8. Juni 2016
Im Gespräch mit: Frank Delgado (Keys/Turntable) und Abe Cunningham (Schlagzeug) von Deftones
Anfang April gaben Deftones ihr neues Album «Gore» heraus. Und im Juni waren sie live am Greenfield Festival, bei schlechtestem Wetter und bester Laune.
Das neue Album «Gore» ist wieder ein gelungenes Deftones-Werk geworden. Sanfter und nachdenklicher und dennoch mit der Energie und Leidenschaft, wie man es von den Herren aus Los Angeles gewohnt ist. Ein guter Grund um mit Deftones ein Schwätzchen zu halten.
Nicole: Euer neues Album gefällt mir sehr gut. Meiner Meinung nach ist es noch stärker Gesangslastig als bis anhin und vor allem Chino Morenos Stimme steht im Vordergrund. Was denkt ihr dazu?
Abe: Stimmt, der Gesang ist sehr dominant und auch der Mix ist stark auf den Gesang fokussiert. Musikalisch etwas sanfter, aber trotz allem ist das neue Album richtiger «heavy shit».
Frank: «Gore» ist sicherlich sanfter, das kann man sagen. Für mich ist es vor allem erwachsener geworden. Es steckt sehr viel Arbeit in den Details und dem Songwriting, für das wir uns viel Zeit genommen haben.
Abe: Genau, hör dir das Album mit guten Kopfhörern an und du wirst sehr viele Nuancen entdecken.
Frank: Eigentlich haben wir alles so gemacht wie immer, ausser eben, dass wir es ruhiger angegangen sind und das hört man. Würde ich jetzt nochmals etwas daran ändern, klar doch, immer. Aber es ist nun so, wie es ist. Verbessern und ändern könnten wir bis ins Unendliche, dann würde das Album nie fertig. Etwas anders zu machen ist dann der Ansporn für das nächste mal.
Würdet ihr euch anders anhören, wenn ihr das Album anstatt in Los Angeles z.B. in der Schweiz aufgenommen hättet?
Frank: Wir hatten mal ein Studio in Seattle, wo es definitiv kälter ist. Mittlerweile treffen wir uns zum Arbeiten in unserem Studio in Los Angeles. Dort ist alles eingerichtet und wir können jederzeit loslegen. Die Umgebung und vor allem die Distanz zur Familie spielen eine Rolle. Das alles fliesst in das Songwriting und die Stimmung mit ein, ganz klar.
Ihr beide habt mittlerweile gut 40 Jahre auf dem Buckel. Hat sich eure Einstellung zur Musik und euer Verhalten, wie ihr Musik hört, stark verändert?
Abe: Ich bin 39 …
Oh sorry, um die 40 Jahre …
Frank: Nein, gar nicht. Ich höre noch genauso viel Musik, wie früher. Bei mir läuft den ganzen Tag über Musik. Egal wo und wann oder ob ich mich mit Freunden treffe und wir zusammen spielen oder Musik hören, daran hat sich nichts geändert. Was sich geändert hat ist die Art und Weise wie wir an unserer Musik arbeiten.
Abe: Zeit! Wir gehen immer sorgfältiger damit um und wir respektieren gegenseitig, dass jeder von uns Zeit für sich und seine Familie braucht. Das ist sehr wichtig.
Frank: Es braucht die richtige Balance und die haben wir mittlerweile gefunden. Klar könnten wir für drei Monate am Stück auf Tour gehen und während dieser Zeit unsere Familien und Kinder nicht sehen, aber das möchten wir nicht mehr.
Abe: In der Vergangenheit haben wir das so gemacht. Können ja, aber wir wollen nicht. Das war schon immer die grösste Herausforderung. Die richtige Balance zu finden zwischen auf Tour zu sein und Spass zu haben und genug Zeit zu Hause verbringen zu können. Ich denke, wir haben diese Balance mittlerweile gefunden und haben das Glück, dass wir von der Musik leben und all diese Dinge tun können, so wie wir sie möchten.
Diese Balance hört man dem Album an. Ihr seid bei euch und gleichzeitig ist da sehr viel frische Energie.
Frank: Definitiv, da ist ganz viel Energie. Wenn wir ein neues Album produzieren, dann orientieren wir uns nicht an dem, was wir davor gemacht hatten. Klar, das ist alles natürlich da. Aber wir versuchen jedes Mal etwas Neues, Eigenständiges zu erschaffen. Musik, die uns selber inspiriert. Es fühlt sich gut an, sich ausserhalb der eigenen Komfortzone zu bewegen, auszubrechen.
Abe: Ob nun gut oder schlecht, wir haben nie einen Plan, was wir genau machen wollen. Wir legen einfach los und versuchen uns dabei nicht gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Und plötzlich sind da 10 Songs fertig und wir sagen, hey cool, wir haben ein Album. Am Ende muss es zusammenpassen und einen Anfang und ein Ende haben.
Frank: Genau, jeder Song muss zum nächsten passen. Ich finde es schöner ein Album ganz durchhören zu können und es harmonisiert als Ganzes. Nur einen Track hier und einen Track davon zu hören, finde ich eher seltsam.
Hört ihr Musik ab Vinyl?
Abe: Frank ist Mister Vinyl ..!
Frank: Ja, ich habe sehr viel Vinyl. Schon als Kind habe ich Vinyl-Platten gesammelt. Und noch heute, egal ob ich am Putzen oder Kochen bin, ich lege eine Platte auf.
Abe: Und musst sie umdrehen …
Und was hört ihr euch zu Hause für Musik an?
Frank: Alles. Von Soul, Jazz, Funk zu Rock. Ich liebe Elektronische Tanzmusik, genauso wie Rap. Wenn ich etwas auflege dann kann das wirklich alles sein. Ob Prince oder Iron Maiden, egal. Das hört sich jetzt nach Klischee an, ist aber Tatsache.
Abe: Mir geht es da genauso. Alles ist möglich.
Man hört Musik bewusster, finde ich. Bei uns zu Hause, wenn wir Freunde eingeladen haben, dann läuft immer der Plattenspieler. Und jeder darf sich eine Platte aussuchen und auflegen, das ist sehr unterhaltsam.
Frank: Das hat was Soziales, stimmt. Das ist noch altes «Social Media».
Ja genau. Und gleich zu «Social Media». Was haltet ihr davon? Wie geht ihr mit all den Plattformen um, die vor allem eines sind, nämlich zeitraubend.
Abe: Einerseits nutzen wir es natürlich. Und andererseits versuchen wir nicht zu viel von uns preiszugeben, nichts Privates. Dinge wie, habe gerade ein Bier getrunken oder gehe in 5 Minuten auf die Bühne. So etwas wirst du bei uns nicht zu lesen bekommen. Wir halten uns gerne etwas zurück und bleiben lieber mysteriös. Und gleichzeitig ist es halt zeitgemäss und so wie das heute nun mal funktioniert. Wir picken die positiven Aspekte heraus und haben damit unseren Spass.
Frank: Wir nutzen Social Media, ganz klar. Wir sind eine visuelle Band und nutzen das Potential, das es unserer Band bringt. Aber wir befassen uns nicht jede Minute, jede Sekunde damit.
Ihr habt vor zwei Jahren am Rock’n’Heim Festival gespielt. Und Chino hat damals einen riesigen Satz ins Publikum gemacht. Was denkt ihr euch in dem Moment, wenn ihr seht, dass er zum Stagediving ansetzt?
Abe: Da geht er hin …
Frank: Oh ja, das war ein riesiger Graben, daran erinnere ich mich. Ein riesengrosser Sprung, bei dem er kopfüber in die Leute fiel. Man sah für einen kurzen Moment nur noch seine Beine, kerzengerade aus der Menge stechen.
Ich hab’s mit der Kamera erwischt …
Abe: Frank und ich haben die besten Aussichtsplätze.
Frank: Er tut das öfters und auch hier, das ist alles nicht geplant und kommt eher darauf an, wie viel Bier wir bereits hatten. Oder einfach wie die Energie zwischen den Fans und uns ist. Mit Chino weiss man nie, was als nächstes passiert. Ja, das ist auch so etwas, dass sich nie ändert, ausser seinem Körper.
Abe: Stimmt, er macht das nach wie vor. Vielleicht nicht mehr ganz so oft wie früher, denn es kann schon ziemlich wehtun.
Ihr solltet mal einen Stagedive machen …
Abe: Ich habe das wirklich noch nie gemacht, stimmt. Vielleicht sollte ich mal. Nein, dann lande ich noch im Gitter und breche mir die Knochen.
Dann besser nicht. Bis gleich bei eurer Show.
Interview + Bilder: Nicole Imhof