Datum: 28. April 2014
Im Gespräch mit: Gustaf Norén von Mando Diao
Andrea: Hallo Gustaf, danke für deine Zeit! Wie geht es dir?
Gustaf: Hi, mir geht es gut danke!
Cooles Outfit übrigens!
Danke! (lacht)
Hattest du schon Zeit dir die Stadt Zürich anzusehen?
Ich kam gestern Nacht in Zürich an, hatte einen guten und angenehmen Schlaf und dann habe ich die ganze Zeit einfach nur Interviews gegeben.
Weisst du, wir waren schon so oft in Zürich und in der Schweiz im Allgemeinen. Wir haben hier schon so viel gesehen, alle die Openairfestivals, wir haben auf coolen Rockveranstaltungen gespielt, waren in fantastischen Clubs, sahen DJs und Livemusik, gingen in super Restaurants und Cafés – und ich besuchte sogar die Oper!
Euer neues Album „Aelita“ hört sich nicht so sehr nach euren alten Sachen an. Eher mehr nach 80er-Jahren im Stil von Depeche Mode. Hat das einen besonderen Grund?
Nein, man macht Musik nicht aus einem speziellen Grund oder versucht dabei anders zu klingen und sich anders auszudrücken als man sich gerade fühlt. Ich meine, auf der einen Seite gibt es einen grossen Unterschied zwischen unserem ersten Album und „Aelita“, auf der anderen Seite ist aber gar nicht so viel anders – wenn du den Style, die Mode und die Attitude weglässt, welche dein grösster Feind ist wenn du jung bist. Ich meine, wenn du 12, 13 oder 14 bist und du beginnst dich mit einem Style zu identifizieren, findest du es anfangs noch lustig und plötzlich wird es beinahe zu einem Gefängnis weil die Leute sagen „In unserer Kultur musst du das so machen“ und du sagst: „Aber ich will nicht!“ (lacht) „Aber du musst, weil es das ist was du in unserer Kultur zu tun hast!“. Es war ein kleiner Kampf für uns da durchzubrechen und uns zu befreien.
Also wolltet ihr einfach mal etwas Neues machen?
Nach unserem Album „Ode To Ochrasy“ im Jahr 2006 wollten wir kein kommerzielles Rockalbum mehr aufnehmen und nach „Give Me Fire!“ hörten wir auf, zusammen mit Rockproduzenten zu arbeiten. Wir setzen vermehrt auf Hip-Hop Produzenten und schrieben unsere Musik zu Beats und Samples und nicht mehr zu Akkorden, wie wir es früher mit der Gitarre machten. Nach „Give Me Fire!“ sagten wir uns, dass es uns egal ist, was die Leute von uns erwarten. Nachdem Björn und ich mit „Caligola“ beschäftigt waren, veröffentlichten wir ein rein schwedisches Album und jetzt folgte das Abenteuer „Aelita“, welches mehr eine Erfahrung mit der Kombination von Grafik und Welten, wie Kunst und Gefühle war, als eine Erfahrung mit Musik. Wir denken nicht an Zahlen. Damit meine ich, dass es uns egal ist, wie viele Songs oder Alben verkauft wurden oder wie lange ein Lied in Sekunden dauert. Nur die Gefühle dabei sind uns wichtig. Einige Songs erinnern mich, wie du schon sagtest, an die 80er Jahre und haben eine Art von Melancholie, ja das beschreibt die Essenz von „Aelita“ am besten.
Hörst du dir die Mando Diao Alben eigentlich auch selbst noch an?
„Aelita“ höre ich mir nicht mehr so viel an, da wir nun begonnen haben, damit zu touren. Sobald ich mit dem Livespielen von neuen Alben beginne, kann ich diese danach nicht mehr anhören. Der Grund dafür ist, dass sich die Songs während der Liveshows ständig verbessern und es ist peinlich, den Anfängen auf dem Album zuzuhören. Es fühlt sich an, als schaust du ein Bild von dir aus den High-School-Jahren an und du denkst: „Oh mein Gott, wie ich da aussehe!“ (lacht)
Gibt es einen Song aus dem neuen Album der dir besonders gut gefällt? Wenn ja warum?
Nun, ich würde sagen „Child“ ist der einzige Song, welchen ich mir auf dem Album noch immer anhören kann. Ich höre den Song immer, wenn ich etwas nicht machen will. „Black Saturday“ ist wohl das Lied, das ich überhaupt nicht mehr hören kann. Der Song „Rooftop“ gibt mir ein gutes Gefühl, welches ich dann nutze um einige Arbeiten zu erledigen. Er gibt mir diese gewisse Energie, wie wenn ich auf und abspringen würde. Wenn ich mir „Child“ anhöre, will ich einfach nur dasitzen und zuhören.
Wie seid ihr eigentlich dazu gekommen euer Album nach einem russischen Synthesizer zu benennen?
Der russische Synthesizer ist der einzige Synthesizer, den wir auf dem Album verwenden. Ansonsten benutzen wir Computer, so wie jeder andere Künstler eben auch.
Und euch hat der Name des Synthesizers so gut gefallen, dass ihr gleich euer Album danach benannt habt?
Nein, der Auslöser dafür, dass wir nun vermehrt Computer verwendeten war, dass sich ein Computer nicht wie ein echtes Instrument verhält. Wenn wir zum Beispiel auf gewisse Tasten drückten, gehorchten diese uns sofort. Wenn du zum Beispiel hier drückst (geht mit dem Finger auf den Rec-Button an meinem Aufnahmegerät) dann nimmt es auf, richtig? So bist du es dir gewohnt. Aber bei diesem Synthesizer drückst du da und plötzlich spielt er etwas anderes als du erwartet hast. Und von diesem Moment an, als wir lernten wie man den Synthesizer spielt, hörten wir damit auf, alle Maschinen die uns umgeben als blosse Maschinen anzusehen, für uns waren sie nun lebendig. Sie verhalten sich einfach viel mehr als ob sie leben würden als wie wenn sie einfach Nichts sind.
Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich dir folgen kann…
Wenn du darüber nachdenkst, das hier (zeigt auf mein Handy) ist viel komplizierter und schöner als einfach nur ein langweiliges Gerät- es ist vergleichbar mit einer Blume oder einem Baum. Die Leute sagen einfach: „Dude, das ist ein Telefon“, ja ist es, aber es ist auch ein Telefon, dass mir eine Mozartsymphonie spielen kann, wenn ich das will! (lacht) Es kann alles aufnehmen was ich sage, dies dann rückwärts spielen, Musik machen, jemandem etwas senden – es kommuniziert mit der ganzen Welt! Die ganze Welt kommuniziert durch dieses Ding. Und du sagst mir, dies sei keine Biologie? Ich glaube es hat dieselben Funktionen und die Leute haben Angst davor. Sie sehen eine Gitarre als etwas „echtes“ und dieses Gerät hier ist in ihren Augen etwas aus Plastik und somit ist es falsch. Die Leute haben Angst davor, weil es neu ist. Und unser Album „Aelita“ brachte uns dazu zu sagen: „Scheiss auf diese Theorie!“ Ich umarme das (zeigt auf mein Handy) und das (deutet auf mein Aufnahmegerät) und ich werde meine Musik dadurch Kommunizieren. Was ist es? Wie kann ich es gebrauchen? Was kann ich damit machen? Sobald wir angefangen haben, so darüber zu denken, machten wir es bei „Aelita“ auch so.
Einer meiner Lieblingssongs auf eurem neuen Album ist „Lonely Driver“. Was sagt dieser Song aus?
Der Song handelt davon, wenn dir etwas peinlich ist oder du was gemacht hast, das du eigentlich nicht wolltest. Vielleicht schämst du dich über etwas, dann hast du das Gefühl ins Nichts zu gehen. Du willst einfach nur von allem wegrennen. Diese Gefühle hatte ich oft. Manchmal wenn ich etwas tat, worauf ich nicht wirklich stolz war, sprang ich in mein Auto und fuhr einfach los. Plötzlich spürte ich, wie mich das entlastete, einfach nur auf der Strasse unterwegs zu sein. Es ist wie eine Vergebung für mich. Eine Erleichterung in der Bewegung sowie den Gefühlen. „Lonely Driver“ ist eine Offenbarung daran.
Im Sommer steht ihr am Openair Gampel auf der Bühne. Wie unterscheiden sich die Schweizer Liveshows und die Stimmung der Fans von den schwedischen und denen in anderen Ländern?
Sie sind viel besser! Ich weiss nicht, ob es wegen Mando Diao selbst, Schweden und der Schweiz oder generell wegen der Schweiz oder Schweden ist. Ich habe keine Ahnung. Aber die Shows, die wir hier gespielt haben waren alle super. Vor allem letztes Mal als wir mit „Caligola“ hier in St. Gallen waren, das war eine der besten Shows überhaupt! „Caligola“ war ein guter Test, alles war neu, es ist ungewöhnlich und man muss ein offenes Herz und einen offenen Verstand haben um es zu fühlen. Du kannst nicht einfach mit gekreuzten Armen da stehen. Die Schweden sind die schlimmsten darin. Die Schweiz hat den Test auf jeden Fall bestanden. (lacht) Wirklich! Für uns ist das Live-Publikum in der Schweiz einfach Wahnsinn!
Gibt es ein bestimmtes Mando Diao Konzert das du nie vergessen wirst?
Lass mich überlegen… Die Antwort auf die Frage lautet Nein. Ich erinnere mich nur an das Gefühl beim Live spielen, aber ich vergesse die Details. Mein Hirn schaltet da einfach ab und löscht alle unwichtigen Informationen. (lacht) Warum weiss ich nicht. Es ist das gleiche mit den Aufnahmen. Ich habe keine Ahnung wie ich die Alben aufgenommen habe, es ist eine unwichtige Information für mich.
Ihr habt in wenigen Jahren sehr viel erreicht, gibt es noch Dinge die ihr euch zum neuen Ziel gemacht habt?
Ich denke wir haben nun verstanden, dass dies hier kein Beruf ist. Ich wurde Musiker als ich geboren wurde und ich werde es beenden wenn ich sterbe. Ich hoffe, dass es eine lange Zeit wird, in der ich tonnenweise neue Alben machen kann. Ein Rapper sagte mal: „Wenn ich für immer leben könnte, würde ich fünf Billionen Alben machen.“ Kennst du das Gefühl? Das ist auch meine Hoffnung, wenn ich für immer lebe, werde ich fünf Billionen Alben machen!
Na dann viel Glück damit und viel Erfolg bei euren weiteren Projekten!
Interview: Andrea Germann