe Schema in den Songs auf, welches das Album enorm schwächt.
Der letzte Song auf „Lend Me Your Wings“ zeigt, dass sie es doch noch können und liefert den erwähnten, vermissten Pep. Leider ein wenig zu spät – denn ich glaube nicht – dass die Fans von Gothmetal mit Frauengesang dieses Album im Laden komplett durchzappen, um es dann zu kaufen.
Fazit: Vergleicht man Rockmusik mit der deutschen Fussball-Bundesliga, so würde ich VelvetSeal im Mittelfeld der ersten Liga einordnen. VelvetSeal sehe ich einfach mal frecherweise als 1899 Hoffenheim – als Aufsteiger ganz oben mitgespielt und ganz schnell ins Mittelfeld zurück gertuscht. Sie beweisen mit LEND ME YOUR WINGS, dass sie ein Debutalbum geschaffen haben, welches eine Menge Professionalität und viele gute Ideen beinhaltet, jedoch noch ein wenig zu früh für internationale Erfolge ist.
Natürlich würden die tollen Arrangements mit einem richtigen Orchester dieses Album enorm aufwerten, allerdings darf man bei einen Erstlingswerk so etwas natürlich nicht voraussetzen.
Warten wir doch einfach mal ab, wohin der Weg von VelvetSeal in Zukunft gehen wird. Als Anspieltipps kann ich ohne Bedenken Desperati und Where Statues Cry empfehlen.
Trackliste:
01. Opening
02. Lend Me Your Wings
03. The One
04. Desperati
05. Torn Within
06. Where Statues Cry
07. The Divine Comedy?
08. Free Fall
09. This Tragic Overture