Eigenveröffentlichung / VÖ: 22. März 2024 / Garage Rock
theattycs.com
Text: David Spring
Es gibt Bands, die sieht man einmal zufälligerweise live und ist sofort umgehauen. Da stimmen die Energie, die Songs, der Humor, einfach alles. Eine solche Band sind The Attycs, deren wilder Gig im Vorprogramm von Mother’s Cake im Frühjahr 2022 bleibende Spuren hinterliess. Seit dann sind ein paar Jahre verstrichen, es gab einen Besetzungswechsel und nun hat die Band aus Bern und Luzern mit «Fiasco» endlich ihr erstes Album am Start.
Der Sound von The Attycs kann gemeinhin als fuzziger Garage Rock beschrieben werden. Wie so oft aber ist so ein Genrelabel nur die halbe Miete, denn das chaotische Trio hat viel mehr zu bieten, als nur schrummlig gespielte Gitarren. Das Album beginnt mit einem sexy Basslauf und schiefem Gelächter, bevor ein gewaltiges Riff und hallende Gitarren uns wohlwollend begrüssen. «Toxic Sister» haut danach richtig rein und man kann bald schon kaum mehr still sitzenbleiben. Es rumpelt und zieht wundervoll nach vorne, die sympathische Stimme meist genauso effektbeladen wie die Gitarren. «Addicted» dann ist ein saftiger Rocker, der an Annie Taylor erinnert, aber gut und gerne auch aus dem staubigen US-Midwesten stammen könnte. Und mit «Long Live Barbaress» gibt es abgespacten Psychedelic Stoner à la Monster Magnet. Glorreich.
Abwechslung wird bei The Attycs also grossgeschrieben. Sei es ein stellenweise orientalisch angehauchter Surf-Rock-Track wie «Wiz Hen Long», eine komplett aus dem Ufer laufende Huldigung an den Wels wie «Oklahomie» (siehe auch das glorreiche Video unten) oder punkige Garage-Perlen wie «Run Away» oder «Emo Chicks». Der Band gelingt es bei all der Variation stets, voll und ganz sich selber zu bleiben. Der kuriose Humor der Drei passt genauso gut, wie die oft zu dritt vorgetragenen Vocals. Speziell die Stimme des neusten Bandmitglieds, Bassistin Malaïka, macht sich hervorragend im Mix zwischen Drummer Sandro und Fuzzmeister Tim.
Zwei Songs müssen noch hervorgehoben werden: zuerst wäre da der grossartigste Songtitel aller Zeiten, «Kapitalistischer Kuhbube»! Dazu gibt es ein tierisch rockendes Punkrock-Brett, das vorzüglich Spass macht, erst recht, wenn gegen Ende noch ein Banjo und Stepptanz (!) zum Einsatz kommen. Auf der völlig gegenüberliegenden Seite haben wir «Behind The Mask», ein fast sechsminütiges, psychedelisches Stoner-Meisterwerk, welches sich dank zentnerschweren Riffs, hallendem Gesang und einem wundervoll sphärischen Mittelteil mit den ganz Grossen des Fachs messen kann. Unglaublich, was The Attycs hier alles abfeuern!
Ganz wie sie es schon auf der Bühne bewerkstelligen, sind The Attycs auch auf Platte ein wildes, unberechenbares Feuerwerk an kreativen Ideen und tollen Songs. Mit viel Humor und massig Talent legen die Drei die Messlatte verdammt hoch für unsere heimischen Musikschaffenden. Und einmal mehr steht fest: der vermaledeite Rock lässt und lässt sich nicht totkriegen, egal ob in der Garage oder sonst wo. Gut so!