Band: Terrorgruppe
Album: Jenseits von Gut und Böse
Genre: Punk
Label: Destiny Records
VÖ: 26. Juni 2020
Webseite: terrorgruppe.com
Es war der 13. März 2003 im altehrwerten Sommercasino in Basel. Ich war gerade mal zarte 15 Jahre alt und meine wundervollen Eltern sahen offenbar kein Problem darin, mich allein und unbeaufsichtigt an ein Punk-Konzert gehen zu lassen. Nicht nur durfte ich da meine ersten schmerzhaften Erfahrungen mit Stagediving machen, viel wichtiger war, dass damals niemand geringeres als die vorzügliche Terrorgruppe auf der Bühne stand.
Nun schreiben wir das Jahr 2020 und genau diese Terrorgruppe hat (nach ein paar Besetzungswechseln) tatsächlich eine neue LP am Start. Das wunderschöne lila Album, welches ihr achtes und versprochenermassen allerletztes ist, hört auf den bedeutungsvollen Namen “Jenseits von Gut und Böse” und bringt uns nach eigener Aussage Punk, der wieder weh tut. Musik für U-Bahnschubser, Musik, mit der die Gesellschaft noch weiter auseinanderdriften kann.
Das fast schon epochale “Suizidoption” eröffnet das Werk. “Du kannst dich ja auch einfach nur umbringen”, empfiehlt der liebe MC, dazu Musik, die 30 Seconds To Mars nicht schöner hätten schreiben können. Dann gibt es den Aggropop, den wir uns von der Terrorgruppe gewohnt sind. Ganz so schnell, aggressiv und punkig wie damals sind die Jungs schon lange nicht mehr, auch das Reunions-Album “Tiergarten” bereitete in 2016 den Weg bereits dafür vor. Vollgas-Nummern werden durch Mid-Tempo, hart verzerrte Drei-Akkorde-Riffs durch kratzige Distortion-Effekte, dissonante Saxophoneinsätze und Surforgeln ersetzt. Die Terrorgruppe hat ihren Musikstil über all die Jahre hinweg perfektioniert und es gibt kaum eine andere Band, die es wie sie vermag, gleichermassen eingängige wie eigenwillige Melodien zu schreiben.
Die manchmal wütenden, lustigen, tiefgehenden und manchmal komplett infantilen Worte und Geschichten des MCs tun ihr Übriges. Selbst wenn man sich bei manchen der Texte auf “Jenseits von Gut und Böse” an den Kopf fassen muss, versteht er es halt doch, eine Sache wie kein zweiter auf den Punkt zu bringen. Mein Highlight des Albums, das rasante “Alt + Delete”, beklagt, dass heutige Politiker alle überaltert sind. Dabei wird diesen Menschen in guter MC-Manier vom Führerscheinentzug bis zum Tod alles gewünscht, aber Zeilen wie “Wähl keinen über 60, du lässt dir ja auch nicht von deiner Oma deine Spotify-Playlisten zusammenstellen”, zeigen immer noch, was für ein Meister der Feder er ist. Der Humor geht nie verloren. Auch wenn nicht jede Pointe ganz landet und die Wortwahl stellenweise etwas zu sehr aus der Kloschüssel stammt, es ist genau das, was die Terrorgruppe ausmacht.
Den fünf Berlinern ist 2020 erneut gelungen, was sich viele Bands nur erträumen. Auch nach gefühlten 1000 Jahren schaffen sie es, relevant und frisch zu bleiben und einmal mehr haben die Herren ein vorzügliches Stück Musik veröffentlicht. Ob das ganze neutral betrachtet wirklich gut oder nötig ist, das darf jede*r selber entscheiden. Diese Frage ist ohnehin irrelevant, denn wenn jemandem sämtliche Wertungen und Kommentare komplett egal sind, dann der Terrorgruppe. Darum: auflegen, aufdrehen und durchdrehen.
Tracklist:
1. Suizidoption (Prolog)
2. Sinnlose Beleidigungsstrategien gegen Fabelwesen (egal ob euch das passt)
3. A.D.H.S
4. Der Trottel (Oi,Oi,Oi)
5. Fettes betrunkenes dummes Schwein
6. Lastwagenfahrer
7. Ein Führer wird kommen
8. Männers
9. Alexandra
10. Alt + Delete
11. Nestle (oder weiss hier jemand, wie man dieses Scheiss-Häkchen übers e macht?)
12. Easy Jet
13. Krieg ist super
14. Zusammenstehen
15. Alles wird gut (Bonus)
16. Atomschlag gegen Klimawandel (Bonus)
17. Langweilig (Bonus)
18. Gesundes Volksempfinden (Bonus)
Bandmitglieder:
MC Motherfucker – Gesang und Gitarre
Johnny Bottrop – Gitarre
Zip Schlitzer – Bass
Kid Katze – Schlagzeug
Eros Razorblade – Keyboards, Piano und Saxophon
Gründung:
1993
Text: David Spring