Montag, 11. April 2022
Conor Mason (Gesang)
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Gespräch und Fotos: Miriam Ritler
Endlich war es so weit: Die britische Band Nothing But Thieves spielte am Montag, 11. April 2022 ihr langersehntes Konzert in der Halle 622 in Zürich (hier unsere Fotostrecke). Conor Mason, Sänger der Band, hat sich am Nachmittag Zeit genommen, sich mit uns über das Album «Moral Panic» zu unterhalten. Entstanden ist ein Gespräch über weit mehr als «nur» ihre Platte.
Miriam: Welcher ist dein Lieblingssong vom Album «Moral Panic»?
Conor: Auf unserem neuen Album ist ein Song mit dem Namen «Free if we want it». Mit diesem Song haben wir uns alle von Anfang an sehr verbunden gefühlt. Dieser Track war für mich eine Art Befreiungsschlag auf viele Arten.
Bei «Miracle Baby» haben wir erstmals eine Brücke zwischen zwei Genres die wir sehr lieben – natürlich Rock und Hip-Hop – geschlagen. Für den Produzenten war dies nicht immer einfach, Dom ist diese Mischung bei «Miracle Baby» aber gelungen. Wir bringen beide Genres ans Limit. Momentan experimentieren wir weiter in diese Richtung.
Die Lyrics zum Song «Phobia» sind ziemlich düster und passen gut in die heutige Welt. Kannst du uns mehr zu der Geschichte dahinter erzählen und um was es geht?
Wir als Band lieben es, unsere Lyrics so zu schreiben, dass es viel Raum für eigene Interpretationen gibt. Jeder sollte die Geschichte auf Grund der eigenen Erfahrungen, zu seiner eigenen machen können. Wenn mir der Song viel bedeutet, ist es immer ernüchternd, wenn ich die eigentliche und meist andere Geschichte dahinter höre. Für mich persönlich geht es in im Song um das Kämpfen mit der psychischen Gesundheit im heutigen Umfeld. Jeder hat innere Kämpfe mit sich selbst und seine Baustellen. Der heutige Zeitgeist macht vieles davon nicht einfacher.
Der Kontrast zwischen dem Alltag und dem Tourleben gehört auch dazu. Konzerte zu spielen ist eine schnelllebige Zeit, man fühlt man sich wie im falschen Film und das Gehirn braucht eine Weile um sich an das «neue Leben» zu gewöhnen.
Es fühlt sich wahrscheinlich wie ein Traum an.
Noch heute kann es passieren, dass ich «Phobia» auf der Bühne singe und mich innerlich kaputtlache und denke: «Wo bin ich hier gelandet.» Die Pandemie hat das verstärkt. Drei Jahre lang war alles viel langsamer und plötzlich wieder unterwegs zu sein ist merkwürdig.
Wie schwierig ist es in der heutigen Zeit als Künstler sich selbst zu sein?
Ich versuche nicht als Künstler etwas zu sein oder darzustellen, ich bin ich selbst. Wenn ich von mir als Person viel in meine Musik gebe, beeinflusst mein Wesen mich als Künstler. Das geht Hand in Hand. Ich warte ab bis ich inspiriert bin und dann klappt es, da wird nichts forciert.
Egal ob man berühmt ist oder nicht, finde ich es wichtig, dass man sich ab und zu aus dem Beobachtungfeld anderer Menschen zurückzieht. Man muss nicht alles preisgeben und mit allen teilen, sonst wird es schwierig selbst zu wachsen und seinen eigenen Weg zu gehen. Ich versuche bewusst immer wieder auf Social Media zu verzichten. Das hilft mir, mich zu fokussieren und ist sehr befreiend. Je mehr ich die künstlerische Arbeit erzwingen möchte, desto mehr hindert es mich an der Kreativität.
Auf eurem Album gibt es den «Real Love Song». Welches ist dein liebster Lovesong?
Prince kommt mir sofort in den Sinn. Ich denke «Purple Rain» ist der ultimative Lovesong, da ist so viel Drama drin und es ist einfach so übertrieben – ich liebe es. (lacht)
Im Song «Free if you want it» geht es ums Loslassen. Ist es schwieriger im richtigen Moment loszulassen oder weiterzukämpfen?
Meiner persönlichen Meinung nach würde ich sagen, es ist definitiv schwieriger loszulassen. Alles was du machst, egal ob es im Job oder in einer Beziehung ist, wird zu einer Art Stockholm-Syndrom-Sache. Du lebst in deiner Komfortzone, trotz Widrigkeiten. Wenn man nicht mehr glücklich ist, ist es oft einfacher sich der Situation anzupassen und sich damit abzufinden. Oft ist die Veränderung beängstigender als sich in der momentanen Situation zurechtzufinden. Wenn man etwas loslässt und weiterzieht, erinnert man sich automatisch an die guten Teile zurück und trauert denen nach, auch wenn die schlechten Teile überwogen haben.
Wenn eure Musik eine andere Kunstform wäre, welche wäre sie?
Ein Ölbild. Ich denke es wäre ein gut durchdachtes, experimentelles, vielschichtiges Ölgemälde. (lacht)
Gab es eine Zeit in der du dir einen normalen «Nine to Five Job» gewünscht hättest oder war es für dich immer klar, dass du ein Künstler sein möchtest?
Als ich mit der Musik angefangen habe, war Künstler zu sein kein Ziel. Ich liebte es zu singen, es macht mir viel Spass. Ich war 14 als ich zum ersten Mal in einer Band war, fünf Jahre später bin ich mit dem Management in Kontakt gekommen und habe beschlossen das weiterzuverfolgen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Wenn ich nur zu Hause singen könnte oder keine Karriere als Musiker hätte, würde ich das Singen genau so lieben.
Als ich etwas älter wurde habe ich realisiert, dass es noch viel schöner ist die Leidenschaft mit Menschen zu teilen. Singen war für mich immer etwas sehr persönliches und selbsterfüllendes, jetzt weiss ich, es macht andere Menschen ebenfalls glücklich.
Im Song «There was Sun» redet ihr über das Täumen. Bist du ein Träumer oder ein Realist?
Oh, ich bin ein totaler Träumer. Aber das ist das tolle an der Dynamik in unserer Band – jeder bringt eine andere Facette in die Gruppe. Einige sind sehr gut im Organisieren und wissen in Business-Fragen Bescheid, andere wiederum sind die kreativen Köpfe. Wir sind alle Denker und wir können stundenlang zusammen reden, das ist nicht selbstverständlich. Wir fühlen uns sehr wohl miteinander und kennen uns in- und auswendig. Auf der anderen Seite sind wir auch alle ambitioniert und fokussiert.
In euren Liedern geht es oft um Gefühle. Ist es schwierig, dem Publikum viel von sich preiszugeben?
Nein, wir haben das früh gelernt. Wir schreiben ehrliche Texte, aus denen die Zuhörer:innen etwas mitnehmen können.
Als wir den Song «Graveyard Whistling» veröffentlicht haben gab es unterschiedliche Interpretationen. Der Song dreht sich grob gesagt um Atheismus und den Glauben ans Nichtglauben. Viele Menschen haben das völlig umgedreht und für sie drehte sich der Inhalt um ihre Verbindung zu Gott. Das ist ok. Solange die Musik einen glücklich macht, möchten wir diesen Interpretationsfreiraum lassen und das nicht einschränken.
Was ist das Beste am Musikerleben und was Schwierigste?
Das absolut Beste ist die chemische Reaktion, die in meinem Körper die passiert, wenn ich singe. Es ist die Mitte zwischen Spass und Schmerz, ich fühle die pure Präsenz.
Das Härteste ist der Druck von aussen. Darauf bist du nicht vorbereitet, wenn du eine Band aus Liebe zur Musik startest. Wenn deine Karriere wächst, wachsen die Erwartungen. Davon darf man sich nicht aus der Bahn werfen lassen. Es hilft sehr, dass wir ein grosses und tolles Team um uns haben. Wir sind ambitioniert und möchten dennoch Spass haben, ohne Ziele, wie etwa einen Tick-Tock-Hit landen zu müssen. Wir wollen uns treu bleiben.
Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch.