15. Januar 2021
Im Gespräch mit: Jonathan Trüeb, Leiter Programmgruppe Sounds und Veranstalter von „attack:now“ im Eisenwerk Frauenfeld.
Ergänzend zur Reportage über das leere Kulturlokal Eisenwerk in Frauenfeld, durften wir mit Jonathan Trüeb über seine Aufgaben im Bereich Musik und Konzerte, die aktuelle Situation und persönliche Favoriten sprechen.
Christian: Joni, was ist das für ein Gefühl, hier im leeren Saal im Eisenwerk zu sitzen, ohne konkrete Anhaltspunkt für die Zukunft?
Jonathan: Ich bin mittlerweile ein wenig lethargisch. Da ich in der Funktion als Hauswart tätig bin, erlebe ich die Räume öfters leer und nicht bespielt. Aber ich weiss und bin fest überzeugt, dass es irgendwie weitergeht. Jetzt, für den Moment ist es irgendwie „Scheisse“, aber es ist auch Zeit um Kräfte zu sammeln. Wir konnten in den letzten Monaten durch diese Zwangspause viel aufarbeiten. Wir haben ein neues Kassensystem aufgebaut und den Ticketanbieter gewechselt.
Was dazukommt: Als Veranstalter bin ich im Eisenwerk, in gewisser Weise, ein Mieter. Unser Kulturverein ist Mieter bei der Genossenschaft, dadurch hat der Saal nicht die typische Heimatatmosphäre, wir haben diese Räume nicht mitgestaltet. Ich könnte mir vorstellen, dass es für meine Kollegen im Gaswerk oder Albani, die vieles mitgeprägt haben, wahrscheinlich schlimmer sein mag.
Seit wann bist du im Eisenwerk-Team dabei?
Meine allererste Veranstaltung war 2016, das war Andrea Bignasca in der „Beiz“. Dann habe ich immer wieder sporadisch Auftritte organisiert wie Akina McKenzie oder Nick Oliveri von Queens Of The Stone Age. Im grossen Saal habe ich am 25. Mai 2019 angefangen.
Das müsste der Beginn von „attack:now“ gewesen sein?
Genau, an dem Abend ging es mit dem Metal-Konzerten von Haile Selacid, Punish und Schammasch los. Das war der Moment, bei dem mir klar wurde, das mache ich regelmässig und will das „Ding“ (das Eisenwerk) mit Metal füllen. Als Jugendlicher, so ab 16, war ich natürlich oft hier im Saal. Damals ging es so richtig ab mit Ska-Punk, da hatte dieser Saal „gebrannt“. Sehr lange war es danach um das Lokal ruhiger geworden und jetzt habe ich das Gefühl: wir sind wieder auf einem guten Weg.
Wann und wo bist du in dieses Business eingestiegen?
Angefangen habe ich im KAFF (Kulturarbeit für Frauenfeld). Ich konnte dort kleinere Produktionen für bis zu 150 Besucher lancieren. Dann wurde ich Vater und habe pausiert. Als ich wieder mehr Zeit investieren konnte, hatte meine „alte KAFF-Crew“ bereits ins Eisenwerk gewechselt und ich habe mich ihnen angeschlossen. Das kam für mich zum richtigen Zeitpunkt, denn ich hatte Interesse daran grössere und anspruchsvollere Produktionen zu stemmen. Diese Möglichkeit wurde mir im Eisenwerk geboten, wir können je nach Vorverkauf den Saal auf zirka 450 Plätze erweitern. Ein ganz besonderer Anreiz war, dass wir von Null anfangen konnten und in der Programmgestaltung völlig frei waren.
Was gehört zu deinen Hauptaufgaben als Leiter Programmgruppe Sounds?
Ein abwechslungsreiches Programm mit bis zu 16 Veranstaltungen pro Jahr zu planen und durchzuführen. Wichtig ist es dabei auch, an die Zukunft und Weiterentwicklung zu denken. Wir haben im Eisenwerk zusätzlich die Kunstgalerie und das Theater. Zusammen mit unserem Bereich finden vierteljährlich die Progammaussschuss-Sitzungen statt, an denen ich dabei bin. Ganz wichtig ist die Vernetzung mit anderen Kulturhäusern aus der Region, wie dem Gaswerk, Gare de Lion (Kulturzentrum Wil) und dem Salzhaus. Ergänzend muss ich den Überblick über das Budget behalten.
Du betreust die Bands und die Crew von A – Z?
Ja, wir sind ein Team aus Technikern und Helfern. Sobald wir den technsichen Rider bekommen ist klar, was von der Band alles gewünscht und verlangt wird; Themen wie Licht, Sound und das ganze Hospitality. Da gibt es sehr unterschiedliche Wünsche und das stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen.
Was war das Verrückteste, was du erlebt hast?
Das war die U.D.O.-Produktion. Das Metal Urgestein, Udo Dirkschneider war ehemaliger Sänger der deutschen Heavy-Metal-Band Accept. Sie gehörte neben den Scorpions zu den international bekanntesten Gruppen der deutschen Rockszene. Die Band wurde mir vom Schweizer Agent vorgeschlagen, also habe ich ein Angebot gemacht und das Ganze kam zustande. U.D.O. spielten in der Schüür, Luzern und bei uns. Drei Monate vor Auftritt kam dann der Rider mit etwa 25 Seiten und ich dachte: „Oh Mann, das schaffe ich niemals allein.“ Also habe ich kurzerhand Leute gesucht, die mir halfen und daraus wuchs die „Iron-Crew“. Das war meine mit Abstand grösste Produktion und hat uns alle massiv gefordert. Es gab für uns einen schönen Abschluss: Gemeinsam mit der technischen Crew von U.D.O. und dem Schlagzeuger Sven Dirkschneider, das ist der Sohn von Udo, der seit 2015 dabei ist, stürzten wir im legendären Anker ab. Die Jungs schafften es nur noch ganz knapp auf den Tourbus nach Luzern. Es tat uns allen gut, an diesem Abend einfach als Kollegen in der Beiz zu hocken und abzuhängen, als Kontrast zum üblichen Tagesablauf einer Tour. Ich glaube das ist unsere Stärke als Team, dass wir es in unserer Freizeit machen und Spass daran haben.
Welche Auftritte haben dich im Eisenwerk am meisten begeistert und worauf freust du dich, wenn es wieder los geht?
Andrea Bignasca in der „Beiz“ und dann natürlich die erste „attack:now Show“. Es war einfach „huere Geil“. Gespannt bin ich auf das erste attack:now Festival und vor allem auf die Bands Stallion, Virvum und Impalement, und natürlich auf Anvil. Anvil sind verdammt legendär. Dann freue ich mich auf Death South in St. Gallen und natürlich ganz besonders auf Ozzy Osbourne, beide Konzerte finden aber erst 2022 statt.
Welches sind deine Lieblingsbands?
Nirvana. Sie waren meine Lieblingsband und prägten meine erste intensive Phase mit dem „Gitarrensound“. Eine Zeitlang dachte ich, es gibt gar nichts anderes. Und Nirvana ist zugleich eine meiner ersten Erinnerungen ans Eisenwerk. Pascal Schulz von Gran Noir hatte damals ein oder zwei Abende mit befreundeten Bands programmiert, die sich gemischt haben und Nirvana Songs spielten – „huere Geil“! Es war zum Brechen voll mit Jugendlichen, Gleichgesinnten. Wenn ich heute zu Hause eine Platte auflege, dann von: Alice in Chains, The Doors, Arch Enemy, Motörhead, Thron, Triptykon oder Johnny Cash.
Interview: Christian Wölbitsch