Band: Van Holzen
Album: Regen
Genre: Rock
Label: Warner Music
VÖ: 26. April 2019
Webseite: vanholzen.com
Regen – damit sind wir alle ja bestens vertraut, spätestens nach den letzten Tagen. Also, zumindest was das kühle Nass betrifft, das vom grauen Himmel fällt, und für laufende Nasen und Husten bis in den Mai hinein sorgt. Ein weiterer Regen, der Allgemeinheit wohl bisher weniger bekannt und stark auf den Gehörsinn fokussierend, erblickte vor rund einem Monat das Licht der Welt und rauscht seither durch die deutschsprachigen Regionen dieser Welt. Das zweite Album von Van Holzen mit der vorangehenden Single „Alle meine Freunde“, begeistert die Hörerschaft von nah und fern, und das durchaus verdient.
„Alle meine Freunde“ eröffnet das Album, mit reduzierten und sich grösstenteils wiederholenden Lyrics unsere Konsumgesellschaft besingend, und einem hämmernden Intro, abgelöst von beruhigender Strophe und dröhnendem Refrain mit Ohrwurmpotential. Im dazugehörigen Videoclip wird das überraschend frische Alter des Trios erkennbar: die Jungs aus Ulm sind noch keine 20. Dabei haben sie schon Shows gespielt, von denen so manch anderer nicht einmal zu träumen wagt. So eröffneten sie im Alter von 16 Jahren bereits für Papa Roach oder Billy Talent, seither kamen weitere Bands wie De Staat, Heisskalt, Itchy sowie zahlreiche kleine und grosse Festivals in Europa dazu. Eigene Tour mit ausverkauften Shows? Frontcover des Visions Magazins? Plattendeal mit Warner Music?
Hatten die drei alles schon. Und nebenbei noch kurz Abi gemacht. Van Holzen scheint einige der wenigen Rockbands zu sein, die sowohl zahlreiche Jugendförderer- und Musikpreise abgestaubt haben, als auch tatsächlich mit ihrer Musik weiterkommen. Während sich viele junge Bands nach einigen Jahren des gemeinsamen Musizierens wieder verlieren, sich auf ein Studium oder das Reisen fokussieren wollen -wobei die Band ein lästiger Klotz am Bein zu werden scheint-, so bleiben Van Holzen an der Musik haften, was sich für sie auch allemal zu lohnen scheint.
Die Musik auf „Regen“ ist fett. Von Anfang bis Schluss, ohne Ausnahme. Fett verstärkt, fett gut eingespielt, fettes Songwriting und eine Attitüde mit fett dicken Eiern. Songs wie „Regen“, „Schwimmen“ oder „Legere“ erinnern an das Gefühl, mit geklautem Auto zu schnell über Landstrassen zu düsen – zumindest so stelle ich mir dieses Gefühl vor, wobei anzumerken ist, dass ich gar nicht Autofahren kann – Gewitter-ähnlich düster und kalt hingegen rollen „s/w“ oder „Schrammbock“ daher. Eintönig ist das Album nicht, wenn auch die musikalische Spannbreite kein gigantisches Ausmass annimmt. Muss sie aber auch nicht, den Van Holzen bleiben bei dem, was sie können, und das können sie verdammt gut.
Lyrisch erinnert „Regen“ an einen schrägen Science-Fiction-Streifen, ähnlich „Donnie Darko“, „Trainspotting“ oder „American Psycho“, wobei die Texte stets Raum für vielseitige Interpretationen lassen. „Ich weiss jetzt, was zu tun ist: Ich fahr dich einfach an, verscharr’ dich in meinem Garten und zünd’ dir ‘ne Kerze an“, heisst es in „s/w“. Unklar, ob mit „Schnee“ der kalte Niederschlag gemeint ist oder doch eben die Lieblingsdroge von Bankern und Managern. „Und alle steh’n im Regen, und alle steh’n bei mir. Ich kann mich nicht mehr bewegen und bleib’ für immer hier.“ „Regen“ als Metapher für den Druck der Gesellschaft, der einem dazu bringt, weiter zu ziehen oder stehen zu bleiben und kein Entrinnen ermöglicht? Oder doch einfach ein Lied über die Einsamkeit unter Menschen und das persönliche Unvermögen, im Leben weiter zu kommen? Die Songtexte werfen Fragen auf, die unbeantwortet bleiben.
Auch nicht weiter schlimm. Vielleicht ergibt sich aber doch mal die Gelegenheit, die drei Jungs nach der Bedeutung ihrer Worte zu fragen. Zum Beispiel auf einem der Konzerte ihrer aktuellen Tour, die sie auch wieder zurück in die Schweiz führt – hier, also, genau genommen im gemütlichen Tschiertschen, entstanden nämlich Teile von „Regen“. Das hört man zwar nicht raus, schön ist’s aber trotzdem, dass unser hübsches Land bei sowas Grossem seine Finger ein bisschen mit im Spiel hatte.
Tracklist:
1. Alle Meine Freunde
2. Regen
3. Irgendwas
4. Royal
5. Schwimmen
6. Allein
7. s/w
8. Legere
9. Stark
10. Tot & Oben
11. Schrammbock
12. Der Schönste (Bonustrack)
13. Einen Feind (Bonustrack)
14. Europerle (Bonustrack)
Mitglieder:
Florian Kiesling – Gitarre und Gesang
Jonas Schramm – Bass und Gesang
Daniel Kotitschke – Schlagzeug und Gesang
Gründung:
2015
Text: Sarah Rutschmann