Datum: 25. Oktober 2012
Ort: Luzern – Kleintheater
Bands: Pigor singt, Benedikt muss begleiten
„Wer im Grossen siegen will, sei im Kleinen fleissig; von eins, zwei kommt man zu drei, von dem Drei zu Dreissig“. Ungefähr das dreissigste Mal kam der preisgeschwängerte Kleinkunstvirtuose Pigor (und Eichhorn und seine zwei Jazzmusiker-Frischlinge) in die Schweiz. Das Kunterbunt offerierte wie gewohnt leckerste Kabarettleckerbissen, füllte hiesige Schauspielhäuser, zeterte, weinte, provozierte, spu(-c)kte, frohlockte und tänzelte, leider aber ist dessen Helvetien-Tournee – zumindest für dieses Jahr – Geschichte.
Dass Pigor wieder kommt, das steht ausser Frage und zaubert allen Freunden des guten Geschmacks ein Lächeln ins Gesicht. Nachfolgendes Interview mit dem „humorgespickten Theater-Störtenbecker“ sicherlich ebenso. Vorhang auf!
Cyril: Eure Schweiz-Tournee habt ihr erst eben abgeschlossen. Wie zufriedenstellend ist es gelaufen, wo ist Volumen 7 am besten/schlechtesten angekommen?
Pigor: Die Schweiz ist immer ein Highlight im grauen Tourneealltag. Wir hatten rauschende Auftritte, haben neue Sachen ausprobiert und mit den Zuschauern nach dem Konzert gefachsimpelt. Ab und an wohl etwas zu lange. Da gab es zuweilen am darauffolgenden Abend ein Konzert, das dann nicht ganz so peppig ausfiel wie die anderen… wegen unserer Katerstimmung. Pardon, Schweiz. Kommt sicher wieder vor.
Cyril: Apropos Volumen 7. Neu beherbergt ihr zwei weitere Bandmitglieder aus der Jazz-Welt. Was führte dazu, ist Pigor & E. in der Moderne nicht mehr in der Lage, das Publikum alleine zu zweit zu begeistern oder gehören solche Neuerungen einfach in der Kleinkunst dazu?
Pigor: Mit anderen Musikern zu arbeiten, ist immer eine Bereicherung. Man wird mit einer anderen Musikalität konfrontiert und lernt was dazu. Unser Schlagzeuger Emanuel Hauptmann ist ein Jazzman durch und durch und erschliesst mir neue rhythmische Dimensionen. Aber er lernt auch was bei uns, so ist es nicht.
Cyril: Worauf können wir uns – ob in ferner oder naher – Zukunft freuen? Gibt es Änderungen, Ausrichtungswechsel oder gar Bremsspuren?
Pigor: Wir überlegen zur Zeit, ob wir mal wieder ein Programm zu zweit angehen sollten. Das bedeutet eindeutig, mehr Aufmerksamkeit für den Text, mehr schauspielerische Herausforderung, dafür weniger Fusswippen… Und man lernt keinen Jazz dabei… Mal schauen, was für Songs bis zur nächsten Premiere so entstehen. Dann entscheiden wir, welche Instrumentierung sie brauchen.
Cyril: Du trägst ja ganz viele (Arbeits-)Hüte, was dir einerseits Abwechslung gibt, anderseits wohl aber auch das wirtschaftliche Überleben sichert. Wie gut lebt es sich eigentlich als Pigor?
Pigor: Das Problem mit dem guten Leben ist, wie bei vielen Selbstständigen, die mangelnde Freizeit. Wir sind halt besessen von unserem Zeug und dafür Tag und Nacht auf Achse, gerade an den Wochenenden. Drei Wochen Urlaub am Stück, das kommt bei mir alle 5 Jahre vor… Selber schuld, sagen meine Freunde und haben Recht. Und Tim Fischer (Anm. d. Red.: deutscher Chansonnier/Schauspieler) sagte mir mal: „Keine Auszeit nehmen ist unprofessionell“. Ich versuche mich zu bessern.
Cyril: P & E steht für Pigor & Eichhorn, aber auch für Price & Earning. Welches Kursgewinnverhältnis (aktuelles UND vorausgesagtes) geht denn eigentlich mit euch einher?
Pigor: Wir sind kein Mega-Seller aber dafür ein Long-Seller. Wir suhlen uns in unserer Marktnische mit einigen Ausflügen in die grosse weite Welt. Aber ich denke, unsere Erwartungen an unsere Gewinne sind realistisch: Also PEG 1.
Cyril: Wie steht es allgemein um die Kleinkunstszene, was hat sich in letzter Zeit negativ wie auch positiv gewandelt?
Pigor: Der Comedy-Boom flaut zum Glück langsam ab, es gibt junge Musikkabarettisten wie Sarah Hakenberg, Uta Köbernik, Luna-Tic, Sebastian Krämer oder Marco Tschirpke, die die Szene bereichern. Es freut uns, wenn sich das Genre weiterentwickelt und angesagt bleibt. Auch das Catering wird immer besser und ist in der Schweiz sowieso unschlagbar. Nö, eigentlich nichts Negatives.
Cyril: Verbal flechtest du in einem deiner Chansons des Monats ‚Kommentarspaltenwüstlinge‘ aufs Rad. Sind jene schlimmer als die ewig(-gestrigen) Leserbriefeschreiber? Wo liegt der Unterschied?
Pigor: Mental ist der Unterschied vielleicht gar nicht so gross, aber erstens ist die Hemmschwelle draufloszuschreiben in den Kommentarspalten eine geringere und zweitens gibt es in nicht-moderierten Foren so gut wie kein Halten mehr. Ich habe für meinem Song „Deutschland ist draussn“, der das Ausscheiden der deutschen Fussballnationalmannschaft in internationalen Turnieren ironisierte, 2x Vaterlandsverräter ,1x Fresse-polieren und 1x Dieser-Mann-soll-bitte-sterben bekommen. Es gibt auch Menschen, die sich ganz konkret wünschen, dass mir eine Ader im Gehirn platzt und ich den Weg allen (sic!) Irdischen gehe. Das hätte keine Zeitung gedruckt.
Cyril: Wenn du aus Gesellschaftssicht eine Positiventwicklung und eine Negativentwicklung in die Waagschale werfen müsstest, was würdest du werfen und zu welchem (Un-)Gleichgewicht käme es?
Pigor: Positiv finde ich unter anderem, dass sich seit den siebziger Jahren trockene, knackige Bässe in der Popmusik ihren festen Platz erobert haben. Bei den alten Platten musste man immer den Bassregler hochdrehen und dann wummerte es. Negativ ist etwa das skandalöse, unverhältnismässige Anwachsen grosser Vermögen gegenüber den mittleren und kleinen Vermögen in den letzten zehn Jahren. Jetzt also die Gegenfrage: Was wiegt schwerer?
Cyril: Müsstest du aus deinem Song-Repertoire ein Medley formen, welche Lieder kämen rein?
Pigor: Das kommt drauf an. Ein Jazz-Medley, ein Kabarett-Medley oder eines zum Tanzen oder eines nur für mich alleine? Meine Lieblingssongs wechseln ständig. Oft ist es der letzte, den ich geschrieben habe …
Cyril: Hierzulande wird gerade medial gepoltert, Paare hielten mehr Hunde und täten nicht eigene Kinder denken. Stelle dir vor, du wärest zeugungsunfähig und könntest aber Eichhorn adoptieren. Würdest du?
Pigor: Ich bin zeugungsunfähig. Und hab ich ihn adoptiert? Nein!
Text: Cyril Schicker
Bild: Franziska Schicker
Text: Cyril Schicker
Bild: Franziska Schicker