23. Februar 2021
Im Gespräch mit: Hausi Naef, technische Leitung, Booking, Hallenbetreuer und Pascal Bührer, Marketing, Promo und Kommunikation im Kammgarn.
Ergänzend zur Reportage über das leere Kulturzentrum Kammgarn in Schaffhausen, durften wir mit Hausi und Pascal über ihre Beziehung zum Kulturort und ihre Leidenschaft zur Musik sprechen.
Christian: Wie beurteilt ihr den Standort Schaffhausen für Konzerte?
Pascal: Das Potential ist da, das Angebot auch. Was die Jungen davon halten, ist aber ein ganz anderes Thema. Viele orientieren sich eher Richtung Winterthur und Zürich, weil es mehr Vielfalt gibt.
Hausi: Hier im kleinen Schaffhausen besteht für die Jungen auch die Gefahr, dass sie ihre Eltern im Ausgang treffen.
Pascal: Ja, das stimmt. Man trifft hier oft die gleichen Leute und solche, die man kennt. Wenn du lieber anonym bleiben willst, dann gehst du nach Zürich.
Hausi: Sehr speziell an Schaffhausen ist, dass wir am Rand der Schweiz sind, das macht uns das Leben schwer. Auch meine Kinder haben sich häufig nach Winterthur oder Zürich hin orientiert. Dennoch ist dieser Ort, die Kammgarn, unerreicht schön.
Die Kammgarn ist zu einer festen Grösse im nördlichen Teil der Schweiz geworden. Vorbei die Zeiten, als ihr für die kulturelle Nutzung dieses Areals gekämpft habt. Als an der Urne 1994 die Abstimmung zum Umbau abgelehnt wurde, sprach der Schauspieler Mathias Gnädinger von Zitat: „7109 Schafseckeln„, die es in dieser Stadt gebe. Hausi, wie hast du diese Zeit erlebt?
Hausi: Genau so. Nach der Abstimmung hat man es gewusst. Mathias hat viele böse Telefonanrufe und Briefe wegen seiner Aussage erhalten. Im Nachhinein war es ein Glücksfall, dass diese Abstimmung verloren ging. Die Vorlage war gut, aber wir wären sehr stark eingeschränkt gewesen. Uns wurde in dem Moment aber viel Solidarität entgegengebracht wird, das war unglaublich. Innerhalb von 6 Monaten haben wir die IG-Kammgarn gegründet, CHF 300’000.- Genossenschaftskapital gesammelt und sind so bis heute völlig autonom, abgesehen von unserer Leistungsvereinbarung mit Stadt & Kanton Schaffhausen.
Das Jazzfestival Schaffhausen gab es vor dieser legendären Abstimmung. War dieses Festival in gewisser Weise der Wegbereiter für die Kammgarn in der heutigen Form?
Hausi: Das Festival war ein Baustein. Es hat die Schaffhauser*innen beeindruckt, dass plötzlich im „Tagi“ ein Bericht über unser Festival gebracht wurde, dass Radio DRS Liveübertragungen machte. Doch viel wichtiger war die Überzeugungsarbeit bei den verschiedenen Gewerbeverbänden. Da war viel Lobbyarbeit notwendig. Ich würde den Einfluss des Festivals nicht überbewerten, eine Hilfe war es definitiv.
Wie ist eure Verbindung zur Schweizer Musikszene?
Hausi: Ich verfolge alles, Querbeet von Volksmusik über Jazz zu Pop. Auch was in Deutschland, Frankreich und Österreich so passiert. Allerdings habe ich bei den 20- bis 30-Jährigen den Anschluss ein wenig verloren, die Szene ist unglaublich gross und vielfältig, da kenne ich vieles nicht.
Wie seid ihr mit Musik in Berührung gekommen?
Pascal: Das darf ich nicht beantworten! Meine erste CD war der Soundtrack zu „Das letzte Einhorn“. Da war ich noch sehr jung.
Hausi: (lacht) Bei mir war es Dieter Wiesman – indirekt. Dieter Wiesman war mit Reinhard Mey befreundet und hat immer wieder in Schaffhausen gespielt. Als ich zwölf war, haben mich meine Eltern zu einem Konzert von Reinhard Mey mitgenommen. Zum ersten Mal eine Band live zu hören, hat mich unheimlich begeistert. Als ich 16 war, hat mich mein Bruder nach Zürich zum Konzert von Al Jarreau mitgenommen. Das war der Moment für mich! Dieses Feuer und die Begeisterung für die Musik hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Mit einem Kumpel haben wir Chick Corea und Herbie Hancock gehört. Wir waren völlig angefressen, haben Jazzkurse besucht, jede freie Minute war von da an der Musik gewidmet.
Wie fühlt es sich für euch beide an, hier zum Interview im „unbespielten„ Kammgarn zu sitzen?
Hausi: Ich fühle mich eigenartig wohl hier, es ist „mein Raum“ geworden und gleichzeitig ist es eine völlig depremierende Angelegenheit. Es fühlt sich an wie ein Porsche mit drei Rädern.
Wie kann man sich die Programmgestaltung vorstellen? Geschehen Buchungen manchmal spontan über einen Kontakt oder stimmt ihr euch im Gremium ab?
Pascal: Bis vor kurzem hatten wir ein Gremium. Seit letzten Jahr ist Raphi Schemel, der vom KIFF zu uns gewechselt hat, für das Programm verantwortlich. Er hat ja mehr als acht Jahre Erfahrung in Aarau gesammelt und wir sind gespannt, was er auf die Beine stellen wird, wenn es wieder losgehen darf.
Hausi: Früher gab es die eine oder andere spontane Geschichte. Bands wie Bob Geldof oder andere Bekanntheiten konnten wir quasi auf der Durchreise verpflichten, einfach weil wir eine relativ grosse Bühne haben und es in deren Zeitplan gepasst hat.
Was war das Speziellste, was ihr je in euer Geschichte erlebt habt?
Beide: Der Lockdown. Nein wirklich, so etwas gab es noch nie!
Was passiert im Kammgarn, sollten die Einschränkungen morgen aufgehoben werden?
Pascal: Ein Party, die ist leicht zu organisieren und die Leute werden kommen, da bin ich mir sicher. Auch Bands wären spontan bestimmt möglich, das würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten und viele wären bereit, da praktisch eh niemand fixe Pläne hat.
Hausi: Ja, das hoffe ich. Ich bin mir nicht so sicher, ob der Kuchen nicht kleiner wird. Im Moment organisiert sich die Jugend neu. Es ist schwer zu sagen, ob es nach dem Lockdown gleich weitergehen wird.
Welche Musik begeistert euch ganz besonders und warum?
Hausi: Zappa! Leider entdeckte ich ihn viel zu spät. Ich war vor jetzt bald 15 Jahren an einem Konzert in Zürich, „Zappa plays Zappa“. Das war das Verrückteste, was ich je gehört habe. Ich stand dort und konnte es kaum fassen, völlig outstanding war das!
Welches war die letzte Platte die ihr aufgelegt habt?
Pascal: Ich höre zwar häufig digital wegen der Verfügbarkeit. Aber wenn ich etwas kaufe, dann immer Platten. Wenn ich in eine fremde Stadt komme, dann gehe ich immer zuerst in einen Plattenladen, das ist Pflicht. Meine letzte Platte, die ich zuhause aufgelegt habe, war Bohren & Der Club Of Gore – die langsamste Musik der Welt.
Hausi: Pascal ist aktuell in einer speziellen Phase. (lacht)
Pascal: Ansonsten entdecke ich gerne neue Sachen im Internet. Zuletzt waren es Kae Tempest und Feu! Chatterton, eine französische Indie-Rockband.
Vielen Dank für eure Zeit.
Interview: Christian Wölbitsch