Candlelight Records / VÖ: 26. Januar 2024 / Black Metal
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Text: David Spring
Die Mitte des 17. Jahrhunderts war keine schöne Zeit. Insbesondere für Frauen im Osten Englands, die entweder einfach existierten oder sich schlimmstenfalls nicht so gern an die Gepflogenheiten der Kirche oder der Männer von damals halten wollten – oder die halt grad per Zufall zur falschen Zeit am falschen Ort der falschen Katze oder Kröte nachblickten. Dies nämlich reichte bei weitem aus, um von selbsternannten Hexenfindern wie zum Beispiel dem berüchtigten Matthew Hopkins als ebensolche abgestempelt und folglich gefoltert und meist getötet zu werden.
Genau diesem Matthew Hopkins, dem Witch Finder General, widmet die britische Black Metal Band The Infernal Sea ihr nunmehr viertes Album «Hellfenlic» (alt-englisch für «Höllensumpf)». Eine dermassen trostlose und gramvolle Geschichte ist für eine schwarz-maskierte Metalband wie sie ein gefundenes Fressen und bietet sich hervorragend an, um düstere Klangbilder und vernichtende Songs zu schreiben. Der Opener «Lord Abhorrent» setzt die Szene. Wüste Blastbeats und dämonische Schreie machen schnell klar, wie der Wind weht. «Shadow Of The Beast» haut in dieselbe Kerbe, doch fallen auf einmal immer mehr anderwärtige Einflüsse auf. Nicht nur ist der Song erstaunlich melodiös, es finden sich auch Elemente, die man eher im klassischen Heavy oder Thrash Metal erwarten würde.
Genau diese mannigfachen Einflüsse sind es, die The Infernal Sea so anders und gut machen. Je länger man der horrenden Geschichte des Matthew Hopkins lauscht, umso mehr gibt es zu entdecken. «Witchfinder» liebäugelt mit Doom und gar Goth Rock, «Black Witchery» wiederum erinnert mit rasantem Hardcore-Beat an die guten alten Zeiten mit Bands wie Venom und Bathory. «Frozen Fen» oder die brutale Vorabsingle «Bastard Of The East» sind astreine, atmosphärische Black Metal Bretter mit unglaublich bösartigen Vocals und amtlichen Headbang-Passagen, doch am überraschendsten ist der neunminütige Closer «Messenger Of God». Hier treffen akustische Gitarren auf etwas, das vage nach einer Oboe klingt, vermischt mit chaotischen Drums, tonnenschweren Riffs und traurigen Geigen, um ein wunderschön vernichtendes Soundgemälde zu kreieren. Die gespenstischen Melodien gehen durch Mark und Bein und man fühlt sich ein letztes Mal unbequem tief in die grauenhafte Welt des Witch Finder Generals versetzt.
The Infernal Sea liefern hier ein gigantisches Werk ab, an welchem sich alle Fans der extremen Klänge und noch extremeren Gestalten laben können. Die vielfältigen Genre-Ausbrüche sowie das unglaublich kreative Songwriting bieten massig Abwechslung, vor allem aber lassen The Infernal Sea niemals Zeit zum Aufatmen. Dazu kommt, dass selten ein Black Metal Album dem thematischen Konzept so überzeugend Leben eingehaucht hat, wie dieses. Wie eine so traumatisierende wie wohlklingende Geschichtslektion fasziniert und überzeugt «Hellfenlic» auf sämtlichen Ebenen.