30. Mai 2017
Im Gespräch mit: Michel und Marion von den Metallspürhunden
In der letzten Zeit hat sich einiges bei den Metallspürhunden getan: Neue CD, neue Videos, Konzert – wer weiss, was noch kommen soll. Ein guter Moment, um nachzufragen:
Dietmar: Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, euch meinen Fragen zu stellen. Zur Einstimmung eine eher entspannte Frage: Wenn dein Leben ein Getränk wäre, welches Getränk wäre das?
Michel: Es wäre süss, sauer, bitter, scharf, lieblich, edel. Alles gleichzeitig und in verschiedenen Kombinationen wechselnd.
Die Metallspürhunde waren ja lange ein Duo mit „Liveunterstützung“ durch den Gitarristen Sebastian Hausmann. Dieser taucht nun auch im Kalaschnikow-Video und auch im Booklet auf. Sind die Metallspürhunde nun ein Trio? Oder werden sie sogar bald ein Quartett, wenn man bedenkt, dass Chris Fox beim nächsten Konzert euer Live-Drummer sein wird?
Sebastian hat sich mit den Jahren zu einem wichtigen und festen Bestandteil von MSH gewandelt. Bei den letzten Album-Produktionen von „Moloch“ und „Giftbox“ sind sämtliche Gitarrenparts von ihm aufgenommen worden. Aber eigentlich noch wichtiger ist die Freundschaft, die sich zwischen uns entwickelt hat. Wir haben immer einen riesigen Spass zusammen und harmonieren eben nicht nur auf der Bühne, sondern auch daneben herrlich zusammen. Glaubt uns, das ist bei weitem nicht selbstverständlich!
Chris Fox ist Drummer bei L’Âme Immortelle. Er wird uns aber immer, wenn es ihm die Zeit erlaubt, live an den Drums unterstützen. Wir haben viel Spass zusammen und er ist definitiv eine Bereicherung, sowohl auf wie auch neben der Bühne.
Im Booklet seid ihr sogar so weit gegangen, dass auch der Hörer zu den Metallspürhunden gehören würde. Inwiefern habt ihr dies gemeint?
Wir sind auf unsere Fans, oder eben auf unsere Hörer angewiesen – ohne sie würde unsere Musik nicht weitertransportiert, würden auch die Emotionen daraus nicht geteilt. Das ist unser Dank. Jeder, der unsere Musik hört, gehört zum Rudel.
Wird es wieder eine Aktion, wie z.B. wie schon mal gehabt eine Remix-Aktion, geben, bei der die Remixe der Gewinner auf eine CD gebrannt werden? Oder eine andere Geschichte, um die Fans erneut aktiv einzubinden?
Es kann durchaus sein, dass es wieder zu ähnlichen Aktionen kommen wird. Es macht uns viel Spass, uns mit den Fans auszutauschen. Aber es muss nicht zwingend wieder eine Remix-Aktion geben. Da gibt es noch viele andere Wege und Möglichkeiten.
Marion macht die Texte und von Michel kommt die Musik – habt ihr da eine etablierte Arbeitsweise? Welche Rolle kommt Sebastian bei der Entwicklung eines Songs zu?
In der Regel ist es so, dass ich die Musik komponiere und ein Melodiegerüst baue. Marion lässt sich entweder vom Song selber oder von irgendwelchen Themen, die sie beschäftigen, inspirieren und baut ein Textgerüst in das Musikgerüst. So wächst das Ganze und schmilzt zusammen. Sebastian kommt mal früher, mal später in den Prozess und überlegt sich, wie und wo die Gitarre Platz hat.
Die bisherigen Alben wurden über Danse Macabre veröffentlicht, nun seid ihr zu Trisol gewechselt.
Ja genau. Bei Danse Macabre waren wir über 10 Jahre. Wie es manchmal so ist, verschieben sich die Interessen und Vorstellungen, wie man gewisse Dinge anpackt. Man kann auch sagen, dass wir uns auseinandergelebt haben. Aber für die gemeinsame Zeit und das Erlebte sind wir äusserst dankbar. Es war sehr wertvoll! Mit dem neuen Album aber wollten wir auch einen Neuanfang wagen und da bot sich die Chance, eben bei Trisol einzusteigen, die wir unbedingt packen wollten. Wir haben es nicht bereut.
Was war euer schlimmstes und euer lustigstes Erlebnis auf der Bühne?
Marion: Schlimm ist es immer dann, wenn die Technik vor Ort nicht funktioniert und/oder der Mischer/Techniker versagt. Vor ca. zwei Jahren hatten wir mal so ein Horror-Konzert (ich sag jetzt nicht, wo), wo der zuständige Typ absolut keinen Plan hatte: Man hat nur die Hälfte aller Spuren gehört, und auf der Bühne verursachte er bei uns mit der Lautstärke fast einen Gehörschaden. Sowas ist ein Albtraum! Lustig war’s hingegen vor zwei Jahren mit Umbra et Imago auf Tour, wo wir jeweils am Ende die Zugabe gemeinsam gespielt hatten. Eines Abends standen wir also neben Mozart auf der Bühne, als während des Songs (zufälligerweise genau mit einem Paukenschlag) plötzlich wie ein Bühnenvorhang seine Hose runterfiel. Wir haben so getan, als wäre nichts, haben uns danach aber halb tot gelacht. Wir wissen bis heute nicht, ob das Absicht oder ein Versehen war.
Eure neue CD „Giftbox“ zeigt Clowns. Ich finde, dass ihr mit „Let’s Make The World Fun Again“ recht sarkastisch in das Album einsteigt. Im Kern aber, so habe ich das Gefühl, ist das zentrale Thema der CD die Angst – und dies meine ich auch im politischen Sinne. Dies kommt für mich bei Tracks wie „Kalaschnikow-Liebe“ oder „Ich sage Nein“ zum Vorschein. Auch bei „Das Geschenk“ dreht sich alles um die Angst. Liege ich mit meinen Assoziationen richtig? Wie passt das grafische „Clown/Zirkus-Thema“ mit dem Inhalt der CD zusammen? Welche Intention verbirgt sich hinter diesen Texten?
Michel: Der heutige Zeitgeist nährt sich von der Angst. Dieses Thema wird ganz stark bewirtschaftet, sei es von der Politik oder den Medien, die solche Inhalte dankbar aufnehmen. Unsere Gesellschaft wird dauerberieselt, und die Thematik setzt sich in unseren Köpfen fest. Wir schreiben oft Texte über Dinge, die wir beobachten, versuchen jedoch eine gewisse Distanz zu wahren, nicht selten durch eine Prise Sarkasmus. So, dass man fast wieder lachen muss, oder eben doch nicht. Es soll für einen Moment zum Denken anregen. Vielleicht fühlt man sich beim einen oder anderen Song sogar ertappt und verwirrt.
Marion: „Let’s Make The World Fun Again“ lehnt sich an Trumps Wahlkampfparole an, und als er gewählt wurde, habe ich einen nicht ganz ernstgemeinten Artikel mit dem Titel „Zum ersten Mal wird ein Clown Präsident“ gelesen. Daraus ist dann der Song entstanden, und es war klar, dass man das optisch mit einem durchgeknallten, diktatorischen Clown umsetzen muss. Und es passt ja auch zu Michel, live ist er ja auch ein unberechenbarer Clown, haha!
„Kalaschnikow-Liebe“ handelt eigentlich von den armen IS-Würstchen, die ihre Wumme mehr lieb haben als ihre Frauen … Ich sehe das Ganze als totalen Macho-Kult. Aber Du hast recht, viele Texte des Albums drehen sich um die Angst. „Das Geschenk“ könnte man auch als Angst vor einer fremden Kultur/Religion verstehen: Ist das jetzt eine Bereicherung oder eine Bedrohung? Das Album widerspiegelt da sicher auch den aktuellen Zeitgeist.
Euer neues Album wird ja sehr unterschiedlich aufgenommen – entweder man mag es, oder man mag es nicht. Wolltet ihr mit dem Album polarisieren?
Michel: Das ist kein erklärtes Ziel, aber uns ist es immer lieber, wenn ein Album polarisiert, anstatt allen zu gefallen. Es gibt nichts langweiligeres als Alben, die alle irgendwie ok finden. Bei uns gibt es nichts dazwischen: Entweder gefällt es, oder es gefällt eben nicht. Damit können wir gut leben.
Ich würde „Giftbox“ als ein Konzeptalbum bezeichnen wollen. Zu diesem Thema – Konzeptalbum ja/nein – gehen die Meinungen unter den Künstlern weit auseinander.
Michel: Das Album ist über die Zeit gewachsen und hat sicher einen roten Faden, der sich durch die Songs zieht. Aber vom ersten bis zum letzten Schritt liegt eine längere Zeit dazwischen, das ganze hat sich stetig entwickelt. Wir sind also nie an einen Tisch gesessen und haben uns ein Konzept ausgedacht, es hat sich vielmehr organisch so ergeben.
Haltet ihr Konzeptalben bei den heutigen, kurzlebigen Hörgewohnheiten überhaupt noch für eine gute Idee?
Marion: Die Frage setzt voraus, dass man ein Album allein für die Hörerschaft macht. Bei stark kommerziellen Künstlern mag das die Herangehensweise sein, und dann ist ein Konzeptalbum wahrscheinlich tatsächlich nicht mehr zeitgemäss bzw. erfolgversprechend. Wenn man es aber rein vom künstlerischen Aspekt her anschaut, gibt es eigentlich keine guten oder schlechten Ideen: Ein Konzeptalbum drückt einfach etwas anderes aus, es ist eine andere künstlerische Aussage. Beides hat seine Berechtigung.
Wenn wir mal einen Blick in die Zukunft wagen: Wird es zur „Giftbox“ noch weitere Videos geben, oder habt ihr geplant, aus dem Album Singles auszukoppeln?
Michel: Kürzlich wurde das Video zu „Let’s Make The World Fun Again“ veröffentlicht. Ebenso gibt es zu „Kalaschnikow-Liebe“ ein Lyrics-Video. Und ja, es kann schon sein, dass noch der eine oder andere Remix auftaucht.
Werdet ihr mit dem neuen Album auf Tournee gehen und gibt es Pläne betreffend den Auftrittsorten und der Show?
Marion: Tourdaten sind in Planung, wir lassen es euch wissen, sobald alles fix ist – checkt ab und zu unsere Website oder freundet euch auf Facebook an! Den Besucher erwartet der standesgemässe clowneske Wahnsinn à la Metallspürhunde.
Zum Abschluss hätte ich noch einige Schnell-Kurzfragen. Ich gebe euch ein Stichwort und ihr antwortet mit ein bis drei Wörtern: „Politikverdrossenheit“ oder „aktiv dabei“?
Als Schweizer stramme Wähler.
Auf Tour gehen?
Unbedingt, das tollste überhaupt.
CD oder Vinyl?
Vinyl, Vinyl, Vinyl.
Marion singt gern?
Ja, wenn sie vorher einen gezwitschert hat!
Michels Lieblingsinstrument?
Alles, was komische Geräusche macht und viele Lämpchen hat.
Rote Clownsnase?
Unheimlich.
„Giftbox“?
Klasse Album!
Dem kann ich persönlich nur zustimmen. Vielen Dank für dieses Interview.
Interview: Dietmar Grabs
Urheber der Promo-Fotos: Manuel Vargas Lépiz