23. September 2017
Im Gespräch mit: Tobin Esperance von Papa Roach
Papa Roach sind zurück! Anlässlich ihres neunten Studioalbums „Crooked Teeth“ touren die vier Kakerlaken-Väter wieder durch Europa – und liessen dabei einmal mehr auch die Schweiz nicht aus. Doch bevor die Band in der Winterthurer Eulachhalle ihre energiegeladene Show zum Besten geben konnte, schnappten wir uns Bassist und Songwriter Tobin Esperance (37) zum Interview.
Andrea: Hallo Tobin! Schön, dich kennenzulernen. Da wir hier in der Schweiz sind, wollen wir dir auch gleich zu Beginn ein kleines Geschenk überreichen: Echte Schweizer Schokolade.
Tobin: Oh, wow! Vielen Dank! Ich verspreche euch, dass ich sie mit meinen Bandkollegen teilen werde.
Was hältst du von der Schweiz?
Ich liebe die Schweiz! Die Lebensqualität hier ist toll, alles ist sehr sauber. Das Land und die Berge sind einfach wunderschön und auch die Leute hier sind sehr nett und herzlich.
Kannst du mir ein Wort in Schweizerdeutsch sagen?
Leider nein – du müsstest mir eines beibringen!
Wie wäre es mit „Chuchichäschtli“?
Chukikastli. (Stille) Was habe ich da eigentlich gerade gesagt?
Küchenschrank.
Ah, ich verstehe! (Tat er dann irgendwie doch nicht so ganz. Nach einer mehrminütigen Diskussion über Küchenschränke und deren verschiedenen Sprachbezeichnungen beschlossen wir schliesslich, dieses spannende Thema abzuhaken und uns auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren: die Musik!)
Am 19. Mai ist euer neues Album „Crooked Teeth“ erschienen. Meiner Meinung nach habt ihr euch mit der Scheibe, die ein Mix aus „Infest“ und „Getting Away With Murder“ ist, selbst übertroffen. Wie seid ihr auf die Idee für dieses Album gekommen?
Oh, cool, danke! Ich mag es ebenfalls sehr. Wir haben uns nach dem letzten Album und der darauffolgenden Tour eine Auszeit gegönnt und sind nicht gleich wieder ins Aufnahmestudio gerannt. Uns war es wichtig, das neue Album genau zu planen. Wir wussten aber, dass es nicht wie die Alben zuvor und auch mit anderen Produzenten aufgenommen werden soll. Und so kam es, dass wir die erste Zeit damit verbrachten, in unserem Studio rumzuhängen, einfach zu jamen und eine gute Zeit als Band zu haben. Gemeinsam mit unserem Freund, dem Produzenten Jason Evigan, feilten wir anschliessend am neunen Song „Born For Greatness“, der einer der ersten war, die wir fertigstellten.
Aber nicht Jason Evigan hat euer neues Album produziert, sondern Colin Brittain und Nicholas Furlong. Wie kam es dazu?
Ursprünglich wollten wir „Crooked Teeth“ eigentlich mit Jason Evigan aufnehmen. Da dieser jedoch auch Produzent weltbekannter Popstars ist, war er leider zu beschäftigt. Also beschlossen wir, uns auf die Suche nach frischem Blut zu machen und nach einem jüngeren Produzenten Ausschau zu halten. Und so stiessen wir dann auf Colin Brittain und Nicholas Furlong, mit denen wir gleich vom ersten Tag an eine super Verbindung hatten. Nach dem ersten Song „My Medication“ entschieden wir uns, das ganze Album mit ihnen zu produzieren. Die beiden hatten übrigens bis dahin nur vereinzelte Songs produziert und noch kein ganzes Album. Die Zeit mit den Jungs war einfach genial!
Wie stark war der Einfluss der beiden Jungs in die musikalische Richtung von „Crooked Teeth“?
Colin und Nicholas waren schon immer angetan von unserer Energie, den Beats und den Rap-Einlagen unseres Sängers Jacoby (Shaddix). Das motivierte uns sehr, denn genau diese Elemente machen Papa Roach aus. Mit Einflüssen aus Funk, Punk-Rock und Hardcore ergänzten sie „Crooked Teeth“ durch einen modernen Touch.
Würdest du den Aufnahmeprozess von „Crooked Teeth“ anders als bei den vorherigen Alben beschreiben?
Wir nahmen die Songs diesmal in einem richtig kleinen Studio ohne viel Schnickschnack auf, hatten riesigen Spass, musizierten, tranken Kaffee und rauchten Gras (grinst zufrieden). Dabei entstanden dann nacheinander die einzelnen Songs.
„Crooked Teeth“ handelt von der sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung. Warum habt ihr euch für ein so ernstes Thema entschieden?
Viele unserer Freunde waren im Krieg. Wir finden, dass diese Menschen nach ihrer Rückkehr nach Hause nicht die richtige Behandlung und Wertschätzung erhalten, die sie für eine psychische Verarbeitung bräuchten. Sie werden einfach ins normale Leben zurückgeworfen und müssen mit diesen traumatischen Erlebnissen klarkommen.
Der Song „Crooked Teeth“ handelt genau von diesem Kampf, den diese Menschen durchmachen müssen. Mit dem Song und dem neuen Album möchten wir den Leuten folgendes sagen: Wir feiern eure Schwächen, habt keine Angst euch selbst zu sein! Jeder Mensch hat Probleme, Geheimnisse und Unsicherheiten, die ihn beschäftigen und die er an sich selbst nicht mag. Habt keine Angst eure Sorgen mittzuteilen und darüber zu sprechen! Niemand ist perfekt und all die Leute, die das ständig behaupten, erzählen einfach nur gequirlte Scheisse!
Der Song „Periscope“ wird von der Sängerin Skylar Gray gefeatured. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Als wir mit den Aufnahmearbeiten von „Periscope“ fertig waren, dachten wir: Das ist der perfekte Song, um von einer Frauenstimme ergänzt zu werden. Denn nur dadurch würden wir diese gewisse Sexiness mit in den Song bekommen. Also haben wir uns einige Sängerinnen überlegt. Skylar Gray war die erste, die zusagte, ihre Stimme aufnahm und uns die Demos schickte.
Eure Alben standen oftmals in der Kritik, auch von hart eingesottenen Fans. Ihr wärt zu kommerziell, zu poppig und einfach nicht mehr wie zu eurer Anfangszeit. Wie waren die Fan-Reaktionen auf das neue Album „Crooked Teeth“?
Alle scheinen es wirklich zu lieben! Ich glaube, die Leute haben verstanden, dass wir damit die Essenz von Papa Roach in Form von starken Beats, den Raps von Jacoby und viele eingängige Melodien eingefangen haben. Es ist ein sehr ehrliches Album, sehr rau und überhaupt nicht überproduziert. Ich denke nämlich, dass einige unsere vorherigen Alben ein bisschen überproduziert waren.
Welchen Song von „Crooked Teeth“ spielst du am liebsten live?
Momentan ist das klar „None of the Above“.
Warum?
Er ist sehr dynamisch. Am Anfang noch ruhig, beinahe unheimlich. Doch dann trifft er dich wie aus dem Nichts mitten in die Fresse und haut dich um.
Was würdest du heute machen, wenn du nicht der Bassist bei Papa Roach wärst?
Hoffentlich wäre ich dann Bassist bei Nine Inch Nails! (grinst) Das ist eine meiner Lieblingsbands. Ich habe sie mir übrigens hier irgendwo an meinem Ärmel aufgenäht (zeigt stolz auf seine mit Aufnähern bestickten Jackenärmel).
Was bedeutet Papa Roach für dich persönlich?
Für mich bedeutet Papa Roach Familie. Eine Bruderschaft. Wir kennen uns nun schon so lange. Alles begann 1993, damals waren wir alle noch blutjung. (Tobin selbst war 16 als er in der Band einstieg). Dadurch haben wir gelernt, wie man eine Band ist, wie man Songs schreibt und wie man die Instrumente richtig spielt. Wir sehen uns als grossen Energieball, der um die Welt reist und in jeder Stadt eine Verbindung zu den Menschen hat. Es ist einfach ein verdammt geiler Job!
Das glaube ich dir! Hast du es noch nie bereut, Teil einer echt erfolgreichen Rockband zu sein?
Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, ich habe schon immer von einem solchen Leben geträumt und bin überzeugt, dass es auch meine Bestimmung ist. Ich habe stets meine ganze Leidenschaft in diese Band gesteckt und ich wüsste nicht, was ich sonst aus meinem Leben machen würde.
Was würdest du heute deinem jüngeren Selbst raten?
Oh mein Gott! Da gibt es viele Dinge, die ich heute gerne anders machen würde. Dabei denke ich an Dinge wie meinen früheren Alkohol- und Drogenkonsum. Ich wünschte, ich wäre nicht so ein Arschloch zu gewissen Menschen gewesen. Aber wenn man jung ist, dann ist man oft noch sehr selbstbezogen. Ich kann diese Sachen nicht rückgängig machen, aber ich würde mir heute sagen: Hey! Fahr ein bisschen runter, SLOW DOWN! Achte darauf, was um dich geschieht. Trotzdem bin ich durch all die Erfolge und Misserfolge definitiv reifer geworden und habe aus meinen Fehlern gelernt.
Wie geht’s jetzt weiter mit Papa Roach?
Nach unserer Europatournee spielen wir einige Shows in den Staaten und verbringen dann einige Ferientage mit unseren Familien. Anschliessend beginnen wir mit einer neuen USA-Tour, die sehr bald angekündigt wird. Dort spielen wir übrigens mit einigen Bands, die bei manchen Leuten für Überraschung sorgen werden. Welche das sind, verrate ich euch noch nicht. Und nächstes Jahr kommen wir wieder für einige Shows zurück nach Europa.
Das klingt sehr interessant, wir bleiben auf jeden Fall gespannt! Vielen Dank für das Interview, Tobin!
Interview: Andrea Germann