Donnerstag, 31. August 2023
Linnéa Olsson (Gesang, Gitarre)
Maggot Heart / Instagram / Spotify
Gespräch: David Spring
Die schwedische Musikerin Linnéa Olsson treibt schon seit vielen Jahren auf vielen Bühnen ihr Unwesen, weltweit sowie in ihrer Wahlheimat Berlin. Ihr Band-gewordenes Solo-Projekt Maggot Heart vereint innovativen Post-Rock mit wilden Metal-Riffs und erstaunlich eingängigen Melodien zu etwas ganz Besonderem. Im Zuge der bevorstehenden Veröffentlichung von Album Nummer drei «Hunger» nahm sich die talentierte Künstlerin Zeit, um mit uns über ihren faszinierenden musikalischen Werdegang, die Szene und natürlich Maggot Heart zu plaudern.
David: Hi, wie geht es dir?
Linnéa: Um ehrlich zu sein: so lala. Ich habe nun schon zum dritten Mal Covid erwischt und bin noch nicht wirklich wieder ganz fit. Es ist dieses Mal zwar am leichtesten, aber man hört mir an, dass die Stimme immer noch etwas belegt klingt…
Oh, es tut mir leid, das zu hören. Hoffentlich geht es dir bald wieder besser, ich wünsche dir gute Besserung. Legen wir gleich mit einer etwas willkürlichen Frage los: gibt es eine Frage, die du schon immer in einem Interview gestellt bekommen wolltest, die bisher aber noch nie jemand gestellt hat?
Hmm, nicht wirklich. Ich finde die Interviewsituation immer etwas seltsam. Ich bin nicht sicher, ob du das weisst, aber ich war viele Jahre lang selbst Journalistin. Ich habe also quasi deinen Job gemacht und fühle mich eigentlich immer noch wohler dabei, Fragen zu stellen, als sie zu beantworten. [lacht] Nein, ich antworte schon auch gerne, keine Sorge. Ich freue mich über alle, die Interesse an der Band zeigen oder mich etwas fragen möchten. Es ist ein Privileg, dass die Leute interessiert sind.
Könntest du die Geschichte von Maggot Heart kurz zusammenfassen, vor allem auch, wie es dazu kam, dass ihr in Berlin ansässig seid?
Ich bin Schwedin und bin in einer Stadt namens Linköping aufgewachsen, geboren aber in Stockholm. Ich habe lange als Musikjournalistin gearbeitet und somit eigentlich mein ganzes Leben lang schon mit Musik zu tun. Mit 13 Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen. Ich war von klein auf vom Rock besessen. Meine erste richtige Band hatte ich, nachdem ich mit Anfang 20 zurück nach Stockholm gezogen war. Das war ein völliges Underground-Crossover-Metal-Punk-Ding. Damals hatte ich aber noch nicht das Selbstvertrauen, mich voll und ganz der Musik zu widmen, weshalb ich dann erstmal lieber andere Musiker:innen interviewte, anstatt mich auf meine eigene Karriere zu konzentrieren. Das funktionierte eine Zeit lang recht gut, weil ich nebenbei noch in einer anderen, kleinen Band namens Sonic Ritual spielen konnte. Aber als die dann ebenfalls auseinanderzufallen begann, sah ich keinen Grund mehr, in Stockholm zu bleiben.
Stockholm hat mir als Frau in der Szene nicht viel gebracht. Die Metal-Szene fühlte sich auch überhaupt nicht aufregend an, für ein angeblich so wildes und unberechenbares Genre war es meiner Meinung nach viel zu dogmatisch. Das hat mich gar nicht angemacht. Es gab eine coole Szene in Uppsala und natürlich in Norwegen, nicht aber in Stockholm. Und irgendwie hatte sich dann die Idee in meinem Kopf festgesessen, dass ich nach Berlin gehen sollte, obwohl ich dort noch gar nie war. Ursprünglich wollte ich das mal ein paar Monate austesten, aber ich fand schnell das komplette Gegenteil von Stockholm: ein sehr offenes und aufregendes kulturelles Leben in einer grossen Stadt, die sich trotzdem überschaubar anfühlte. Ich habe mich hier sofort wohl gefühlt und hatte gleichzeitig nie Angst, dass ich mich hier komplett verlieren könnte, wie das vielleicht in New York der Fall gewesen wäre.
Nachdem ich dann richtig angekommen war, ging es mit der Musik weiter, aber erstmal noch nicht sehr erfolgreich. Mit The Oath hatten wir genau eine Platte auf Rise Above Records veröffentlicht, aber da wurde nicht mehr draus… Als nächstes wurde ich auf einmal angefragt, ob ich der finnischen Post-Punk-Band Beastmilk mitspielen möchte. Die kamen so ziemlich aus dem Nichts und waren wirklich gut. Und aus irgendeinem Grund fragten die mich, ob ich dabei sein wolle, das war cool. Aber natürlich war auch dieser Spass nur von kurzer Dauer, denn bald nach meinem Beitritt löste sich die Band ebenfalls auf.
Zu dieser Zeit spielte mein guter Freund Uno Bruniusson, der wohl einer der besten Rock-Schlagzeuger seiner Generation ist, bei Solitude, die sich damals zufällig auch auflösten. Mir war klar, dass er mit seinem Talent extrem gefragt sein würde, also musste ich schnell sein. Mit einigen der Leute von Beastmilk hatte ich als nächstes Grave Pleasures gegründet und ich fragte Uno, ob er sich uns anschliessen wolle. Glücklicherweise hatte er gerade angefangen, mit einer Berlinerin auszugehen, dass passte also bestens für ihn. Ja, und so hatten wir dann endlich eine Band – die etwa ein Jahr lang bestand. (lacht) Wir waren bei Sony, also einem richtigen Major-Plattenlabel. Und die eine Platte, die wir da gemacht haben, wurde total zerrissen. Alle hassten sie.
Ich hatte wirklich grosse Hoffnung in diese Band und dachte, dass wir da endlich auch mal Shows spielen können. Aber nach dem gefloppten Album hatte der Hauptsongschreiber dann gar keinen Bock mehr, auf Tour zu gehen, und ich war einmal mehr in der Situation, in der ich etwas angefangen hatte, nur um es wieder auseinanderfallen zu sehen… Es war immer dasselbe, ich stieg in eine coole, interessante und vielversprechende Band ein und dann wurde mir wieder der Teppich unter den Füssen weggezogen… Ich war damals so richtig angepisst und deprimiert, und einfach desillusioniert von der ganzen Musikindustrie!
Mit einem Indie-Label hat es nicht wirklich hingehauen, mit dem Major-Label erst recht nicht. Ich fühlte mich ausgenutzt und war in der seltsamen Situation, dass ich mich ernsthaft fragte, was zur Hölle ich hier überhaupt machte… Irgendwann merkte ich dann aber, dass ich keinen Bock darauf hatte, nochmals zu einer Band dazuzustossen, denn es war endlich an der Zeit, mein eigenes Ding zu tun. All die Hindernisse auf meinem bisherigen Weg fühlten sich auf einmal wie vorbestimmt an, um mich abzuhärten und mir klarzumachen, dass ich das nun zu meinen eigenen Bedingungen durchziehen musste. Und so entstand Maggot Heart.
Das war zu Beginn auch echt nur ein Solo-Projekt, weil ich wirklich mein eigenes Ding machen wollte. Aber um live zu spielen, brauchte ich ja doch auch Leute, also habe ich mir Uno wieder mit ins Boot geholt, sowie Olivia Airey aus England am Bass… und ja, jetzt sind wir hier bei unserem dritten Album.
Das war die perfekte Überleitung zum neuen Album «Hunger». Wie sieht denn euer Songwriting-Prozess aus? So wie es klingt, kommen die Songs von dir?
Ja, es sind definitiv meine Songs. Letztendlich ist es natürlich eine Zusammenarbeit in dem Sinne, dass die anderen ihren Beitrag zu den Arrangements leisten. Ich bin zum Beispiel keine Schlagzeugerin, das kommt natürlich von Uno. Aber das Wesentliche ist schon von mir. Der Prozess hängt stark vom jeweiligen Song ab. Ich bin Gitarristin, also habe ich mich in der Vergangenheit sehr auf die Riffs konzentriert. Jedes Riff musste auf seine eigene Weise gut und noch nie dagewesen sein.
Heutzutage versuche ich hingegen, das Ganze zu vereinfachen und mich mehr auf Akkorde und Akkordverläufe zu konzentrieren. In den Anfängen der Band habe ich auch nie darüber nachgedacht, welche Melodien ich singen sollte. Ich habe einfach Instrumentalstücke geschrieben und den Gesang später hinzugefügt, so wie es halt grad passte. Ich musste feststellen, dass es verdammt schwierig ist, das live so rüberzubringen. Das war hart für meine Stimme… Und heute fühle ich mich beim Singen viel wohler, darum kann ich den Gesang jetzt auch viel mehr in den Mittelpunkt der Songs stellen.
Woher kommt die Inspiration für die Songs und die Texte?
Es war echt schwierig, diese Platte zu schreiben und ich brauchte ewig, um Inspiration zu finden. 2022 war kein besonders gutes Jahr für mich, ich hatte gesundheitlich viel zu kämpfen, sowohl körperlich wie auch psychisch. Die Pandemie war zwar weitestgehend vorbei, aber halt auch nicht so wirklich. Wie gesagt, ich hatte den Scheiss dreimal… Und da gab es Wochen, in denen ich echt völlig fertig war.
Leider war und ist nach der Pandemie auch das Touren viel schwieriger geworden. Das Publikum wurde viel kleiner, dafür stiegen die Kosten wie verrückt. Ich bin nicht der Typ Mensch, der durch Depression kreativ wird. Wenn es mir nicht gut geht, schaffe ich absolut gar nichts. Also musste ich dieses Mal viel tiefer graben, um Inspiration zu finden und Songs zu schreiben. Darum sind die Texte wohl auch eher abstrakt und handeln nicht direkt von mir…
Was den Sound und die Musik der aktuellen Songs anbelangt: ich habe manchmal so komische Ideen, dass es sicher spannend wäre, eine Platte zu machen, die zum Beispiel wie Celtic Frost klingt. Ich höre mir dann viel von einer bestimmten Band oder einem Genre an und lass mich inspirieren. Und logischerweise klingt es am Ende nicht annähernd so. [lacht] Ich habe das Gefühl, dass ich dem Kern meiner Kunst und Musik stetig näherkomme, aber ich bin immer noch auf der Suche nach der perfekten Melodie, die man mitsingen kann, oder dem perfekten Solo, das unter die Haut geht. Ich möchte etwas finden, das unmittelbar ist, aber auch lange im Gedächtnis bleibt, wenn du weisst, was ich meine? Ich denke, das wird und muss ein lebenslanger Prozess sein…
Was das Album für mich richtig toll macht, ist, dass es ein paar Durchläufe braucht, um alles zu erfassen. Das ist für mich immer das Zeichen für ein grossartiges Album. Es gibt so viele Details zu entdecken und es passiert eine Menge.
[lacht] Und ich dachte tatsächlich, dass «Hunger» nun endlich mal ein einfaches Album ist. Aber ich weiss zu schätzen, was du sagst. Ich finde, es ist gut, dass es eine kleine Weile braucht, um die Platte zu verdauen. Das spielt auch ein bisschen in die lyrischen Themen hinein. Bist du mit dem buddhistischen Konzept vertraut, dass deine Wünsche im Grunde die Wurzel deines Leidens sind?
Nur sehr vage…
Es geht, einfach gesagt, um die Idee, dass der Lebenshunger, den man hat, eine Kraft ist. Er ist dein Antrieb und dein Ehrgeiz und etwas, das dich stetig vorwärtstreibt und weiterbringt. Aber letztendlich ist es eben auch etwas, das zur Besessenheit, zur Sucht werden kann und so zu einer zerstörerischen Kraft. Um dieses Thema habe ich lange herumgetanzt, auch auf früheren Platten schon, doch noch nie so ausgefeilt wie dieses Mal.
Gibt es einen bestimmten Song, über den du gerne sprechen würdest?
«Archer» gefällt mir zurzeit richtig gut. Der Song ist eigentlich eine Ballade, also ziemlich anders als das meiste von uns. Noch vor ein paar Jahren hätte ich niemals so einen Song geschrieben. Anstelle von lauten Gitarren spielen ein Klavier und sogar ein paar Bläser. Ich wollte für einmal einfach alles stimmungsvoll und emotional halten, ohne dass der Song wieder zu etwas Verrücktem oder Epischen wird. Das war eine ziemliche Herausforderung.
Das ganze Stück basiert auf diesem anhaltenden Ton auf dem Klavier. Das Problem war allerdings, dass ich kein Klavier spiele, also war es wirklich schwierig, dies dem Rest der Band zu zeigen. Sie mussten sich das Piano irgendwie vorstellen, während ich ihnen die Idee auf der Gitarre zeigte, was natürlich überhaupt nicht dasselbe ist… [lacht] Es war einer dieser «Vertraue dem Prozess»-Momente. Im Grunde ist es aber ein ziemlich simpler Song. Ich wollte alles so minimal wie möglich halten und habe mich sogar von Rap und HipHop inspirieren lassen. Dort braucht man oft nur ein gutes Sample, das den ganzen Song ausmacht. Das war ohnehin etwas der Hintergedanke bei «Hunger», alles etwas kürzer und simpler zu halten. Darum finde ich durchaus, dass die Platte unsere «einfachste» ist, auch wenn es von aussen vielleicht noch nicht so wirkt…
Habt ihr irgendetwas Besonderes für den Album-Release geplant?
Ja klar, wir spielen eine grosse Release-Show am 7. Oktober in Berlin! Danach gibt es aber nur drei weitere Europa-Termine, da wir bald schon in den USA auf Tour fahren. Europa ist dann erst nächstes Jahr dran.
Hoffentlich dann auch in der Schweiz?
Ja unbedingt, ich hoffe es sehr! Ich bin nämlich nicht einmal sicher, ob wir mit Maggot Heart überhaupt jemals in der Schweiz gespielt haben…
Ich glaube tatsächlich eher nicht, zumindest konnte ich online nichts über eine Show von euch bei uns finden. In den USA seid ihr hingegen nicht zum ersten Mal, nicht wahr?
Genau, wir haben da insgesamt schon drei Tourneen gemacht. Wir hatten richtig hart dran gearbeitet, um in den USA etwas Schwung reinzubringen, und dann kam halt die Pandemie…
Was siehst du so als die grössten Unterschiede zwischen den USA und Europa, wenn es ums Touren geht?
Die schiere Menge an Kilometern, die man fahren muss, ist schon echt krass. Aber ich finde, dass sich die Leute in Deutschland und den USA tatsächlich ziemlich ähnlich sind, wenn es um Rockshows geht. Die Deutschen zelebrieren Live-Musik noch so richtig, die kommen an Konzerte, machen mit und rocken ab. Skandinavier:innen sind da zum Beispiel viel verhaltener oder überheblicher… Ja, und die US-Amerikaner:innen sind ähnlich drauf. Die wollen Party machen, abdrehen und einfach ein Teil der Show sein. Die haben überhaupt keine Berührungsängste und wollen mit uns quatschen und alles über unsere Kultur und Europa und so erfahren. Das ist sehr cool und sympathisch, finde ich, auch wenn es mir als eher zurückhaltende Person manchmal fast etwas zu viel des Guten ist.
Was ich auch toll finde in den USA, ist die Grosszügigkeit der Leute. Nicht nur geben sie ständig überall Trinkgeld, selbst am Merch-Stand oder so, sie sind auch wahnsinnig hilfsbereit. Als wir zum ersten Mal durch die USA tourten, hatten wir überhaupt kein Geld für Hotels, also haben wir einfach ein Schild an unseren Merch-Tisch gehängt, auf dem stand, dass wir noch eine Unterkunft brauchen. Und am Ende haben wir ohne Scherz die ganze Tour über jede Nacht in den Häusern von Fans übernachtet, die Leute waren so nett und grosszügig, das war unglaublich.
Wird es noch weitere Singles und coole Videos geben vom Album?
Ja, der Song, über den wir gerade gesprochen haben, «Archer», kam erst gerade raus, wenn auch ohne Video. Dafür hatten wir kein Geld mehr… [lacht] Aber das ist auch okay so! Wir sind ja immer noch eine Rock-Band aus dem Underground, und der Song ist eine Piano-Ballade, da wollte ich jetzt auch nicht unbedingt in einem Video so tun, als würde ich Klavier spielen, das hätte sich komisch angefühlt.
Nun noch zu etwas ganz anderem: hast du das Gefühl, dass sich die Szene zum Guten ändert für FLINTAs und Nicht-Cis-Menschen?
Ich sehe mich selbst ja in erster Linie als eine Frau auf der Erde, in der westlichen Welt. Danach als Frau in Europa und erst dann als Frau in der Musikindustrie und speziell im Metal. Und auf all diesen Ebenen ist es leider eine Tatsache, dass es überall Probleme geben wird, solange wir unter diesen patriarchalischen Strukturen leben. Die Dinge beginnen sich zu ändern, ja, aber es gibt noch so viele Probleme, die gelöst werden müssen. Spätestens seit MeToo habe ich das Gefühl, dass immerhin der Diskurs darüber vermehrt stattfindet, was es zu unserer Anfangszeit so noch nicht gab.
Auf der anderen Seite: sehe ich wirklich schon solide Veränderungen? Sehe ich, dass weiblich gelesene Musiker:innen genauso verehrt und respektiert werden wie männliche? Sehe ich so viele FLINTA auf der Bühne von Festivals und Konzerten wie Männer? Nein! Diese Dinge müssen von innen heraus geändert werden. Das heisst, die Verantwortlichen müssen wollen, dass sie sich ändern. Und so weit sind wir noch nicht. Ich kann hier stehen und schreien, so viel ich will, aber so schnell wird sich das nicht passieren… Das ist auch ein Teil des Grundes, warum ich meine eigenen Bedingungen und meine eigene Welt schaffen wollte. Ich will nicht ständig um Erlaubnis bitten, in einer Welt zu existieren und meine Kunst zu machen, die mich nicht willkommen heisst und mich nicht feiert, nur weil ich einem bestimmten Geschlecht angehöre. Die Antwort ist also ja und nein. Es gibt zwar einige positive Veränderungen, aber wir sind noch meilenweit entfernt.
Ich sehe so ein Bisschen, dass kleinere, unabhängige Festivals das schon viel besser machen. Die grossen, kommerziellen Dinger hingegen tun sich immer noch wahnsinnig schwer, obwohl das Verlangen nach mehr Diversität und Abwechslung an Festivals beim Publikum immer lauter wird…
Das geht halt Hand in Hand mit den Labels. Die haben alle reservierte Slots für ihre Bands auf den grossen Festivals. Und solange die Labelchefs, Booker und Promoter alles nur Männer sind, wird es immer eine Echokammer bleiben, in der sie nur dieselben Bands unter Vertrag nehmen und buchen. Das ist extrem uninspirierend. Kunst soll herausfordernd bleiben, nicht überreglementiert und völlig ungefährlich, das wäre für mich kein Rock mehr. Aber gleichzeitig ist es einfach langweilig, in einem Raum zu sein, in dem alle gleich aussehen, aus dem gleichen Ort kommen und das Gleiche machen. Letztendlich müssen nicht alle miteinander auskommen, es muss nicht alles nett und kuschelig sein. Aber ich möchte auch nicht aktiv unterdrückt werden, verstehst du? Manchmal frage ich mich, ob es nicht ein paar Vorschriften für staatlich finanzierte Konzertlokale geben sollte, dass die nicht mehr nur männliche Künstler buchen dürfen. Das könnte viel dazu beitragen, die Ungleichheit auszugleichen, wenn es darum geht, wer auf der Bühne steht. Vor allem wohlhabendere Länder wie die Schweiz könnten solche Änderungen durchsetzen…
Ich glaube, davon sind wir hier in der Schweiz leider noch weit entfernt… Wie sieht dein genereller Ausblick in die Zukunft so aus, nicht nur was das Musikgeschäft betrifft?
Ich habe vor einiger Zeit einen UN-Bericht gelesen, aus dem hervorging, dass neun von zehn Menschen auf der Erde Vorurteile gegen Frauen haben. Sowas ist dann halt schon ernüchternd… Ich werde bald nach Amerika reisen, wo uns Frauen immer mehr unsere reproduktiven Rechte genommen wird. Das ist beängstigend! Es ist gefährlich, eine Frau zu sein! Das macht mir echt zu schaffen, es ist ein unbestreitbarer Teil meiner Erfahrung als Mensch, als Frau. Um ehrlich zu sein, weiss ich es nicht mehr genau, ich hoffe nur, dass wir in die richtige Richtung gehen… Wir werden sehen!
In der Tat! Damit sind wir eigentlich schon am Ende angelangt. Gibt es noch irgendetwas, was du hinzufügen möchtest? Irgendwelche letzten Worte an eure Fans in der Schweiz?
Ich kann es kaum erwarten, euch alle bald zu sehen. [lacht] Ich freue mich einfach über alle, die sich die Zeit und das Interesse nehmen, sich unsere Musik anzuhören. Das bedeutet mir die Welt, also danke!
Danke, dass du dir die Zeit für uns genommen hast, und danke für die Musik. Viel Glück auch mit der Veröffentlichung von «Hunger» und vor allem viel Spass in Amerika.
Bild 1: Joe Dilworth
Bild 2: Sara Gewalt