Band: The Beauty Of Gemina
Album: Ghost Prayers
Label/Vertrieb: tBoG Music
Veröffentlichung: 21. Februar 2014
Website: thebeautyofgemina.com
Geschrieben von: Daniel Zehnder
„The Myrrh Sessions“ hat Spuren hinterlassen. Zum Glück. Denn das 2013 erschienene Meisterwerk, auf dem The Beauty Of Gemina mit rein akustischen Instrumenten eine Werkschau der ersten vier Alben ablieferten, war ein Juwel, das bei jedem Hören wieder von einer neuen Seite glitzerte. Das neue Studioalbum „Ghost Prayers“ räumt dem klingenden Charme der Akustikgitarren ebenfalls sehr viel Platz ein.
Auch die Drums klingen irgendwie „akustischer“ als auf den früheren Alben. Mac Vinzens legt zwar immer noch eine bewundernswert rhythmische Präzision an den Tag, aber es scheint, als hätte die Band beim Klang der Drums absichtlich das organische, rohe und „dreckige“ gesucht. Man glaubt förmlich, bei jedem Schlag den Staub von den Trommeln aufwirbeln zu sehen. Glatt geschliffen ist passé, aber gleichzeitig ist die musikalische Perfektion grösser denn je. Und die Vielfalt der Details, die das Ohr entdecken darf, ist beinahe unerschöpflich.
Eröffnet wird das Album mit dem Uptempo-Track „One Million Stars“. Würden sich Andrew Eldritch und seine barmherzigen Schwestern mal wieder ins Studio bequemen, könnte es durchaus ähnlich klingen. Schwere Drums, trockene, scharf gezupfte Akustiksaiten und dann plötzlich eine zurückhaltendes E-Gitarre. Gleichzeitig erklingt das tiefe und so vertraute Stimmorgan von Mastermind Michael Sele und singt über Ängste, Hoffnung und Ungewissheit.
Das nachfolgende „All Those Days“ setzt tempomässig noch einen drauf und enthält alle Ingredienzien eines typischen tBoG-Hits: Eingängiges Gitarrenriff, treibende Drums, eindringlicher Bass und Elektronikspielereien. Letztere sind auf diesem Album sonst eher Mangelware, was aber durchaus positiv zu werten ist, denn zu viel Elektronik hätte der authentischen Grundstimmung von „Ghost Prayers“ mehr geschadet als genützt.
Weiter geht es mit dem schleppenden „Hundred Lies“, das einen Robert Smith vor Neid erblassen liesse. So eindringliche Musik habe ich zum letzten Mal vermutlich auf dem Cure-Meisterwerk „Bloodflowers“ gehört.
Der Midtempo-Song „Dancer On A Frozen Lake“ hingegen vermag mich trotz schönem, leicht „shoegazigem“ Gitarrenspiel nicht vollkommen aufzutauen. Dafür komme ich dann beim darauf folgenden „Run Run Run“ wieder arg ins Schwitzen. Ein Wahnsinns-Gitarrenriff schlängelt sich durch das Gebilde aus peitschenden Drums und druckvollen Bass-Salven. Es ist plözlich 1983 und Bands wie The Chameleons, Sad Lovers & Giants oder The Sound lassen grüssen.
Zur Album-Halbzeit setzen wir uns an ein prasselndes Lagerfeuer in der Prärie und hören dem beschwingten, countrygeschwängerten „Down By The Horses“ zu – wieder einmal der eindrückliche Beweis, wie leicht es tBoG doch fällt, mit Stilrichtungen zu spielen und Genregrenzen zu überwinden ohne ihr unverwechselbares Klanggefüge aus den Augen zu verlieren. Das wärmende Lagerfeuer erlischt langsam, kühler Wind kommt auf und mit der berührenden Akustikballade „When We Know“ legen sich die Cowboys schlafen.
„Dragon“ entführt uns in eine Welt, die zu Beginn wie eine Fantasiewelt scheint, ihren Glanz aber zusehends verliert und sich schliesslich als desillusionierende Realität entpuppt. Bei „I Wish You Could Die“ flacht die Sache ein wenig ab. Ein gefälliger Dark- Wave-Song, der wohl schon Mitte der 80er als Durchschnittsware gehandelt worden wäre.
Beinahe wäre auch das vorwärtstreibenden „Time For Heartache“ etwas in der Beliebigkeit versunken, wäre da nicht diese faszinierend weinerliche, gegen Schluss immer mehr ins aggressive vorpreschende E-Gitarre von Michael Sele. Dann wieder eine 180-Grad-Wendung: „Mariannah“. Die erste Singleauskopplung besticht durch einen beschwingten Beat, viel Akustikgitarre sowie repetitiven Akkordeonklängen und erinnert mich irgendwie an den Soundtrack einer Zigeunerhochzeit. Die wohl mutigste Single, die tBoG jemals veröffentlicht haben.
Der Name des zwölften und letzte Track ist Programm: „Darkness“ zeigt die Band nochmals von ihrer dunklen Seite. Es beginnt mit sanften Pianoklängen, dann gesellt sich die typische „Sele“-Gitarre dazu und schliesslich setzen Schlagzeug und Bass das hypnotische, gut 11-minütige Epos in Bewegung. Ganz grosses Hörkino und gleichzeitig ein starker Schluss eines wirklich starken Albums.
Mit dem Longplayer „Ghost Prayers“ beweisen The Beauty Of Gemina einmal mehr, dass sie längst nicht mehr im Wave/Gothic-Gärtchen zu Hause sind. Zu abwechslungsreich, zu weltoffen und zu genreübergreifend sind die Songs geraten, um noch in irgendeine Schublade gepresst zu werden. Wer ein offenes Ohr für melancholische Melodien, anspruchsvolle Kompositionen, nicht alltägliche Texte und eine vielschichtige Instrumentierung mit einer grossen Liebe zum Detail hat, dem wird dieses Album eine riesige Freude bereiten.
Tracklist:
01. One Million Stars
02. All Those Days
03. Hundred Lies
04. Dancer On A Frozen Lake
05. Run Run Run
06. Down By The Horses
07. When We Know
08. Dragon
09. I Wish You Could Die
10. Time For Heartache
11. Mariannah
12. Darkness
Bandmitglieder:
Michael Sele – Vocals, Guitars, Piano, Organ, Balalaika, Akkordeon, Programming
Mac Vinzens – Drums
Marco Gassner – Guitars
Gründung:
2006