15. November 2018
Im Gespräch mit: Eric Bass (Bass) von Shinedown.
Shinedown veröffentlichten im Mai diesen Jahres ihr neues und sechstes Studioalbum „Attention Attention„, welches stärker daher kommt als ihr Vorgänger und das wohl stärkste Album der Band ist, seit dem 2008 veröffentlichten „The Sound Of Madness“. Im Rahmen ihrer Europa-Tour machten Shinedown auch in der Schweiz Halt und spielten vor ausverkauftem Haus im Z7. Vor dem Konzert unterhielt sich ARTNOIR mit Bassist Eric Bass zur Tour, dem neuen Album und wie Iron Maiden das neue Werk beeinflusste.
Madeleine: Vielen Dank für die Möglichkeit für das Interview und dass du dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Es ist grossartig euch wieder hier zu haben – wie geht es euch? Wie läuft die Tour bisher?
Eric: Ja, es ist grossartig, zurück zu sein. Die Tour läuft toll: UK ist komplett ausverkauft und fast auch alle Europa-Shows. Es ist fantastisch und fühlt sich so an, als ob sich die harte Arbeit nun auszahlt.
Es ist schon eine Weile her, seit ihr für eine Headline-Show hier in der Schweiz wart, war diese war 2012 im Plaza in Zürich. Was erwartet ihr heute Abend von der Show?
Wir haben dieses Jahr am Greenfield in Interlaken gespielt, es macht immer Spass, neue Gesichter und neue Menschenmengen zu sehen und zu beobachten, wie die verschiedenen Kulturen anders auf Rock´n´Roll-Shows reagieren. Manche sind wilder und verrückter. Ehrlich gesagt, war am Greenfield das Publikum sehr verrückt. Es war wirklich sehr schön und sowas in der Art erwarten wir auch heute Abend.
Ich denke, es ist etwas anders, da es eine Headline-Show ist, oder? Die Leute kommen speziell hierher, um euch live zu sehen. Auf den Festivals ist das Publikum eher gemischt und es ist vielleicht schwieriger für eine Band, die Leute in Stimmung zu bringen.
Hm, ich weiss nicht. Wir neigen dazu, mit dem Publikum ziemlich unnachgiebig zu sein. Wir akzeptieren kein „Nein“ als Antwort (lacht), alle wollen ja letztendlich eine gute Zeit haben. Aber ja, es macht immer viel mehr Spass, Headline-Sets zu spielen, da diese länger sind. Auch versuchen wir, jeden Abend die Setlist neu zu mischen, so dass es nicht immer dasselbe ist. Wir haben bestimmte Abschnitte, welche wir anders zusammenstellen und wählen immer einen neuen Song aus, den wir akustisch spielen, welchen wir vielleicht schon lange nicht mehr gespielt haben und die Leute vielleicht mal wieder hören wollen. Es ist toll, sowas zu machen. Bei einem Festival ist es sehr stressig und man hat nur sehr kurz Zeit, um die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Besonders für jemanden, der uns noch nie live gesehen hat, ist es vielleicht sehr überraschend, das lieben wir. Wir machen zwei Dinge wirklich gut, wir spielen zum Beispiel in einer Location der Grösse von heute Abend und wir lassen dieses Konzert, als wäre es in einer Arena, wirken. Wir lassen es gross erscheinen. Anders herum können wir auch in einer grossen Arena rocken und Intimität versprühen. Brent (Smith, Sänger) geht auf Tuchfühlung mit dem Publikum und erzählt oft etwas. Wir sind ziemlich demütige Leute und sind schlussendlich nur da, um jedem eine Erfahrung zu bieten.
Gerne möchte ich dir noch ein paar Fragen zu eurem neuen Album „Attention Attention“ stellen, welches ihr im Mai veröffentlicht habt. Einige Reviews, welche ich gelesen habe darüber, bezeichnen das Album als sehr stark und als ein Meisterwerk.
Oh wow, das ist sehr nett!
Was sind die bisherigen Rückmeldungen auf das Album, welche ihr so bekommt?
Eigentlich ähnlich. Viele Leute sagen, dass es die stärkste Platte ist, die wir seit „The Sound of Madness“ gemacht haben. Manchmal, wenn du an einer Platte arbeitest, weisst du das, was du machst, nicht zu schätzen oder du verstehst in dem Moment noch nicht, was oder wie es sein wird, wenn die Platte am Ende veröffentlicht wird. Und das war diesmal für uns das Gegenteil. Ich erinnere mich, dass ich mit Brent bei den Aufnahmen im Studio zusammengesessen und darüber gesprochen habe. Es fühlte sich wirklich als etwas Besonderes an. Dies wegen der Themen auf dem Album und die Art und Weise, wie die Songs miteinander verknüpft sind und zusammenwirken. Manchmal macht man ein Album, bei dem es zwar vielleicht viele gute Songs gibt, aber du hörst dir einen Song der Platte an und dann einen anderen und man hat das Gefühl, dass sie trotzdem nicht zusammengehören. Das war anders, es fühlte sich an, als wollten alle Songs zusammen in der gleichen Welt leben. Diesen Effekt haben wir selten so schon empfangen.
Dies ist vor allem so, weil es ein Story-Album ist, aber nicht ganz ein Konzeptalbum. Das Album erzählt durchgehend eine umfassendere Geschichte und ich denke, die Leute haben sich wirklich mit dem Inhalt der Platte identifizieren können. Sie haben sich in den Themen der Songs wiedergefunden und diese zu ihren gemacht. Unsere Fans sind die wahren Kritiker und nicht irgendwelche Magazine. Eine übergeordnete Thematik ist, wie sehr dieses Album ihnen hilft, und es ist auch eine Art Therapie für uns, wenn wir die Songs schreiben.
Ja, ich denke, dass Musik sehr viel bewirken kann und für viele eine enorme Bedeutung hat.
Wir glauben immer daran – das ist unsere eigene persönliche Meinung und jeder sieht das anders – dass die Musik da ist, um einem zu helfen. Musik ist wie ein Soundtrack für alles, was man gerade durchmacht oder für einen bestimmten Lebensabschnitt. Und es könnte genau heute in zehn Jahren sein, dass wir einen neuen Soundtrack mit neuen Songs schreiben. Das ist auch der Grund dafür, weshalb wir nicht über Politik schreiben oder durch unsere Musik ausdrücken. Das ist nicht unser Ziel und wird es nie sein. Man sollte nie versuchen, jemanden irgendwie dazu zu bringen, sich zu so zu fühlen, wie man sich selbst fühlt oder etwas zu sagen, was man selbst sagt. Für uns ist Musik etwas, um Menschen zusammen zu bringen. Dies klingt vielleicht sehr idealistisch, aber ich glaube, wenn wir nicht so denken würden, könnten wir nicht das erreichen, was wir erreichen wollen. Musik sollte eine Verbindung sein und Menschen vereinen.
In der Band sprechen wir oft über zwei Worte und diese sind „Perspektive“ und „Einfühlungsvermögen“. Viele Menschen auf dieser Welt, gerade in den Vereinigten Staaten, sind so wütend aufeinander, über die Politik und über andere törichte Dinge. Ich denke, dass vieles davon kommt, dass sich niemand Gedanken um die Perspektiven des anderen macht. Was die andere Person in ihrem Leben erlebt hat. Diese Person hat sich diese Meinung aus einem bestimmten Grund gebildet. Besser ist, herauszufinden, warum diese Person dieser Ansicht ist und vielleicht etwas Zeit mit ihr zu verbringen, um deren Ansicht besser zu verstehen. Ich sage nicht, dass wir mit der Meinung oder Ansicht einer Person einverstanden sein müssen, aber vielleicht verstehen wir die Person dann besser. Und die empathische Seite ist genau dies, das Mitgefühl für andere Menschen, lieber das, als sie niederzumachen oder sie anzuschreien. Das ist genau das, um was es bei Shinedown geht, die Menschen zu vereinen, anstatt sie zu trennen. Wir haben eine so vielfältige Fangemeinde und wir sehen das jeden Tag, wir sehen Menschen aus allen Kulturen, aller Farben, aller Religionen und wir begrüssen sie alle. Dies nicht nur, weil sie Fans unserer Band sind, sondern weil sie Menschen sind. Wir erzählen Geschichten und in denen es um uns oder um Dinge geht, die uns passiert sind. Um Erfahrungen, welche wir dann in etwas Positives oder zu etwas Besserem umwandeln konnten.
Das Konzept- oder Story-Album handelt von der Entwicklung von Individuen und auf dem Album ist gut zu erkennen, wie es von der eher dunklen und schweren Seite in etwas Positiveres geht und optimistischer wird. Mit welchem Song würdest du sagen, dass diese Veränderung oder Entwicklung passiert?
Es gibt verschiedene Erkenntnisniveaus durch das Album hindurch. Auf dem Album und in den Songs geht es im Wesentlichen um den Drogenmissbrauch, Alkoholmissbrauch und die Probleme von Brent und um meine Depression. Einiges fühlte sich symbiotisch an und vieles meiner Depression wurde dadurch verursacht, dass mein Freund in diesen Situationen war. Vieles kam davon wie wir versuchten, ihm da raus zu helfen. Dies waren sehr dunkle, sehr schwere Zeiten und jeder Song ist eine daraus resultierende Erkenntnis und zeigt einen anderen Moment auf. Einige Songs handeln auch davon, andere Leute zu beschuldigen, wie zum Beispiel „Pyro“.
Ok, in der Art „weil sie das oder jenes nicht gemacht haben, fühle ich mich jetzt so, bin ich jetzt in dieser Situation etc.“ …
Ja, genau. Ein Wendepunkt stellen für mich die Songs „Creatures“ und „Darkside“ dar. In „Darkside“ geht es darum, dass die Person einfach mit allen redet. Du willst wissen, wie durcheinander das alles wirklich ist und wie verkorkst du bist. Die Person sagt zu anderen: „Hey, komm mit in meinen Kopf und schau dich um.“ „Creatures“ trägt diese Erkenntnis weiter und zeigt den Versuch auf, die Ursache zu finden. „Creatures“ handelt tatsächlich auch über uns Vier, über die Band. Weil, wenn wir nicht beschäftigt bleiben, nicht weiter touren, nicht weiter in einer Regelmässigkeit das tun, zusammenbrechen und uns selbst verlieren. Wir sind alle Gewohnheitstiere, wir wissen nicht, wie wir handeln sollen, wir wissen nicht, was wir tun sollen in den Leerstellen.
Und genau hier befindet sich auch der Wendepunkt, wenn du benennen kannst, dass du ein Problem hast, wenn du erkennst und zugeben kannst, dass du ein Problem hast und dann die Lösung dazu zu finden. Darauffolgend kommt ein Song wie „Get Up“, um sich aufzuraffen und aufzustehen. „Evolve“ handelt natürlich von der Evolution, der Weiterentwicklung, Dinge und sich selbst in Ordnung zu bringen. Auch wenn man dann allenfalls in die Depression zurückfällt, wie auch wieder „Get Up“ erzählt, dass man vorausschauend handelt, also proaktiv ist. Somit ist genau dies der Wendepunkt im Album, mit diesen Liedern.
Wie waren die Aufnahmen und Produktion des Albums für dich, da du das erste Mal ein komplettes Shinedown-Album produziert hast? Wie war das für die Band?
Ich habe auf anderen Alben auch schon einzelne Songs für die Band produziert, wie unter anderem „Cut The Cord“ oder „Diamond Eyes“. Auch habe ich schon Sachen im Studio wie iTunes-Akustik-Sessions oder anderes für die Band produziert oder auch Demos für Songs und Alben aufgenommen. Bevor wir mit den Aufnahmen angefangen haben, habe ich den anderen gesagt, dass sie mit mir etwas geduldig sein müssen und dass sie einfach auf mich hören sollen. Ich habe grossen Respekt vor den anderen drei und es bedeutete keinesfalls, dass ihre Leistung schlecht war, als ich sie gewisse Stellen immer wiederholen liess. Es bedeutet nur, dass sie es halt noch einmal spielen müssen, weil ich etwas Bestimmtes hören will. Diese Unterhaltung hat schon lange vor dem Start der Aufnahmen stattgefunden und danach gab es eigentlich keine Probleme mehr. Es wird nie ganz möglich sein, ein Album gänzlich, ohne jegliche Konflikte oder Diskussionen zu machen. Dies passiert einfach, aber das ist in jeder Gruppe so. Ich finde, wir haben uns gegenseitig gut unterstützt und waren uns selbst. Wir lieben uns alle. Wir haben nicht wirklich interne Dramen in der Band, jedenfalls nichts Massives.
Ihr seid in der Vergangenheit mit vielen grossartigen Bands auf Tour gegangen, wie zum Beispiel mit Iron Maiden, Godsmack oder Five Finger Death Punch. Wie war das für euch?
Das mit Iron Maiden war anders, sie sind wahre Legenden in unseren Augen. Das Maiden-Publikum war fantastisch, die Band war mit uns sehr übereinstimmend. Sie haben sich super um uns gekümmert, waren sehr nett, auch die Crew war unglaublich. Eddie zum Beispiel, der Gitarrentechniker von Iron Maiden, ist zurzeit auch mein Gitarrentechniker. Das Iron Maiden Publikum hat auch „Attention Attention“ sehr beeinflusst.
Vor Beginn der Tour hatten wir gerade mal so fünf bis sechs neue Songs geschrieben, haben aber dann die Support-Tour mit Iron Maiden gemacht. In den USA wurde uns oft von vielen Leuten der Musikindustrie gesagt, dass der Rock´n´Roll tot ist, dass die Gitarren keiner mehr hören will. Es dreht sich fast nur noch alles um Popmusik, Hip-Hop, Rap oder R&B. Schwierig, da wir versuchten, unsere Fanbase zu vergrössern. Das Genre wird nicht so respektiert, wie es sollte. Die Grammy-Awards zum Beispiel haben gerade mal zwei Auszeichnungen für Rockmusik, und diese zeigen sie nicht mal mehr im Fernsehen. Es ist so, als ob es nicht existiert. Und dann kommst du hierher nach Europa und tourst mit einer Band wie Iron Maiden und jeden Abend siehst du die Liebe dieses Publikums und auch junge Leute unter ihnen. Und sie sind begeistert, sie singen jeden einzelnen Song mit, singen jede Textzeile mit. Die Liebe, die das Maiden-Publikum uns gab haben wir so nicht erwartet.
Wir hörten diese schrecklichen Geschichten über Bands, die vor Iron Maiden spielten und vom Publikum ausgebuht und mit Dingen beschmissen wurden. Also wussten wir nicht, was genau uns da erwartet und jeden Abend, nach dem dritten oder vierten Song, hatten wir das Maiden-Publikum in der Tasche. Und sie streckten die Fäuste in die Luft, sangen und sprangen … das war einfach toll! Ihnen gefielen unsere Show und Musik. Diesen Geist des Maiden-Publikums und der Musik von Iron Maiden nahmen wir dann mit ins Studio. Wir haben uns dann gesagt, „hey, lass uns mit Stolz eine Rock-Band sein, mit lauten Gitarren und mit gewisser Aggressivität“. So haben wir dann auch Songs wie „Brilliant“, „Devil“ oder „Pyro“ geschrieben. Die Erfahrungen und die Erlebnisse mit Iron Maiden auf der Tour, haben somit wesentlich das Album beeinflusst.
Wow, vielen Dank für das tolle Gespräch.
Interview: Madeleine Fuhrer