Sounds Of Subterrania / VÖ: 5. April 2024 / Punk, Hardcore
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Text: David Spring
Die Frage, wie man heutzutage noch neue Freunde oder gar romantische Partner:innen findet, stellen sich viele. Alle scheinen wir besser und enger denn je miteinander vernetzt zu sein, und doch werden wir stetig einsamer. Zum Glück gibt es etliche Dating- und Bekanntschaftsplattformen, die da Abhilfe schaffen können. Und so kam es, dass vier Freunde aus der Region Frankfurt ihre Sängerin Sam genau auf einer solchen Art «Tinder für Bands» und lediglich mit dem Hashtag #blackflag gefunden haben. Der Rest ist Geschichte, denn so entstand The Pill.
Die vier Freunde sind Schlagzeuger Sascha, Bassist Jan sowie Philipp und Tobias an den Gitarren. Zusammen mit Sam verbindet sie eine Liebe zur Musik, insbesondere zum Hardcore und Punk der US-amerikanischen Schule, wie man dem schicksalsträchtigen Hashtag schnell entnehmen kann. Genauso klingt demnach ihr vorzügliches Debüt «Hollywood Smile», das in nur 20 Minuten zehn Songs runterballert. Der Opener «Switch» macht gleich alles klar: Vollgas-Punk mit lärmigen Gitarren und wundervoll wütendem Gesang, ohne Firlefanz, dafür mit umso mehr Haltung. Offensichtlich ist zudem, dass die Sängerin genau die richtige Wahl für den Sound von The Pill ist. Es werden Erinnerungen an Shouterinnen wie Ren Aldridge (Petrol Girls) oder Brody Dalle (The Distillers) wach, wenn sie wütend keift und schreit, oder gelegentlich in eine etwas sachlichere, aber genauso eindringliche Erzählstimme verfällt.
Natürlich erfinden The Pill das Rad nicht neu, dieser Anspruch bestand ohnehin nie. Sie bedienen sich gleichermassen aus den Schubladen Punk und Hardcore und reichern alles mit einem feinen Gespür für Melodie und Eingängigkeit an. Das Resultat überzeugt. Inhaltlich geht die Band ebenso unverblümt und direkt ihren Weg, sei es mit soziopolitischen Themen wie in der rabiaten Lead-Single «Government Whore» oder der grandiosen, fast schon poppigen Kapitalismuskritik «Salaryman», allerdings gerne auch mal auf ungeschönte Geschichten-die-das-Leben-schrieb-Art wie zum Beispiel im schmerzhaften «Parking Lot». The Pill nehmen kein Blatt vor den Mund, da ist nichts mit Plattitüden oder Schönreden. Die Devise lautet immer mitten in die Fresse.
Obwohl die 20 Minuten nicht viel Spielraum für Experimente lassen, sind die Songs auf «Hollywood Smile» mehr als abwechslungsreich. Am Ende des rabiaten Closers «Complex» angelangt, kann es gar nicht schnell genug von vorne losgehen. The Pill beweisen schön, dass Punk/Hardcore auch 2024 noch lange nicht ausgedient hat und dass mit etwas Kreativität und dem nötigen, wütenden Willen noch immer grosse Taten vollbracht werden können. Darum gibt es für The Pill beide Daumen nach oben, die Faust in die Luft und ein breites «Hollywood Smile», denn das alles macht verdammt Laune.