Eisenwald / VÖ: 30. April 2021 / Black Metal
Facebook
Text: David Spring
Viel zu selten nimmt sich eine Schweizer Band unser Land als Vorlage für ihre Kunst. Die Black-Metal-Meister von Ungfell aus Zürich finden in den Schweizer Tälern, Alpen und Wiesen die richtige Inspiration für ihren Sound. Hauptmann Menetekel und Drummer Vâlant streckten ihre Fühler für das dritte Werk „Es Grauet“ erneut weit in die heimische Folklore aus und schafften es, unter Zuhilfenahme von Leier, Mundtrommel und allerlei anderer, traditioneller Instrumente eine verstörende Atmosphäre zu kreieren.
Das Intro „Es Grauet Überm Dorf“ beginnt mit dem Krähen eines einsamen Hahnes und sanftem Vogelgezwitscher, bevor die Hölle über uns hereinbricht. Das Album besingt die Geschichte eines kleinen Dörfchens in den Alpen, welches vom lüsternen Ammann, einer vermeintlichen Hexe und dämonischen Zwillingen heimgesucht, und gar Ort eines schrecklichen Mordes und anderer Gräueltaten wird. Spätestens wenn Herr Menetekel in „Tyfels Antlitz“ mit schweizerdeutschem Gesang einsetzt, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Die Produktion ist für Black Metal untypisch gut, dass man tatsächlich ab und zu etwas versteht, was der Herr von sich gibt. Dialekt vermischt mit dermassen bösartigem Sound ist ungewohnt, dass man in kürzester Zeit in den Bann von Ungfell gesogen wird.
„D Schwarzamslä“ ist ein wundervoll stimmiges, instrumentales Interlude mit einem bedrohlichen Chor und mittelalterlichen Gitarrenmelodie. „Mord Im Tobel“ wiederum reisst den Abgrund noch weiter auf und malt ein garstiges Bild, der einst so wohligen Idylle. Ungfell schaffen es meisterhaft, das Album so schweizerisch, wie nur möglich klingen zu lassen, und gleichzeitig Sounds zu kreieren, die man sonst aus dem tiefsten, skandinavischen Norden kennt. Die Geschichte nimmt mit „S Chnochelied“ und „D Unheilspfaffä Vom Heinzäbärg“ ihren Lauf und ich wünschte mir, dass ich der Story auch inhaltlich folgen könnte, was ohne Textblatt schwierig ist.
Schlussendlich kommt all das dämonische Getue brutal zum Halt, als in „S Fälsebräche“ eine vernichtende Schlammlawine das Dörflein und alle unheiligen Einwohner*innen unter sich begräbt. „Es Grauet“ kommt mit einem Jodel zur Ruhe. Es ist schwierig in Worte zu fassen, wie beängstigend und bedrohlich diese wohl traditionellste Schweizer Gesangsart nach all dem wirkt. Man fühlt sich unwohl und verstört. Ungfell zaubern eine Atmosphäre hervor, die gleichermassen schön wie furchteinflössend ist.
Ich, der ich kein Connaisseur von Black Metal bin und diese Musikrichtung meistens eher meide, bin von „Es Grauet“ fasziniert. Selten hat eine Platte so viele Emotionen in mir ausgelöst und ich bin überzeugt, dass sich das Album problemlos mit den Grössen des Genres messen kann. Ungfell machen mir Angst und ich kann „Es Grauet“ nicht hoch genug loben. In den bizarren Zeiten, in denen wir momentan leben, ist derart gekonnt verstörende Musik genau das, was es braucht.